„Der Papst und der Holocaust“ über das Wirken von Pius XII. – Letzter Stand der Forschung vor Öffnung der vatikanischen Archive

Eine Buchbesprechung von Martin Bürger.
Erstellt von Martin Bürger am 23. Februar 2020 um 22:20 Uhr
Statue des hl. Petrus

Kürzlich fragte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Rahmen einer Podiumsdiskussion über Papst Pius XII.: „Wie erklärt sich das große Schweigen der katholischen Kirche zum Massenmord an den Juden während der Shoah? Welche Rolle spielte der Papst bei der Rettung der römischen Juden? Und inwieweit unterstützte das kirchliche Oberhaupt NS-Täter nach dem Krieg bei ihrer Flucht über die sogenannten Rattenlinien?“

Tatsächlich werden die vatikanischen Archive aus der Zeit des letzten großen Pius-Papstes Anfang März geöffnet. Den letzten Stand der Forschung bietet Michael Hesemann in seinem Buch „Der Papst und der Holocaust“, erschienen bei LangenMüller.

In seiner Einleitung räumt Hesemann gleich mit der Legende auf, der auch der Präsident des Zentralrats der Juden anzuhängen scheint, wonach man erst mit der Öffnung der Archive die Forschung rund um Papst Pius XII. beginnen könne. „Schon 1964, als direkte Antwort auf Rolf Hochhuths ahistorisches Skandaldrama Der Stellvertreter – ein Werk aus der Propagandaküche des KGB –, hatte Papst Paul VI. vier gelehrte Jesuiten beauftragt, die wichtigsten Akten und Dokumente des Heiligen Stuhls in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg (ADSS) in einer elfbändigen Edition herauszugeben.“

Die Arbeiten wurden 1981 abgeschlossen. Laut Hesemann wurden die fast 8000 Seiten des ADSS „bislang weitgehend ignoriert.“ Der deutsche Historiker machte sich an die Arbeit mit der Überzeugung: „Selbst wenn die 16 Millionen Seiten aus dem Pontifikat Pius’ XII. einmal komplett freigegeben sind, würde es Jahre, ja vielleicht sogar Jahrzehnte dauern, bis ich und andere sie vollständig gesichtet hätten. Sicher würde man das eine oder andere finden, das die vier Jesuiten übersehen haben oder nicht für relevant genug hielten, aber wird es etwas am Gesamtbild ändern? Doch eher nicht.“

Schon auf den ersten Seiten des Buches wird klar, dass man Papst Pius XII. viel vorwerfen kann, aber nicht, dem jüdischen Volk gegenüber ab- und dem Nationalsozialismus zugeneigt gewesen zu sein. Schon 1917 verschaffte Eugenio Pacelli, wie Pius XII. mit bürgerlichem Namen hieß, einem Führungsmitglied des Zionistischen Weltkongresses, Nahum Sokolow, eine Audienz bei Papst Benedikt XV. 1925, damals Nuntius in Deutschland, lag Pacelli im Krankenhaus. Auch wenn die Ärzte Sokolow nur für fünf Minuten zu Pacelli vorlassen wollten, dauerte das Gespräch der beiden schließlich anderthalb Stunden.

Hesemann ist zu danken für seine grundsolide Forschungsarbeit. Die Wahrheit, so überzeugend präsentiert in „Der Papst und der Holocaust“, wird spätestens mit der Öffnung der vatikanischen Archive nicht mehr von der Hand zu weisen sein.

Von Martin Bürger

Der Papst und der Holocaust
Pius XII und die geheimen Akten des Vatikan
Hesemann, Michael
1. Auflage 2018
448 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-7844-3449-0
28,00 EUR* D / 28,80 EUR* A / 36,90 CHF* (UVP)
F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH

Foto: Statue des hl. Apostels Petrus – Bildquelle: Kathnews

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