Christus, der gute Hirte

Homilie des heiligen Gregors des Großen zum Evangelium des 4. Ostersonntages nach der sog. ordentlichen Form des Römischen Ritus. Text:  Hom. 14, 3-6: PL 76, 1129-1130. Übersetzung: Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 6. Mai 2017 um 12:58 Uhr
Bildquelle: Sarto-Verlag

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Jo 10, 1-10)

In jener Zeit sprach Jesus:1Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die TĂŒr hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein RĂ€uber. 2Wer aber durch die TĂŒr hineingeht, ist der Hirt der Schafe. 3Ihm öffnet der TĂŒrhĂŒter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und fĂŒhrt sie hinaus. 4Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.5Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen. 6Dieses Gleichnis erzĂ€hlte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. 7Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die TĂŒr zu den Schafen. 8Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und RĂ€uber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. 9Ich bin die TĂŒr; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. 10Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in FĂŒlle haben.

Homilie des heiligen Gregors des Großen

Ich bin der gute Hirte. Ich kenne meine Schafe. Das heißt: ich liebe sie. Und die Meinen kennen mich. Als wenn er offen sagen wĂŒrde: Liebende richten sich nach ihm. Wer nĂ€mlich die Wahrheit nicht liebt, hat bis jetzt sehr wenig verstanden.

Weil ihr, Geliebte, ĂŒber unsere Gefahr gehört habt, bedenkt in den Worten des Herrn auch eure Gefahr. Schaut, ob ihr seine Schafe seit, schaut, ob ihr ihn erkennt, schaut, ob ihr das Licht der Wahrheit kennt. Ihr kennt es es aber nicht, sage ich, durch den Glauben, sondern durch die Liebe. Ihr kennt es, nicht aufgrund des Glaubens, sondern aufgrund der liebenden Tat. Denn derselbe, der dies sagt, der Evangelist Johannes, bezeugt: Wer sagte, er kenne Gott, aber seine Gebote nicht hĂ€lt, ist ein LĂŒgner.

Darum fĂŒgt der Herr an dieser Stelle sofort hinzu: Wie der Vater mich erkennt und ich den Vater erkenne und mein Leben fĂŒr die Schafe hingebe. Als ob er klipp und klar sagen wĂŒrde: Das ist der Beweis, dass ich den Vater erkenne und ich vom Vater erkannt werde: dass ich mein Leben gebe fĂŒr meine Schafe. Das heißt: Ich zeige, inwiefern ich mit jener Liebe den Vater liebe, mit der ich fĂŒr die Schafe sterbe.

Über diese Schafe sagt er dann wiederum: Meine Schafe kennen meine Stimme und ich kenne ihre, und sie folgen mir. Und ich geben ihnen ewiges Leben.  Etwas weiter oben sagt er diesbezĂŒglich: Ich bin die TĂŒr; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Er wird freilich eintreten in den Glauben, er wird vom Glauben zum Schauen, von der GlĂ€ubigkeit zur Anschauung gelangen. Er wird Weide in ewiger Erquickung finden.

Seine Schafe finden Weide, denn wer ihn mit einfachem Herzen folgt, findet ewig frische Nahrung. Was sind denn die Weiden dieser Schafe, wenn nicht die inneren Freuden des immer grĂŒnen Paradieses? Denn die Weiden der ErwĂ€hlten sind das anwesende Angesicht Gottes. Solange er ohne Unterlass angeschaut wird, empfĂ€ngt der Geist auf ewig Nahrung des Lebens.

Laßt uns also, Geliebteste, diese Weiden suchen, auf denen wir uns ĂŒber die festliche Gesellschaft so vieler BĂŒrger freuen. Das Fest aller, die sich freuen, möge uns selber einladen. Wir wollen also, Geliebteste, unser Herz entzĂŒnden, der Glaube möge sich erneut erwĂ€rmen in dem, was wir geglaubt haben, möge sich unser Verlangen fĂŒr das Himmlische entzĂŒnden. So bedeutet lieben schon auf dem Weg sein.

Von der Freude des inneren Festes halte uns keine WiderwĂ€rtigkeit ab, denn, auch wenn jemand verlangt, auf einem geplanten Weg zu gehen, dann verĂ€ndert keine Beschwernis des Weges sein Verlangen. Kein schmeichelnder Wohlstand möge uns vom Wege abbringen.  Denn töricht ist der Reisende, der beim Anblick schöner Wiesen am Wegesrand vergißt, wohin zu gehen er aufgebrochen ist.

Über den heiligen Gregor den Großen (540-604)

Er entstammte einer römischen Senatorenfamilie. Nach dem Tod des Vaters gibt er seine politische Laufbahn auf, um ein monastisches Leben zu fĂŒhren. Sein diplomatisches Geschick konnte er 579 unter Beweis stellen, als er im Auftrag des Papstes eine Gesandtschaft nach Konstantinopel anfĂŒhrte. Der ehemalige Ratgeber von Papst Pelagius II. wurde 590 zu dessen Nachfolger gewĂ€hlt. Kirchenpolitisch leistete er durch seine Umsicht und seine Weitherzigkeit Großes. So gelang ihm die Missionierung der Angelsachsen durch Entsendung von 40 Mönchen unter der FĂŒhrung des Priors Augustinus. Die arianischen Westgoten und Langobarden konnte er fĂŒr den katholischen Glauben gewinnen. GegenĂŒber dem Patriarchen von Konstantinopel verteidigte er den Primat des römischen Stuhles. Indem er die Verwaltung des Patrimonium Petri reformierte, bereitete er auch die weltliche Macht des mittelalterlichen Papsttums vor. Die Bevölkerung Roms dankte ihm vor allem seinen karitativen Einsatz in der BekĂ€mpfung von Hungersnöten und in der ArmenfĂŒrsorge.
Mit der regula pastoralis hinterließ Gregor eine Programmschrift ĂŒber die Aufgaben des Seelsorgers. Seine AutoritĂ€t im Mittelalter beruhte vor allem auf den moraltheologischen, aszetischen und mystischen Schriften (allen voran die Moralia in Iob und die Ezechielhomilien), verbreitet waren auch seine Dialogi, eine Art Heiligenlegende, in der die Ă€lteste Vita Benedikts von Nursia enthalten ist.  (Quelle: Catena Aurea)

Foto: Jesus der König – Bildquelle: Sarto-Verlag

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