„Brücken bauen zwischen Gott und Mensch“
Hildesheim (kathnews/KNA). Von Sabine Kleyboldt (KNA). Seine ehemals schwarzen Schuhe sind inzwischen grau von jahrhundertealtem Staub. „Das sind meine Baustellenschuhe“, sagt der Hildesheimer emeritierte Weihbischof Hans-Georg Koitz, Herr über Deutschlands größte Kirchenbaustelle: dem Hildesheimer Mariendom, Weltkulturerbe der UNESCO. Seit Anfang 2010 wird die romanische Bischofskirche saniert, in einem Jahr, am 15. August 2014, soll sie feierlich wiedereröffnet werden. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert der 78-jährige Domdechant Hintergründe und Details des 30-Millionen-Projekts.
KNA: Herr Weihbischof Koitz, träumen Sie manchmal vom Dom?
Koitz: Wenn ich an das Datum der Wiedereröffnung denke, geht mir manchmal auch nachts unsere Agenda durch den Kopf. Wobei unser Diözesanbaumeister sagt, wir sind im Zeitplan. Allerdings können auch Dinge wie im Mai passieren: Da drang etwas Wasser in die Bischofsgruft. Solche Situationen lassen mich dann nicht so gut schlafen. Aber geträumt habe ich noch nicht vom Dom, obwohl er mein Lieblingskind ist.
KNA: Wie kamen Sie zu diesem Lieblingskind?
Koitz: Buchstäblich wie die Jungfrau zum Kinde. Als ich 1994 Vorsitzender des Hildesheimer Domkapitels wurde, blieb mir nichts anderes übrig, als mich auch um Gebäude zu kümmern, besonders um den Dom. Ich bin technisch nicht sonderlich begabt, also galt „learning by doing“. Ich habe mich intensiv beraten lassen, unter anderem vom damaligen Kölner Dombaumeister Josef Rüenauver.
KNA: Zunächst musste aber die Finanzierung von Deutschlands größter Kirchenbaustelle gesichert werden. Wie kam die zustande?
Koitz: Das ursprüngliche von den Architekten vorgelegte Konzept belief sich auf über 40 Millionen Euro. Daraufhin haben wir die einzelnen Schritte in neun Module geteilt und eine Mischfinanzierung angesetzt: jeweils 10 Millionen Euro durch das Land Niedersachsen, den Bund, die Europäische Union und diverse Stiftungen, 10 Millionen durch Spenden und Fundraising sowie 10 Millionen durch das Bistum. Als wir die öffentlichen Geldgeber unter Dach und Fach hatten, waren wir froh. Jetzt gibt es noch eine überschaubare Finanzierungslücke. Zudem haben wir nicht alle neun Module umgesetzt, sondern nur die wichtigsten.
KNA: Und wie haben die Menschen im Bistum Hildesheim reagiert?
Koitz: Das war zunächst mühsam und schwierig. Ich hatte nach dem altersbedingten Rücktritt von Bischof Josef Homeyer 2004 für 18 Monate kommissarisch die Bistumsleitung übernommen. Da musste ich einerseits die vom Bischof initiierten Sparmaßnahmen umsetzen, die letztlich zu einer Vielzahl von Kirchenschließungen führten. Andererseits sollte ich ein 30-Millionen-Projekt auf die Schiene setzen, ein großer Spagat. Heute gibt es auch innerhalb des Bistums weithin Zustimmung zu den Umbaumaßnahmen.
KNA: Wie ist Ihnen das gelungen?
Koitz: Ãœber eine gute Informationspolitik des Bistums und vor allem durch unzählige Domführungen von vielen Verantwortlichen und auch von mir. Für mich sind solche Führungen eine neue Kanzel geworden: Ich kann hier viel sagen über das Verständnis von katholischer Kirche, über Gottesdienste, Bischof, Bestattungsriten, Sakramente, Reliquien, Musik, Kunst…
KNA: Was ist Ihre Vision eines Kirchenraums für das 21. Jahrhundert?
Koitz: Wir brauchen einen Dom, von dem die Menschen sagen: Hier können wir würdig Gottesdienst feiern, hier kann ich gut beten, hier kann ich mit einer Gruppe herkommen, hier kommt meine Seele zur Ruhe. Das soll nicht nur für katholische Christen gelten, sondern generell für alle, die einen Zugang zu Religion und Kunst haben.
KNA: Wie drückt sich das im „neuen“ Dom konkret aus?
Koitz: Zum Beispiel dadurch, dass wir die Stufen zum Altar deutlich reduziert haben. So konnten wir den Altar ein Stück weiter nach vorne ziehen und die Distanz zwischen Priester und Gemeinde verringern. Auch wird es weniger Altäre und Statuen in den Seitenkapellen geben. Denn mit einer konzentrierten Raumgestaltung, die nicht ablenkt, kann man das Wesentliche betonen.
KNA: Wenn der Dom in einem Jahr neu eröffnet wird, sind nicht nur fast fünf Jahre vergangen, sondern auch massive gesellschaftspolitische Veränderungen zu verzeichnen, mit Kirchenschließungen, größerer Distanz der Menschen zur Kirche, geringerer Mitgliederzahl. Inwieweit haben Sie das bei Ihren Plänen berücksichtigt?
Koitz: Da mache ich mir nichts vor, dass die religiöse Luft dünner geworden ist. Der Säkularisierungsschub greift. Ich hoffe, dass es uns gelingt, das Bewusstsein der Menschen richtig einzuschätzen und Brücken zu schlagen zwischen Gott und Mensch, indem wir eine mitgehende, fragende, suchende Kirche sind, die den Einzelnen ernst nimmt. Das möchte ich gerne in allem, was im Dom geschieht, einbeziehen. Letztlich geht es darum, die Beziehung des Einzelnen zu Gott und die Solidarität zwischen den Menschen zu stärken. Wenn also auf dem einen Schuh „Gott“ und auf dem anderen „Mensch“ steht, kann man auf beiden Füßen besser stehen und gehen. Die äußeren Formen ändern sich. Die innere Gestalt des Glaubens wird hoffentlich gut auf die Bedürfnisse der Zeit übertragen.
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Foto: Hildesheimer Dom – Bildquelle: Wikipedia / Ramessos