Bleibt der Altar bald leer?
Kommentar von Peter Winnemöller
(zuerst erschienen auf katholon.de):
Es gibt so gut wie keine Priesteramtskandidaten mehr. Das hat wohl inzwischen jeder begriffen, der sich ein wenig in der katholischen Kirche in Deutschland auskennt. Im Erzbistum Paderborn wurden in den 80er Jahren zuweilen 30 und mehr junge MĂ€nner zu Priestern geweiht. Heute sind es zwischen drei und fĂŒnf.
„Nulllinie“ beinahe erreicht
Bei den Priesteramtskandidaten sei die katholische Kirche in Deutschland âquasi an der Nulllinieâ angekommen, zitiert die kna den Vorsitzenden der Regentenkonferenz in Deutschland, Hartmut Niehues. Die âNulllinieâ bezeichnet im medizinischen Kontext zumeist den Herzstillstand. Auf dem EKG sind nicht mehr die charakteristischen Wellenlinien zu sehen, die ein schlagendes Herz anzeigen. Es ist nur noch eine Linie zu sehen und der Arzt spricht das bedeutungsschwere Wort âExitusâ. Der Patient ist tot.
Priesternachwuchs in tradionell ausgerichteten Gemeinschaften
Wenn nun der Sprecher der Regenten deutscher Diözesen von einer solchen Nulllinie in Bezug auf die Priesterausbildung spricht, dann ist das ein Alarmsignal, wie es kaum schlimmer sein könnte. Berufungen, das ist eine Binsenweisheit, können wir nicht machen. Wir können sie uns nur schenken lassen. Bedeutet das denn nun, daĂ Gott aufgehört hat, uns Berufungen zu schenken? Mitnichten! Ein Blick in die Seminare eher traditionell ausgerichteter Gemeinschaften zeigt, daĂ es nach wie vor Berufungen gibt. NatĂŒrlich kommen diese Berufungen aus dem Mistbeet eben jener traditionellen Gemeinschaften. Stellt man da Relationen her, wieviele Kandidaten auf wieviele GlĂ€ubige kommen, so kann man ganz sicher von einer recht Berufungsstruktur sprechen. Es dabei weniger um absolute Zahlen, denn die wĂ€ren auch bei traditionellen Gemeinschaften nicht so, daĂ sie den Priestermangel in den Diözesen ausgleichen könnten. Das sollen sie letztendlich auch nicht.
Schaut man aus einem anderen Blickwinkel, so dĂŒrfte das VerhĂ€ltnis GlĂ€ubige zu Berufungen in den Diözesen nicht schlechter aussehen als in den traditionellen Gemeinschaften. Auch hier geht es wieder nicht um absolute Zahlen oder Zehntelprozente, es geht um die Tendenz. Gott rechnet nicht. Gott ruft.
Nun wirkt aber, wie der Hl. Thomas von Aquin so schön sagte, die Gnade mit der Natur. Gott beruft eben aus jenen jungen Menschen, die sich ihm und seinem Wirken öffnen diejenigen, die fĂŒr den priesterlichen Dienst vorgesehen sind. Es bedarf dazu das Hören auf den Ruf Gottes und die Antwort des Gerufenen in seinem Leben. Eignung, Neigung und Annahme durch die konkrete Gemeinschaft sind Bestandteile der Berufung eines jeden, der einen geistlichen Weg geht.
Sterbende Gemeinden
In einer Teilkirche oder in den Teilkirchen einer Region, eines Landes, in denen das kirchliche Leben quasi vollends zum Erliegen gekommen ist, muĂ sich niemand wundern, wenn es so gut wie keine Berufungen zu einem geistlichen Leben im Priesteramt oder in einer Gemeinschaft mehr gibt. Woher sollten denn die Berufenen kommen, wenn nicht aus der Gemeinschaft der GlĂ€ubigen, die aus dem Glauben gerade eben in und mit der Kirche leben? Zwar ist der regelmĂ€Ăige sonntĂ€gliche Gottesdienstbesuch nicht der einzige MaĂstab dafĂŒr, doch er ist ein Marker, an dem sich viel ablesen lĂ€Ăt. Mehr noch wĂ€re es nötig auch noch einen Blick auf die Altersstruktur der Besucher der Hl. Messe am Sonntag zu werfen. Die Erstkommunion ist fast ĂŒberall gewesen, d.h. die jungen Muttis und die Kommunionkinder sind erst mal wieder weg. Der Altersdurchschnitt in den KirchenbĂ€nken darf sich also wieder zwischen 70 und 80 einpendeln.
Da sind keine jungen Leute in den Gemeinden, deren Berufung auf dem Mistbeet des Glaubens der konkreten Gemeinde vor Ort wachsen könnte. Sollte doch mal einer da sein, der sich versucht seiner Berufung zu stellen, kann er mit viel Widerstand rechnen. Angefangen beim Elternhaus ĂŒber den Freundeskreis, die Schule und selbst Priester haben heute nicht selten die Neigung, jungen MĂ€nnern eher mal eine Berufung auszureden, statt sie auf dem Weg zu begleiten. Abgesehen davon haben Priester in den heutigen Pastoralkolchosen dafĂŒr ohnehin kaum noch die Zeit. Gerade das aber braucht ein junger Mensch, der in sich die zarte Pflanze der Berufung entdeckt: Den vollen RĂŒckhalt des sozialen Umfeldes und einen guten Priester als geistlichen Begleiter, der den Weg mitgeht.
Es verwundert nicht im geringsten, wenn wir in der gegenwĂ€rtigen Situation der Kirche in nicht allzu ferner Zeit den Herztod der Priesterausbildung feststellen mĂŒssen. Denn lange vor diesem steht noch ein anderes Sterben. Das Sterben der Gemeinden. Es ist in vollem Gange. Die Volkskirche ist am Ende. Damit ist auch die volkskirchliche Priesterausbildung am Ende.
Hoffnung der Kirche
Dennoch sieht die Zukunft nicht dĂŒster aus. Der Kirche ist Bestand verheiĂen. Der Sozialform Volkskirche ist dieser Bestand nicht verheiĂen. Mag sie untergehen. Besser gestern als heute. Die Mistbeete des Glaubens und der Berufungen schimmern schon lĂ€ngst durch den kargen Boden der verkarsteten volkskirchlichen Landschaft. Geistliche Gemeinschaften, die sich der Tradition verpflichtet fĂŒhlen sind eines solcher Mistbeete. Nightfever und Ă€hnlich Bewegungen deuten die Richtung, in die es gehen könnte. Dort liegt die Hoffnung der Kirche fĂŒr die Zukunft.
Und jene wenigen, die sich noch entscheiden, ihrem Ruf in den priesterlichen Dienst in einer Diözese zu folgen, kann man nur sehr viel Kraft und Mut wĂŒnschen, denn sie gehen einen harten Weg in eine ausgesprochen unattraktive berufliche Zukunft. Doch auch sie sind Wegbereiter des Neuen, was Gott in unserem Land wachsen lĂ€Ăt. Sie bereiten den Weg fĂŒr die Neuevangelisierung auch dann, wenn sie gefĂŒhlt dem AbriĂkommando angehören. Den Bischöfen kann man nur raten, bei der Ausbildung ihrer wenigen Priesteramtskandidaten flexibel zu sein. FĂŒr die jungen MĂ€nner ist es schwer genug eine Ausbildungs- oder Seminarzeit als âEinzelkindâ zu durchlaufen.
Die Auferstehung ist Kernbestand unseres Glaubens. Der Tod, auch der Herztod der volkskirchlich geprÀgten Priesterausbildung, ist nicht das Ende.
Das letzte Wort spricht Gott.
Foto: Hochaltar – Bildquelle: Kathnews