Benedikt XVI. und der Islam (7)
EinfĂŒhrung von Gero P. Weishaupt:
In einem seiner Interviews mit Peter Seewald ging der damalige Joseph Kardinal Ratzinger, der spĂ€tere Papst Benedikt XVI., auch auf den Islam ein. Peter Seewald fragte den Kardinal, wie das PhĂ€nomen der StĂ€rkung des Islam in der westlichen Welt zu erklĂ€ren sei. Mit dieser Frage und der ihrer folgenden Antwort Kardinal Ratzingers beschlieĂt Kathnews die Reihe âPapst Benedikt XVI. und der Islamâ.
Peter Seewald:
âKann man denn auch ⊠fragen: Was soll die weltweite StĂ€rkung des Islam dem Christentum sagen?â
Papst Benedikt XVI.:
StÀrkung der Finanzmacht in arabischen LÀndern
âDiese StĂ€rkung ist ein PhĂ€nomen mit vielen Gesichtern. Zum einen spielen finanzielle Geschichtspunkte mit. Die Finanzmacht, die die arabischen LĂ€nder erlangt haben, die ihnen gestattet, allĂŒberall groĂe Moscheen zu bauen, eine PrĂ€senz moslemischer Kulturinstitute zu sichern und dergleichen Dinge mehr. Aber das ist sicher nur ein Faktor.
Wiedererstarkte IdentitĂ€t und neues SelbstbewuĂtsein des Islam
Der andere ist eine wiedererstarkte IdentitĂ€t, ein neues SelbstbewuĂtsein. In der kulturellen Situation des 19. und frĂŒhen 20. Jahhunderts, also bis in die 60er Jahre hinein, war die Ăberlegenheit der christlichen LĂ€nder industriell, kulturell, politisch, militĂ€risch so groĂ, dass der Islam wirklich ins zweite Glied gedrĂ€ngt war und das Christentum, jedenfalls die christlich begrĂŒndeten Zivilisationen, sich als die siegreiche Macht der Weltgeschichte darstellen konnten. Dann aber ist die groĂe moralische Krise der westlichen Welt ausgebrochen, die als die christliche Welt dasteht. Angesichts der tiefen moralischen SelbstwidersprĂŒche des Westens und seiner inneren Ratlosigkeit â der gleichzeitig eine neue wirtschaftliche Potenz der arabischen LĂ€nder gegenĂŒbestand â ist die islamische Seele neu erwacht: Wir sind auch wer, unsere IdentitĂ€t ist besser, unsere Religion hĂ€lt Stand, ihr habt gar keine mehr.
In der islamischen Wahrnehmung hat das Christenum abgedankt
Das ist eigentlich heute das GefĂŒhl der moslemischen Welt: Die westlichen LĂ€nder können keine moralische Botschaft mehr verkĂŒnden, sondern haben der Welt nur Know how anzubieten; die christliche Religion hat abgedankt, die gibt es als Religion eigentlich gar nicht mehr; die Christen haben keine Moral und keinen Glauben mehr, da sind nur noch Reste irgendwelcher moderner AufklĂ€rungsideen; wir aber haben die Religion, die Stand hĂ€lt. So haben die Moslems jetzt das BewuĂtsein, das doch eigentlich der Islam am Ende als die lebenskrĂ€ftigere Religion auf dem Plan geblieben ist, und dass sie der Welt etwas zu sagen haben, ja, die wesentliche religiöse Kraft der Zukunft sind. Voher war Scharia und all das schon irgendwie weitgehend abgetreten, jetzt ist der neue Stolz da. Damit ist auch ein neuer Schwung, eine neue IntensitĂ€t erwacht, den Islam leben zu wollen. Das ist die groĂe Kraft, die er hĂ€lt: Wir haben eine moralische Botschaft, sie ist ungebrochen seit den Propheten da, und wir werden der Welt sagen, wie man leben kann, die Christen können es sicher nicht. Mit dieser inneren Kraft des Islam, die gerade auch akademische Kreise fasziniert, mĂŒssen wir uns natĂŒrlich auseinandersetzenâ (in: Salz der Erde, 261 f.). Ende der Reihe
Foto: Papst Benedikt XVI. –Â Bildquelle: Rvin88 / Wikipedia