Beginnende Rückkehr einer gewissen römischen Normalität?

Beobachtungen und Mutmaßungen. Von Clemens Victor Oldendorf.
Erstellt von Clemens Victor Oldendorf am 29. April 2025 um 23:14 Uhr
Statue des hl. Petrus

Schon als der Leichnam von Papst Franziskus aus der Kapelle des Gästehauses Santa Marta zur Aufbahrung in die Peterskirche überführt wurde, hatte man den Eindruck, dass die Römische Kirche erkennbar deutlich und überraschend schnell viel von ihren vorhersehbar geordneten Abläufen und von ihrer äußeren Form zurückgewonnen hatte. Dies setzte sich beim Requiem und den Beisetzungsfeierlichkeiten fort. Die Predigt des Dekans des Kardinalskollegiums war inhaltlich erwartbar; der Einundneunzigjährige Re beeindruckte indes ungemein mit seiner beachtlichen Vitalität, mit der Dynamik seiner Gedankenführung und Rhetorik; unterstrichen von lebhafter Gestik und akustischer Stimmgewalt.

Das achte Papstgrab in der Marienkirche Roms und des Erdkreises

Die Verbundenheit des Verstorbenen zur Päpstlichen Basilika Santa Maria Maggiore und zur dort unter dem Titel Salus Populi Romani seit alters verehrten Marienikone ist einerseits typisch für die Jesuiten allgemein, war andererseits aber unbestritten persönlich echt. Dass Franziskus dort als erster Papst seit 1669 bestattet werden wollte, würde ich weniger seiner Bescheidenheit zuschreiben, auch wenn es stimmt, was das Testament verrät, dass für diese Grablege vorab schon ein ungenannter Wohltäter aufgekommen ist.

Franziskus‘ Marienverehrung im dargelegten Sinne soll nicht kleingeredet werden. Sie ist sicherlich eine Seite an Bergoglio, die an ihm wirklich volkstümlich war, wenn auch bestimmt nicht so hervortretend und anders geprägt wie bei Johannes Paul II (1920-2005), was aber berechtigt ist, denn Argentinien ist nicht Polen. Die Grabstätte in Groß-St. Marien zu wählen, deute ich auch nicht als einen letzten Ausdruck der inneren Distanz des Argentiniers zur Kurie oder als Kritik an dieser. Es wird ihm womöglich recht sein, wenn breite, an sich kirchenferne Massen und die Medien, die für diese Massen gemacht und gedacht sind, das in ihrem einfachen Gemüt beziehungsweise in ihrer gezielten Inszenierung so auffassen.

Wieder eine übereilte Selig- und Heiligsprechung eines Papstes?

Als Teil davon, nämlich dieser billigenden Inkaufnahme über den Tod hinaus, erachte ich allerdings ein Kalkül beim verstorbenen Papst für wahrscheinlich. Sein Grab in Santa Maria Maggiore ist für Touristenströme verhältnismäßig leicht und bequem zu frequentieren. Angesichts der jüngeren Praxis, Päpste in rascher Folge bald schon nach ihrem Tod selig- und mit nur kurzem zeitlichem Abstand heiligzusprechen, befürchte ich eine innerkirchliche Umdeutung der Warteschlangen, die sich vor Bergoglios Grab bilden, als Zeichen für die Verehrung, die der Papst der Bescheidenheit im heiligen Gottesvolk genießt. Diese Problematik ist keine spezielle.

Ein Nachfolger täte deshalb sicher gut daran, für Päpste generell festzulegen, dass ein Informativprozess für einen Bischof von Rom frühestens 70 Jahre nach dessen Tod eingeleitet werden kann, vorausgesetzt, dass zu diesem Zeitpunkt in einem nennenswerten Teil der Kirche unter den Gläubigen eine fromme Verehrung für den betreffenden Papst noch festgestellt werden kann.

Mediale Begeisterung flaut nämlich ebenso schnell ab wie momentan aufrichtige Trauer und Rührung, und noch schneller verfliegt oberflächliche Schaulustigkeit bei und unmittelbar nach einem Papstbegräbnis. Wo echte Marienverehrung besteht, da besteht auch die gläubige Zuversicht: Servus Mariae nunquam peribit – Ein Diener Mariens wird niemals verlorengehen. Das bedeutet aber nicht, einen Servus Mariae zur Ehre der Altäre katapultieren zu dürfen, wohl in besonders ausdrücklicher Weise nicht, wenn er zusätzlich auf Erden der Servus Servorum Dei, der Diener der Diener Gottes, wie ein prominenter Titel der Päpste lautet, gewesen ist.

Zwei wichtige Gebetsanliegen

Für den 7. Mai 2025 ist der Beginn der Papstwahl angekündigt. Beten wir für die Kardinäle und für denjenigen von ihnen, der als Nachfolger Petri auf Franziskus folgt.

Zum Gebet für die Seelenruhe von Papst Franziskus sind heute in der Berliner Kathedrale St. Hedwig zahlreiche Gläubige, außerdem Vertreter der Ökumene und solche aus Staat und Politik zusammengekommen. Der Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing, hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ein Pontifikalrequiem für den verblichenen Heiligen Vater gehalten. Konzelebranten waren der gastgebende Berliner Oberhirte Erzbischof Dr. Heiner Koch sowie der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterovic.

Färbt Rom schon auf Berlin ab – oder bloß Kalmierungstaktik?

Gemessen an dem nach der Liturgiereform Pauls VI. Möglichen und in Deutschland Üblichen war Bätzings Papstrequiem äußerst gediegen: Schwarze Paramente, der Diakon in Dalmatik, Gregorianisches Choralproprium und lateinische Polyphonie Palestrinas oder di Lassos, dazu als Gemeindegesang zwei überaus traditionelle Oster- und Auferstehungslieder. Erzbischof Koch hatte eingangs sogar den Papstbrief an die Kirche in Deutschland von 2019 erwähnt, womit Franziskus korrigierend in den Synodalen Weg der Deutschen eingreifen wollte, und auch die Predigt Bätzings war frei von linkskatholischen oder gesellschaftspolitischen Spitzen, griff vielmehr in weiten Zügen auf die letzte und wahrscheinlich weitgehend beste Enzyklika des verstorbenen Papstes, Dilexit nos, zurück, die Franziskus am 24. Oktober vergangenen Jahres der Förderung der Herz-Jesu-Verehrung gewidmet hatte.

Es ist schwierig zu beurteilen, aber entweder ist die schon wieder greifbare Rückkehr klassischer Formen, um nicht zu sagen einer gewissen, gediegenen Normalität in Rom auch in der Kirche in Deutschland schon registriert worden, oder man will beschwichtigen und besänftigen, nachdem man die Unverfrorenheit besessen hat, während der Sedisvakanz (!) eine Handreichung zu Segnungen zu publizieren, die in der angestrebten Form (um ein kleines Wortspiel zu gebrauchen) nicht einmal von Fiducia supplicans abgesegnet sind. Immerhin war der Nuntius dabei.

Foto: Stautue des hl. Petrus – Bildquelle: Kathnews

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