„Amoris Laetitia“ und die Teilnahme an den Sakramenten
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Nach den Kardinälen Gehard Ludwig Müller (Rom) und Wim Eijck (Utrecht), den Moraltheologen Dr. Lambert Hendriks (Roermond) und Prof. Dr. Josef Spindelböck (St. Pölten) sowie den Kirchenrechtlern Dr. Markus Graulich (Rom) und Dr. Gero P. Weishaupt (Aachen) hat nun erneut ein Bischof die Kontinuität des nachsynodalen Schreibens „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus in Bezug auf den Empfang der Sakramente durch Personen, die in irregulären Situationen leben, überzeugend dargelegt. Auf seiner Homepage zeigt der Weihbischof von Haarlem-Amsterdam, Dr. Jan Hendriks, dass die Kirche mit „Amoris Laetitia“ an ihrer bisherigen Praxis festhält. Allerdings betont die Kirche durch das jüngste päpstliche Schreiben noch stärker als bisher, dass die Beichtväter die besonderen Situationen nicht aus dem Auge verlieren sollen.
Weihbischof Mgr. Jan Hendriks ist promovierter und über die Niederlande hinaus ein bekannter und international anerkannter Kirchenrechtler. Er ist zudem Konsultor bei der Kleruskongregation in Rom. Seinen folgenden Beitrag habe ich integral aus dem Niederländischen übersetzt:
Von Weihbischof Jan Hendriks
Hat Amoris laetitia, die Apostolische Exhortation von Papst Franziskus, die kirchliche Lehre geändert? In der Fußnote 351 der Exhortation wird gesagt, dass Personen, die in irregulären Situationen leben, in bestimmten Fällen die Hilfe der Sakramente empfangen können. Doch wenn der Papst so etwas Besonderes ändert, warum hat er es dann in einer Fußnote getan? Oder wollte der Papst es unauffällig tun? Nein, hier geht es um etwas anderes.
Beichtvater
Der Papst hat in seinem Dokument eine Pastoral des Willkommens zur Sprache gebracht und dabei im Grunde auf die Praxis der Kirche hingewiesen, die die Beichtväter bei ihrer Ausbildung gelernt haben und die Familaris Consortio und das Vademecum für Beichtväter vorgeben. Papst Franziskus hat in seiner Apostolischen Exhortation Amoris Laetitia der Begleitung von Betroffenen in ungeregelten Lebenssituationen durch die Beichtväter besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Es geht in diesem Zusammenhang um die Abwägung durch Beichtväter und geistliche Begleiter.
Komplexe Situation
Der Papst weist darauf hin, dass der Beichtvater eine Haltung des Willkommens einnehmen soll. Er soll Urteile vermeiden, die der Komplexität einer Lebenssituation nicht Rechnung trägt und die besondere Weise, in der die betroffenen Personen leben und ihre Situation erfahren, nicht berücksichtigt (Nr. 296). Der Beichtvater soll bedacht sein auf die christliche Pädagogie, das heißt besonders darauf achten, wie er dem Pönitent auf seinem Weg der Nachfolge helfen kann. Er soll dabei nicht aus dem Augen verliert, dass die Anrechenbarkeit einer sündigen Situation ganz unterschiedlich sein kann; dass Personen in einer irregulären Situation zuweilen wenig oder sogar keine Schuld haben; dass sie in einer neuen Beziehung Verpflichtungen haben, z. B. gegenüber den Kindern; dass sie erst zum Glauben gefunden haben, als ihre Lebenssituation geordnet wurde, und so weiter (vgl. Nr. 297-300). Das aber bedeutet, dass die Beichtväter oder geistlichen Begleiter denen, die sich in einer irregulären Situation befinden, mit Verständnis und Liebe begegnen sollen, darauf bedacht, sie soweit wie möglich am kirchlichen Leben teilnehmen zu lassen.
Teilnahme an den Sakramenten?
In einigen Fällen kann dies die Teilnahme an den Sakramenten bedeuten, wie es bereits in der Apostolischen Exhortation Familiaris Consortio (1981) Nr. 84 vorgesehen ist. Darum muss der Beichtvater die Situation abwägen in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Lehre der Kirche. So kann jemand, der sich der ehelichen Akte enthält, teilnehmen an den Sakramenten und darum auch die Absolution erhalten. Da aber die Situation nach außen hin nicht geordnet ist, kann die betreffende Person zur Kommunion gehen, wo die Situation nicht bekannt ist. Manchmal will ein Partner sich zwar von den ehelichen Akten enthalten, aber er vermag nicht verhindern – auch wenn er oder sie versucht, diese delikate Angelegenheit mit Liebe zur Sprache zu bringen –, dass der andere Partner gegen seinen oder ihren Willen zur Gemeinschaft hindrängt (Vademecum Nr. 13).
Nichtigkeitserklärung
In einem Einzelfall ist es jemandem nicht möglich, die Nichtigkeitserklärung einer früheren Ehe zu beantragen, zum Beispiel wegen der suizidalen Neigung des psychisch kranken Ehepartners, wenngleich der Beichtvater angesichts der Tatsachen und Umstände die Nichtigkeit der Ehe erkennen muss. In einem solchen Fall ist diese Person nicht in der Lage, die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit zu beantragen. Dadurch ist er nicht an die kanonische Eheschließungsform gebunden (vgl. can. 1116 CIC/1983). Die neue Ehe ist in Gottes Augen gültig, auch wenn sie nur vor dem Standesbeamten geschlossen worden ist.
Internes Forum
Natürlich geht es hier um das ehrliche Bekenntnis des Beichtenden, das durch den Beichtvater verstanden wird und auf dessen Grundlage er im sogenannten „internen Forum“ ein Urteil gibt, wodurch der Pönitent guten Gewissens an den Sakramenten teilnehmen darf, und zwar an einem Ort, wo seine öffentliche Situation keine Fragen hervorruft. Es handelt sich um sehr delikate Umstände, die es in einer klugen Weise abzuwägen gilt in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche. In solchen Fällen kann der Beichtvater darum zu der Schlussfolgerung kommen, dass der Pönitent die Absolution erhalten und an den Sakramenten teilnehmen kann.
Foto: Petersdom – Bildquelle: Radomil, CC