Absage an reinen Pazifismus
Berlin (kathnews/domradio/epd). BundesprĂ€sident Joachim Gauck hat auf die ostdeutschen Pfarrer reagiert, die seine Forderungen nach mehr auĂenpolitischem Engagement Deutschlands kritisieren: Er zeigt VerstĂ€ndnis fĂŒr die Kritik, weist sie aber auch zurĂŒck. Wie die âBerliner Zeitung“ (Freitagsausgabe) berichtet, hat der Chef des BundesprĂ€sidialamtes, David Gill, in Gaucks Auftrag einen Brief zurĂŒckgeschrieben. Darin Ă€uĂere der BundesprĂ€sident VerstĂ€ndnis fĂŒr die Kritik, weise sie aber gleichzeitig auch zurĂŒck. Gauck bevorzuge prĂ€ventive und zivile Konfliktlösungen und werde auch weiterhin von einem christlichen Wertefundament aus agieren, zitiert das Blatt aus dem Schreiben. Jedoch gehöre zur Geschichte, âdass ohne Einsatz bewaffneter KrĂ€fte keine Befreiung von der Hitler-Diktatur möglich gewesen wĂ€re“. AuĂerdem wird in dem Brief auf den Völkermord in Ruanda und die Barmer Theologische ErklĂ€rung von 1934 verwiesen, der zufolge ânach dem MaĂ menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens Androhung und AusĂŒbung von Gewalt“ rechtens sein könnten.
Schwierige Schuldfrage
âDer evangelische Christ Gauck kann somit nicht erkennen, dass der vom Evangelium gewiesene Weg ausschlieĂlich der Pazifismus sei“, zitiert die Zeitung weiter aus dem Brief. Man könne mit einem Ja und mit einem Nein zu militĂ€rischer Gewalt schuldig werden. Gauck hatte zuerst bei der MĂŒnchener Sicherheitskonferenz am 31. Januar mehr deutsches Engagement in internationalen Konflikten gefordert und dabei militĂ€rische EinsĂ€tze ausdrĂŒcklich nicht ausgeschlossen. SpĂ€ter wiederholte er seine Forderung. Ostdeutsche evangelische Pfarrer, die wie Gauck in der kirchlichen Oppositionsbewegung der DDR aktiv waren, warfen ihm daraufhin vor, sich von den Idealen der damaligen Friedensbewegung abzuwenden.
Pfarrer reagieren
Die Initiatoren und Unterzeichner des Briefes reagierten gespalten auf die Antwort. Der Berliner Pfarrer Klaus Galley sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Samstagsausgabe), er finde es bemerkenswert, âdass wir eine so ausfĂŒhrliche Antwort bekommen haben“. Der langjĂ€hrige Leiter des Wittenberger Predigerseminars, Peter Freybe, sagte, er finde den Brief sehr gut, âweil er nun wirklich differenziert und alle Aussagen zur Sache darstellt“. Der Berliner Theologe Siegfried Menthel erklĂ€rte dagegen, er sei nicht ĂŒberzeugt. âGauck liefert nur erneut die BegrĂŒndung, warum er Krieg als ultima ratio fĂŒr legitim hĂ€lt“, sagte er âZeit Online“.
Im sĂ€chsischen Werdau kĂŒndigte unterdessen der BĂŒrgerrechtler Georg Meusel an, aus Protest gegen Gaucks ĂuĂerungen sein Bundesverdienstkreuz zurĂŒckzugeben. âDer Grund dafĂŒr sind Ihre Aussagen, die militĂ€rische Gewalt als ‚letztes Mittel‘ rechtfertigen, wĂ€hrend ich nicht erkennen kann, dass Sie sich angemessen fĂŒr den Zivilen Friedensdienst einsetzen wĂŒrden“, schreibt Meusel in einem Brief an den BundesprĂ€sidenten. Der 72-jĂ€hrige Meusel engagierte sich als Pazifist in der DDR-Opposition. 1998 grĂŒndete er das Martin-Luther-King-Zentrum fĂŒr Gewaltfreiheit und Zivilcourage in Werdau bei Zwickau. Im selben Jahr verlieh ihm der damalige BundesprĂ€sident Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz.
Foto: Reichstag in Berlin – Bildquelle: Michael J. Zirbes