Abmahnung aus Rom

Die Karfreitagspredigt des Hofpredigers des Päpstlichen Hauses richtete sich auch an die Römisch Katholische Kirche in Deutschland. Ein Kommentar von Bernhard Meuser.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 3. April 2021 um 15:47 Uhr
Petersdom
Vatikan (kathnews). Der 86-jährige Raniero Cantalamessa ist eine spirituelle und menschliche Instanz – nicht nur in Rom, sondern in der ganzen Kirche. Seit 1980 ist der bescheidene Kapuziner „Hofprediger des Päpstlichen Hauses“. Viele sehen in ihm einen Propheten der Gegenwart, von dem sich selbst die Päpste etwas sagen lassen.

Synodaler Weg

Seine Predigt am Karfreitag war spektakulär, denn sie war eine einzigartige, vom Evangelium moderierte Abmahnung an die Kirchen Westeuropas. Und wenn Cantalamessa an eine dieser Kirchen dachte, dann ganz gewiss an die deutsche. Und wenn Cantalamessa an die deutsche Kirche dachte, dann ganz gewiss an die unerhörten Vorgänge rund um den Synodalen Weg: Fünfmal hat der Papst (und haben die vatikanischen Instanzen) die Kirche in Deutschland daran erinnert, dass sie gegen die Einheit der Kirche arbeitet – und fünfmal zuckten die Protagonisten des liberalkirchlichen Umbaus mit der Schulter. Nun nehmen die Dinge einen ernsthaften Charakter an.
Es ist langsam an der Zeit, dieser Farce ein Ende zu bereiten. Es gibt genug Katholiken – vor allem der jüngeren Generation – die nicht bereit sind, mitzutrotten auf dem kollektiven Marsch in eine Kirchenform, die es bereits gibt. Die Evangelischen Landeskirchen und die Altkatholiken haben alles, was die liberalkirchlichen Reformer wollen: Keine Einsprüche vom Papst. Keinen Zölibat. Keine Einheit in der Lehre. Keine anstößige Sexualmoral. Frauen am Altar. Segnung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Eine demokratische Verfassung, usw. Das alles ist ja nicht verboten, aber in Einheit mit der universellen, „einen, heiligen, katholischen und apostolischen“ Kirche ist es nicht zu haben. „Die Stärke Satans“, hat John Henry Newman einmal so deftig wie gescheit gesagt, „liegt darin, dass dem Augenschein nach die Großzahl auf seiner Seite steht; aber wenn wir die Bibel lesen, verliert dieses Argument seine Stichhaltigkeit. Da finden wir, dass wir nicht vereinsamt sind; dass andere vor uns in der gleichen Lage waren wie wir, unsere Gefühle hatten, unsere Prüfungen ertrugen und für den gleichen Preis, den wir suchen sich abmühten.“ Newman spielt auf die arianische Krise der Kirche im 4. Jahrhundert an, in der es einer kleinen Schar von „hellen Köpfen und heiligen Herzen“ (clear heads and holy hearts) rund um den hl. Athanasius bedurfte, um „die heilige Flamme des Glaubens so hell und strahlend zu überliefern“, wie sie empfangen wurde.

Und nun die Worte von Raniero Cantalamessa:

„Die katholische BrĂĽderlichkeit ist verwundet! Die Tunika Christi ist durch die Spaltungen zwischen den Kirchen in StĂĽcke zerrissen worden; aber – was nicht weniger schwerwiegend ist – jedes StĂĽck der Tunika wird oft in weitere StĂĽcke zerrissen. Ich spreche natĂĽrlich von dem menschlichen Element der Tunika, denn die wahre Tunika Christi, sein mystischer, vom Heiligen Geist belebter Leib, wird niemals von jemandem zerrissen werden können. In den Augen Gottes ist die Kirche „eins, heilig, katholisch und apostolisch“ und wird dies bis zum Ende der Welt bleiben. Das entschuldigt aber nicht unsere Spaltungen, sondern macht sie nur noch schuldhafter und muss uns noch stärker dazu antreiben, sie zu heilen.
Was ist die häufigste Ursache für Spaltungen unter Katholiken? Es ist nicht das Dogma, es sind nicht die Sakramente und die Ämter: alles Dinge, die wir durch die einzigartige Gnade Gottes unversehrt und einstimmig bewahren. Nein, es ist die politische Option, wenn sie die religiöse und kirchliche ablöst und eine Ideologie vertritt. Dies ist der eigentliche Faktor der Spaltung in bestimmten Teilen der Welt, auch wenn er verschwiegen oder verächtlich geleugnet wird. Dies ist eine Sünde, im wahrsten Sinne des Wortes. Es bedeutet, dass das ´Reich dieser Welt´ im eigenen Herzen wichtiger geworden ist als das Reich Gottes.
Ich glaube, dass wir alle aufgerufen sind, diesbezĂĽglich eine ernsthafte GewissensprĂĽfung vorzunehmen und uns zu bekehren. Denn das ist schlechthin das Werk dessen, dessen Name „diabolos“ ist, d.h. der Spalter, der Feind, der Unkraut sät, wie Jesus ihn in seinem Gleichnis definiert (vgl. Mt 13,25).
Wir müssen aus dem Evangelium und aus dem Beispiel Jesu lernen. Um ihn herum gab es eine starke politische Polarisierung. Es gab vier Parteien: die Pharisäer, die Sadduzäer, die Herodianer und die Zeloten. Jesus ergriff für keinen von ihnen Partei und widerstand energisch den Versuchen, ihn auf die eine oder andere Seite zu ziehen. Die frühe christliche Gemeinde folgte ihm in dieser Wahl treu. Dies ist ein Beispiel vor allem für Hirten, die sich um die ganze Herde kümmern, nicht nur um einen Teil davon. Sie sind daher die ersten, die eine ernsthafte Gewissensprüfung vornehmen und sich fragen müssen, wohin sie ihre Herde führen: ob auf die eigene Seite oder auf die Seite Jesu.
Wenn es eine Gabe oder ein eigenes Charisma gibt, das die katholische Kirche zum Nutzen aller Kirchen kultivieren muss, dann ist es das der Einheit.“
Foto: Kuppel Petersdom – Bildquelle: M. BĂĽrger, kathnews

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