Aachen ehrt Karl V.

Drei Sonderausstellungen anlässlich des 500.  Jahrestages der Krönung Karls V. in Aachen am 23. Oktober 1520. Eine dieser Sonderausstellungen ist Albrecht Dürer gewidmet. Von Gero P. Weishaupt
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 30. September 2020 um 18:17 Uhr

Schon seit dem Mittelalter zieren Figuren von Königen und Kaisern die beeindruckende Fassade des Aachener Rathauses. Im Zuge der Barockisierung der Fassade im 18. Jahrhundert verschwanden sie.  Erst der dem Historismus zugewandte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (Aachen gehörte für 100 Jahre – seit dem Wiener Kongress 1815 bis zum Ende der deutsch-preußischen Monarchie 1918 – politisch zu Preußen) veranlasste mit einer aufwendigen Regotisierung des Rathauses auch die Erneuerung des ursprünglichen Figurenprogramms. Seitdem schmücken 54 Könige und Kaiser wieder die Nordseite des Aachener Rathauses.  Dieses hatte 1435 der Humanist Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., bei seinem Aachenbesuch mit den Wort gepriesen: „Pallacium illud tota Germania nobilissimum“ – Der edelste Palast in ganz Deutschland.  Ãœber dem Portal der regotisierten Fasssade thront Christus, zu seiner Rechten kniet Papst Leo III., der Karl den Großen am Weihnachtstag 800 in Rom gekrönt und nach einer Legende im Jahre 805 selber in Aachen gewesen ist, zu seiner linken Karl der Große. Dieser ist allerdings – bei näherer Betrachtung gut erkennbar – mit dem Gesicht Kaiser Wilhelms II., dem letzten deutschen Kaiser, dargestellt.

Karl V.

Ganz in Portalnähe im ersten Obersgeschoß auf der rechten Seite steht die Pfeilerfigur Kaiser Karls V., bekleidet mit einem Chormantel, den er bei seiner Krönung in Aachen getragen hat, auf dem Haupt die Reichskrone, in seiner rechten Hand das Reichsschwert, in der linken den Reichsapfel tragend. Orginalgetreue Kopien dieser Reichskleinodien befinden sich im historischen Krönungssaal des Rathauses, ihre Originale in der Schatzkammer der Wiener Hofburg.  Karl V. wurde am 20. Oktober 1523, vor fünfhundert Jahren, in der Stadt Karls des Großen zum römisch-deutschen König gekrönt. Er regierte 40 Jahre lang und ist wohl mit keinem seiner illustren Vorgängern oder Nachfolgern zu vergleichen, es sei denn nur mit Karl dem Großen.

Als Karl I. von Spanien war er der erste Herrscher über ein globales Imperium. Es umfaßte neben Spanien und Teilen Italien auch Teile Amerikas und ab 1521 auch die Philippinen.  Karls Reich war ein Reich, in dem die Sonne  nicht unterging, wie er selber gesagt hat.  Es war aber auch geprägt von der Reformation Martin Luther, die nicht nur die Kirche spaltete, sondern auch Karls Reich entzweite.

Der am Prinzenhof zu Gent im kulturell bedeutenden und wirtschaftlich florierenden Herzogtum Burgund – neben der Toskana mit der Stadt Florenz in Italien einem der bedeutendsten europäischen Zentren der Renaissance – geborene Karl wurde am 28. Juni 1519 von der Kurfürsten in der Frankfurter St. Bartholomäuskirche  zum König des Heiligen  Römischen Reiches gewählt. Mit Hilfe Jakob Fuggers von  Augsburg und dessen Wahlgeld konnte er sich gegen seinen französischen Konkurrenten Franz I. bei den Kurfürsten durchsetzen.  Der noch junge Habsburger empfing ein gutes Jahr später,  am 23. Oktober 1520, zwanzigjährig im Aachener Dom, der Krönungskirche seines  Reiches, die Königskrone und damit das Anrecht auf die Kaiserwürde.  1530 wurde er in Bologna vom Papst zum Kaiser gekrönt. Es sollte die letzte von einem Papst vorgenommene Kaiserkrönung sein.  Die Krönung zum deutsch-römischen König  in Aachen war ihrerseits die vorletzte Krönung in der altehrwürdigen Kaiserstadt. Nach Karl V. sollte noch sein Bruder Ferdinand I. in Aachen zum deutsch-römischen König gekrönt werden. Danach fanden bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 alle Krönungen in Frankfurt statt. Jedoch erfolgte auch in Frankfurt die Krönung nach dem jahrhundertealten  Krönungszeremoniell, das in seinem Kern auf die Aachener Krönung Ottos I. 936 zurückging und Laufe der Jahrhunderte geringfügig erneuert worden war.

Albrecht Dürer

Zur Krönung Karls V. reiste auch der berühmte Nürnberger Maler Albrecht Dürer nach Aachen, wo er knapp drei Woche verweilte. In Aachen wollte sich die von Kaiser Maximilian I., dem Onkel Karls V.,  gewährte Rente in der Höhe von jährlich 100 Gulden vom neu gekrönten König  bestätigen lassen. Während seines Aufenthaltes in Aachen fertigte Dürer  Silberstiftzeichnungen vom Aachener  Dom und dem Aachener Rathaus an. Beeindruckt von Aachen, der Krönungszeremonie und dem reichen Kirchenschatz der Krönungskirche notierte Albrecht Dürer in seinem Tagebuch: „Da hab ich gesehen alle herrliche Köstlichkeit, desgleichen keiner, der bei uns lebt, köstlicher Ding gesehen hat.“

Krönungskirche

Der Aachener Dom, die Grabeskirche Karls des Großen, des Begründers des abendländischen Kaisertums nach dem Ende des Römischen Reiches,  war 600 Jahre lang vom Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit die Krönungskirche des Heiligen  Römischen Reiches. Hier empfingen von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) 30 Könige nach der Salbung die Königskrone, darunter mehrere Habsburger wie Rudolf I., Abrecht I., Friedrich III., Maximilian I. oder Ferdinand I. Dazu kamen noch zwölf Königinnen, die in Aachen gekrönt worden sind.  Karl IV. (der Luxemburger) bestimmte in der Goldenen Bulle von 1356 Aachen verbindlich zum Krönungsort. Die Krönung vollzog der Kölner Erzbischof als Konsekrator und einige Male auch der Mainzer Erzbischof .  Aachen war damals noch kein  Bistum. Es gehörte zum Bistum Lüttich. Dieses war Teil der Kölner Kirchenprovinz. Nach der Salbung bestieg der König den Thron Karls des Großen im Hochmünster des Domes, wo er die Huldigung und die Glückwünsche der Fürsten entgegennahm. Die in Aachen Gekrönten sahen sich in der Nachfolge Karls des Großen, so auch Karl V. Nach dem Te Deum wurde der Neugekrönte in das Stiftskapitel (Vorgänger des heutigen Domkapitels) aufgenommen. Er leistete den Eid der Treue und des Gehorsams vor dem Blute des heiligen Erzmärtyrers Stephanus. Danach nahm der König mit dem karolingischen Schwert den Ritterschlag vor.

Die glanzvollste Krönung

Die Krönung Karl V. in Aachen sollte die glanzvollste werden, die die Stadt je erlebt hat. Der König kam aus dem circa 30 km entfernten Maastricht und betrat Aachen vom Westen her, begleitet von „3000 Mann, die sich  auf je 1000 Bogenschützen, Hellebardiere und Spießträger verteilten. … Den Abschluss davon machten sechs Ratsherren der Stadt Aachen. Sie trugen weiße Stäbe und wurden von 30 Reitern begleitet. Beim Betreten des Aachener Gebietes hatten sie den König begrüßt und sich von ihm nach aller Sitte das Wahldekret vorzeigen lassen. Jetzt erschien Jülich, dessen Zug durch die Schönheit der Pferde und deren prächtige Rüstung bei den Zuschauern Staunen und Bewunderung hervorrief. … Endlich konnte sich jetzt der Hauptzug in Bewegung setzen. Zuerst ritt die sächsische Gesandtschaft mit 50 bis 60 Pferden in die Stadt ein. Ihr folgte der Pfalzgraf Ludwig mit seinem Bruder, dem Herzog Friedrich, und dem Bischof von Regensburg, die mit der stattlichen Zahl von 700 wohl gerüsteten Pferden aufwarten konnten. Die Gesandtschaft Brandenburgs zählte nur 30 Pferde, während die Gruppe der Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln mit 130, 200 und 400 Pferden auf das Königliche Gefolge vorbereiteten. Dieses zog jetzt auf mit einer Pracht, welche die Augenzeugen nicht genug rühmen können.  … Nun erschien der jugendliche König selbst in herrlicher silberner Rüstung auf einem Schimmel. Neben ihm ritten zur Rechten der Erzbischof von Köln in voller Rüstung und zur Linken der Erzbischof von Mainz in Kardinalstracht. … Die Stadt- und Klostergeistlichkeit war dem König bis zum äußeren Stadttore entgegengezogen. Es war eine Art Prozession, in der die Domherren das Haupt Karls des Großen und andere Reliquien mit sich führten. Allen voran wurde eine Kolossalfigur Karls des Großen getragen, die großes Aufsehen erregte.  … Der König stieg von seinem Roß, um das Haupt Karls des Großen zu küssen“ (Viktor Gielen, Im Banne des Kaiserdomes, Aachen 1978, 116 ff.).

Sonderausstellungen

Wie im unvergessenen Karlsjahr 2014 –  Kaiser Karl der Großen starb am 28. Januar 814 – veranstaltet die Stadt Aachen auch anlässlich der Fünfhundertjahrfeier der Krönung Karls V. drei Sonderausstellungen (Trilogie). Im Centre Charlemagne, dem Stadtmuseum Aachens, widmet sich die Sonderausstellung „Der gekaufte Kaiser. Die Krönung Karls V. und der Wandel der Welt“ dem Krönungsfest Karls V. Noch heute sind bedeutende Zeugnisse der Krönung in Aachen erhalten. Bekannt ist z. B. der kostbare Krönungsmantel in der Domschatzkammer. Das Domkapitel hat ihn für die Sonderausstellung im benachbarten Centre Charlemagne ausgeliehen.  Aus dem Rathaus werden einige Stücke der originalgetreuen Kopien der Reichsinsignien im Centre Charlemagne zu sehen sein. Die Ausstellung weitet den Blick auch auf den historischen Kontext der Krönung, der eine Zeit gewaltiger politischer, religiöser und kultureller Umbrüche gewesen ist und stellt aktuelle Bezüge zur Gegenwart her.

Die Sonderausstellung über Karl V. findet vom 23. Oktober 2020 bis 21. Januar 2021 im Stadtmuseum Centre Charlemagne auf dem Katschhof statt, dem Freiplatz zwischen Rathaus und Dom, dem zentralen Areal der ehemaligen Pfalz Karls des Großen. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Öffentliche Führungen sind an diesen Tagen um 15.30, donnerstags zusätzlich um 18.30 Uhr. Der Eintrittspreis für Erwachsene beträgt 6 Euro, ermäßigt 3 Euro, für Schüler 4 Euro.

Schirmherrschaft des Bundespräsidenten

Die  Sonderausstellung über Karl V. ist ein Teil einer Trilogie. Ihr folgen noch zwei weitere Sonderausstellungen. In der Ausstellung „Dürer war hier. Eine Reise wird Legende“ widmet sich das renommierte Aachener Suermond-Ludwig-Museum  der Person Albrechts Dürer, der vom 7. bis zum 26. Oktober 1520 im Zusammenhang mit der Krönung Karls V. in der Stadt Karls des Großen weilte. Der Nürnberger Maler fertigte bei diesem Aufenthalt verschiedene Skizzen des Domes und des Rathauses. In den 70er Jahres des letzten Jahrhunderts rekonstruierte der Aachener Architekt Leo Hugot nach den Zeichnungen Dürers die heutigen beeindruckenden Turmhelme des Aachener Rathauses an, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren.

In der Aachener Sonderausstellung über Dürer, die corona-bedingt allerdings erst 2021 eröffnet werden kann, werden 100 Meisterwerke des Nürnberger Künstlers zu bewundern sein, darunter Zeichnungen und Gemälde wie das berühmte des Heiligen Hieronymus aus Lissabon, 40 Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen von Zeitgenossen Dürers. Hochkarätige Exponate aus bedeutenden Musea der Welt, aus den USA, aus den Uffizien in  Florenz, dem Pariser Louvre, dem Britisch Museum und der National Gallery in London sowie der Albertina in Wien werden in Aachen zu sehen sein.  Die Dürer-Ausstellung findet vom 18.07.2021 bis 24.10.2021 statt.

Ergänzt werden die beiden Sonderausstellungen von einer Sonderausstellung im Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst mit dem Titel „Bon Voyage! Reisen in der Kunst der Gegenwart“. In ihr werden  zeitgenössischer Künsterinnen und Künstler das Reisen mit Installationen, Videos, Fotografien und Grafiken  ins Zentrum ihrer Arbeit stellen. Sie thematisieren die globale Welt, darunter die Arktis, den Amazonas, die chinesische Mauer, Kolonialismus, das Nomadentum und die Migration. Sie ist zu sehen vom 13.11.2020 bis 11.04.2021.

Alle drei Sonderausstellungen stehen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Franz Walter Steinmeier.

Weitere Informationen auf www.duerer.2020 und www.centre-charlemagne.eu.

Foto: Karl V. an der Aachener Rathausfassade – Bildquelle: Gero P. Weishaupt

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