Zur Frage nach der Kirchlichkeit der Priesterbruderschaft St. Pius X.

II. Teil einer ekklesiologischen und kanonistischen Analyse von Mag. theol. Michael Gurtner.
Erstellt von Mag. Michael Gurtner am 14. Februar 2011 um 19:26 Uhr

Die Frage, welche im Zusammenhang mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. immer wieder auftaucht ist, ob es mit den illegalen Bischofsweihen zu einem Schisma gekommen ist oder nicht, denn nicht selten war und ist nach wie vor in kirchlichen und weltlichen Medien von der „schismatischen Piusbruderschaft“ zu lesen, und auch seitens kirchlicher AmtstrĂ€ger ist diese Behauptung mitunter zu hören (spĂ€testens mit der Aufhebung der Exkommunikation ist es im ĂŒbrigen obsolet geworden, die Piusbruderschaft als schismatisch zu bezeichnen, da ein Schisma eine dogmatische Tatsache darstellen wĂŒrde, welche nicht allein aus kirchenrechtlichen GrĂŒnden, sondern zunĂ€chst auch aus dogmatischen GrĂŒnden eine Trennung bedeutet, welche eine Exkommunikation notwendig mit sich bringt).

Stellen wir uns die Frage, wie es denn mit der Kirchlichkeit der Priesterbruderschaft St. Pius X. bestellt sei, so mĂŒssen wir uns zunĂ€chst einmal prĂ€sent halten, daß unmittelbar nach der Bischofskonsekration der Heilige Stuhl, und zwar mit voller Berechtigung wie wir noch sehen werden, von einem zweifachen Grund fĂŒr die Exkommunikation von Konsekratoren und Konsekrierten sprach: zum einen die Bischofskonsekration an sich (nach can. 1382), sowie zum anderen das mit dieser Bischofsweihe angenommene Schisma (nach can. 1364 §1).
Man könnte gewissermaßen sagen, daß es sich unter rein dogmatischen Gesichtspunkten um einen einzigen Grund handelt, da im konkreten Fall das angenommene Schisma durch die Bischofsweihe vollzogen wird: die unerlaubte Bischofsweihe macht demnach das innerlich bestehende Schisma nach außen hin sichtbar und vollzieht es im Ă€ußeren Bereich. Schisma und Bischofsweihe wĂ€ren in diesem Falle unter dogmatischer Hinsicht eine zusammenhĂ€ngende Einheit.

Unter kanonistischen Gesichtspunkten hingegen handelt es sich um zwei GrĂŒnde, da sowohl eine illegale Bischofsweihe, als auch ein Schisma – unabhĂ€ngig davon wie es zustande kam – die Exkommunikation nach sich ziehen: sowohl ein Schisma ohne mandatslose Bischofskonsekration, als auch eine mandatslose Bischofskonsekration ohne Schisma haben die Exkommunikation zur Folge.

Insofern es sich um die mandatslosen Bischofsweihen handelt, sind diese eine Ă€ußerlich feststellbare Straftat. Der Gesetzgeber stellt den Vollzug der mandatslosen Weihe an sich in can. 1382 unter die hĂ€rteste Strafe, und das auch zu Recht. Es ist eine Tat, deren Vollzog automatisch zur Strafe fĂŒhrt. Dieser Straftatbestand der Bischofsweihe ohne pĂ€pstliches Mandat ist jedoch nicht unter dem Titel  „Straftaten gegen die Religion und die Einheit der Kirche“ behandelt, nicht einmal unter Titel „Straftaten gegen die kirchlichen AutoritĂ€ten und die Freiheit der Kirche“, sondern erst in Titel „Amtsanmaßung und Amtspflichtverletzung“.

Der Grund einer Exkommunikation nach can. 1382 ist also eine Ă€ußerlich festzustellende Tatsache, ein konkret greifbarer Akt. Die Frage, deren Antwort ĂŒber Exkommunikation und Nicht-Exkommunikation entscheidet, ist also: hat besagte Handlung Ă€ußerlich stattgefunden?

Im Falle der FSSPX ist eindeutig zu sagen: ja. Und deshalb zogen sich die sechs Bischöfe damals unbezweifelbar die (mittlerweile aufgehobene) Exkommunikation als Tatstrafe zu.
Als zweiter Grund der Exkommunikation wurde can. 1364 §1 angefĂŒhrt: die unerlaubte Bischofsweihe, so hieß es verstĂ€ndlicher Weise, sei ein „schismatischer Akt“ gewesen. Ein Schisma aber fĂŒhrt ebenso und unabhĂ€ngig von einer eventuell mit diesem verbundenen Bischofskonsekration ohne pĂ€pstlichen Mandat zur Exkommunikation. Ein solches Schisma kann von einer illegalen Bischofsweihe begleitet sein, welche das Schisma sichtbar macht und endgĂŒltig vollzieht, muß aber nicht unbedingt von einer solchen begleitet sein, weshalb es sich, aus kanonistischer Sicht gesehen, um zwei unterschiedliche Straftaten handelt.

Hebt can. 1382 also auf die Frage nach einem historischen Faktum ab (Frage: „wurde eine Weihehandlung vollzogen?“), so zielt can. 1364 §1 auf eine dogmatische Gegebenheit ab (Frage: „liegt ein Schisma im dogmatischen Sinne vor?“). Ist die Vorfrage also im ersten Falle historischer Natur, so ist sie im anderen Falle dogmatischer Natur. Es muß zuerst die dogmatische Frage geklĂ€rt sein, um anschließend die Frage nach einer Exkommunikation nach can 1364 §1 beantworten zu können, bzw. prĂ€ziser gesagt: die Antwort auf die dogmatische Frage nach dem Vorliegen eines Schismas ist zugleich die Antwort der kanonistischen Frage nach der Exkommunikation ob eines Schismas. Denn ein Schisma, welches in Wirklichkeit nicht besteht, kann auch keine Kirchenstrafe nach sich ziehen. Deshalb ist die dogmatische Frage nach dem Bestehen eines Schismas vor der kirchenrechtlichen Frage zu beantworten, bzw. ist die dogmatische Antwort zugleich auch die kanonistische, und nicht umgekehrt.

Letztlich besagt Kanon 1364 §1: ist aus ekklesiologischer Sicht ein Schisma eingetreten, dann (und nur dann) zieht dies die kirchenrechtliche Konsequenzen der Exkommunikation nach sich (was freilich eine Exkommunikation aus anderen GrĂŒnden nicht ausschließt; hier geht es uns um die Exkommunikation auf Grund eines eingetretenen Shismas). Das Schisma im kirchenrechtlichen Sinne kann kein anderes sein als jenes im dogmatischen Sinne. Tritt also ein Schisma als dogmatische Tatsache ein, dann kommt es auch zu kirchenrechtlichen Konsequenzen. Das hat aber zur Folge, daß zuerst die Frage zu beantworten ist, ob die dogmatischen Kriterien eines Schismas auch tatsĂ€chlich eingetreten sind oder nicht. Bei einer positiven Antwort greifen sofort und ohne Weiteres die entsprechenden Canones des Kirchenrechts. Das Kirchenrecht reagiert in diesem Falle also auf eine dem Strafeintritt vorangehende ekkelsiologische Wirklichkeit. Oder anders gesagt: nicht das Kirchenrecht bestimmt ob ein Schisma vorliegt, sondern die Dogmatik. Das Kirchenrecht ĂŒbernimmt quasi das Urteil der Dogmatik.

Somit mĂŒssen wir auch im Falle der Priesterbruderschaft St. Pius X. zunĂ€chst die Frage stellen, ob aus dogmatischer Sicht mit den unerlaubten Bischofsweihen (oder aber vielleicht von diesen unabhĂ€ngig, etwa schon vorher) ein Schisma eingetreten ist oder nicht.

Zum Schisma aus dogmatischer Sicht

Doch stellen wir uns an dieser Stelle die Frage nach dem Schisma aus dogmatischer Sicht: Es gibt, auch nach Kirchenrecht, im Wesentlichen drei Möglichkeiten von der Kirche abzufallen, welche irgendwie zusammengehören, auch wenn sie freilich voneinander unterschieden sind. Es handelt sich um die HĂ€resie, die Apostasie und das Schisma, wobei letzteres ein wenig komplexer ist als die anderen beiden genannten, auch weil es eher nach außen hin gerichtet ist, und nicht vornehmlich nur auf das Innere der betreffenden Person selbst.
Ein Schisma bedeutet eine Abspaltung von der Kirche durch Weigerung, sich dem rechtmĂ€ĂŸigen Papst unterzuordnen. Ein solches Schisma kann von einer HĂ€resie begleitet sein (Negation des pĂ€pstlichen Primates oder des Papstamtes generell, etwa), muß aber nicht unbedingt davon begleitet sein. Wenn wir aber von der Weigerung, sich dem Papst unterzuordnen sprechen, so erhebt sich sofort auch die Frage, was denn dann der Unterschied zum Ungehorsam sei.

Ein Schisma vollzieht sich im Wesentlichen in einer doppelten Weise: zum einen bedarf es einer bestimmten inneren Haltung, eines Wollens bzw. eines Vorsatzes. Dieser ist darin bestehend, sich von Papst und somit notweniger Weise auch von der Kirche trennen zu wollen. Die GrĂŒnde dafĂŒr können unterschiedlich sein: Hochmut, HĂ€resie, Glaubensabfall, der Wille eine eigene kirchenĂ€hnliche Einrichtung bzw. eine Sekte zu grĂŒnden, etc. Jedenfalls wird entweder das Papsttum als solches nicht anerkannt, oder aber man unterstellt sich nicht mehr dessen universalen AutoritĂ€t.

Dieser Wille ist zunĂ€chst ein innerer und privater, muß sich dann aber auch nach außen hin öffentlich manifestieren, um vollzogen zu sein. Beide Komponenten sind also notwendig, damit es zu einem Schisma kommen kann: es ist ein Ă€ußerer Vollzug eines inneren Abfalls.

Im Falle der Priesterbruderschaft St. Pius X. ist ohne Zweifel in der illegalen Bischofsweihe ein Ă€ußerer Akt gesetzt worden, welcher prinzipiell fĂ€hig ist, ein Schisma anzuzeigen und zu vollziehen. Doch war auch der Wille zum Schisma gegeben? Msgr. Lefebvre beteuerte bei seiner Weihehomilie wie gesagt das Gegenteil. Doch mußte sich dies erst durch Tatsachen bewahrheiten, daß es nicht bloß ein Bekenntnis der Lippen, sondern ernsthafter Wille war.

Ein Schisma bedeutet immer auch einen trennenden Riß des Bandes der Einheit mit dem Apostolischen Stuhle bzw. somit auch mit der Kirche als solche. Ein Schisma trennt Kirche und Schismatiker voneinander. Ohne Zweifel verletzen Akte schweren Ungehorsams immer dieses Band der Einheit. Doch die Frage ist, ob es ohne den Willen zu einer Trennung tatsĂ€chlich auch zu einer Trennung kommen kann? Dies wĂŒrde bedeuten, daß unter UmstĂ€nden jemand von der Kirche getrennt werden könnte ohne getrennt sein zu wollen.
Letztlich lĂ€uft die Frage darauf hinaus, ob es auch sein kann, daß ein Schisma entsteht, indem nur eine Ă€ußere Handlung vollzogen wird, ohne die innere Haltung und den inneren Willen zur Spaltung. Doch wie soll ein Schisma entstehen und bestehen können, wenn es in Wirklichkeit am Willen dazu mangelt? Denn man wird letztlich immer das zu verwirklichen suchen, was man anstrebt, sei es Einheit oder Spaltung, was aber nicht mit einschließt, daß bestimmte Einzelakte nicht auch gegen die Grundintention gehen können, etwa durch Unbedachtheit oder auch im Affekt.

Was die das Schisma hervorrufenden Akte anbelangt ist zu unterscheiden zwischen solchen, die in jedem Fall aus ihrer eigenen Natur heraus ein Schisma hervorrufen, und solchen, welche lediglich die potentielle Möglichkeit in sich bergen, ein solches zu vollziehen. Akte, welche notwendiger Weise ein Schisma nach sich ziehen, wĂ€ren etwa, wenn jemand eine Sekte ausrufen wĂŒrde, einen Gegenpapst wĂ€hlen wĂŒrde, oder erklĂ€rt, sich vom römischen Papst loszusagen, oder Äußerungen tĂ€tigt welche besagen, daß er den Papst oder dessen AutoritĂ€t grundsĂ€tzlich nicht anerkennt. Diese Akte setzen nĂ€mlich voraus, sich vom Papst und somit von der Kirche trennen zu wollen: es ist nicht denkbar, beispielsweise einen neuen Papst auszurufen und zugleich den regierenden Papst anzuerkennen.

Andere Akte hingegen sind ihrer Natur nach nicht so geartet, daß sie unbedingt und notweniger Weise ein Schisma nach sich ziehen mĂŒssen, wobei sie jedoch sehr wohl dazu prinzipiell fĂ€hig sind: darunter sind etwa sĂ€mtliche Akte schweren Ungehorsams zu zĂ€hlen, insofern sie nicht zusĂ€tzlich auch in die erste Kategorie gefallen sind. Auch mandatslose Bischofsweihen sind hierzu zu rechnen: so sehr es stimmt, daß sie (ohne eine objektive Notlage) immer und ausnahmslos falsch und tadelnswert sind, so kann man aber objektiver Weise umgekehrt nicht sagen, daß sie unbedingt und in jedem Fall eine Ablehnung des Papstes als solchen bzw. dessen AutoritĂ€t im Generellen darstellen mĂŒssen. Im Normalfall werden mandatslose Bischofsweihen sehr wohl dies zum Ausdruck bringen, aber es ist ebenso denkbar, daß es zu einer solchen Weihe kommt, obwohl der Papst, sein Primat und seine AutoritĂ€t grundsĂ€tzlich anerkannt werden.

In solch einem Falle handelt es sich um einen schweren, und auch schwerst sĂŒndhaften Ungehorsam, aber um keine generelle Ablehnung des Papstes und dessen AutoritĂ€t. Denn Schisma bedeutet nicht, daß eine einzelne, konkrete Entscheidung nicht anerkannt wird, sondern es ist umfassender: es bedeutet, daß man sich von Papst und Kirche als solche trennen möchte und auch trennt.

Und hierin ist genau der Unterschied zwischen Schisma und Ungehorsam gelegen: der bloße Ungehorsam handelt in einer konkreten Sache gegen die Weisung des Papstes, wobei dieser aber dennoch generell als Papst anerkannt wird, und auch der Wille, seiner apostolischen AutoritĂ€t unterstellt zu sein und zu bleiben, vorhanden sein muß. Der Ungehorsam ist auf etwas Konkretes bezogen und speziell. Im Falle der Bischofsweihen wurde ein konkretes pĂ€pstliches Verbot nicht befolgt, nicht aber der Papst selbst, dessen AutoritĂ€t oder die RechtmĂ€ĂŸigkeit der Kirche in Zweifel gezogen. Hinsichtlich des Deliktes des Ungehorsams gilt im Generellen can. 1371 Nr. 2: „Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden 
 wer sonst dem Apostolischen Stuhl, dem Ordinarius oder dem Oberen, der rechtmĂ€ĂŸig gebietet oder verbietet, nicht gehorcht und nach Verwarnung im Ungehorsam verharrt“. Was das Delikt der mandatslosen Bischofskonsekrationen anbelangt ist das Strafausmaß durch die excommunicatio latae sententiae jedoch bereits vorgegeben, weshalb fĂŒr dieses Delikt can. 1371 nicht von Relevanz ist, sehr wohl aber fĂŒr eventuelle andere Akte des Ungehorsams.

Ein Schisma basiert hingegen auf einem generellen, umfassenden Willen, sich nicht der AutoritÀt des Papstes zu unterstellen, oder auf einem Nicht-Anerkennen dessen Papstamtes und den damit verbundenen AutoritÀten und Vollmachten. Der Wille des Schismatikers, sich nicht dem Papst zu unterwerfen, ist allgemein und universell, ihm liegt eine habituelle Haltung zugrunde.

Freilich sind auch Akte eines Schismas von Ungehorsam begleitet, jedoch bedeutet nicht jeder Ungehorsam gegen den Heiligen Stuhl auch ein Schisma. Auch das Motu Proprio Ecclesia Dei, welches von einem vollzogenen  Schisma ausgeht, spricht ĂŒber die Bischofsweihen von 1988 von einem Akt des Ungehorsams, welcher „eine wirkliche Ablehnung des römischen Primates in sich schließt, einen schismatischen Akt“.

Akte des Ungehorsams, besonders jene, welche an sich fĂ€hig sind, ein Schisma zu vollziehen, bergen stets die große Gefahr in sich, daß sich diese Haltung zu einer habituellen Haltung verfestigt, und somit nach und nach tatsĂ€chlich in ein Schisma fĂŒhrt. In einigen FĂ€llen ist dies in den Reihen der Priesterbruderschaft St. Pius X. seitens einzelner Mitglieder auch tatsĂ€chlich geschehen: nicht durch Bischofsweihen, sondern durch entsprechende Aussagen einzelner Mitglieder der Bruderschaft. Diese sind ohne Weiteres als außerhalb der Kirche stehend zu betrachten, einige sind auch tatsĂ€chlich im Sedisvakantismus oder in anderen schismatischen Haltungen gelandet. Doch haben sie sich damit auch von der Priesterbruderschaft St. Pius X. getrennt, da diese selbst nicht schismatisch sondern kirchlich ist, das heißt in einer bestehenden, wenngleich verletzten Einheit mit dem Heiligen Stuhle steht.

Es ist im Zusammenhang mit der Frage nach dem Bestehen oder nicht-Bestehen eines Schismas der Priesterbruderschaft St. Pius X. festzustellen, daß der Heilige Vater Benedikt XVI in seinem Brief an die Bischöfe, in welchem er zur Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft Stellung nimmt, nicht davon spricht, daß ein Schisma bestand, sondern allein davon, daß mandatslose Bischofsweihen die Gefahr eines Schismas in sich bergen. Wörtlich schreibt S.H. Papst Benedikt XVI:

„Bischofsweihe ohne pĂ€pstlichen Auftrag bedeutet die Gefahr eines Schismas, weil sie die Einheit des Bischofskollegiums mit dem Papst in Frage stellt. Die Kirche muß deshalb mit der hĂ€rtesten Strafe, der Exkommunikation, reagieren, und zwar, um die so Bestraften zur Reue und in die Einheit zurĂŒckzurufen.“

Das Delikt der mandatslosen Bischofsweihe ist daher nicht in sich selbst schismatisch, d.h. es kommt durch eine solche Weihe nicht ipso facto zu einem Schisma, was folglich auch bedeutet, daß die Einheit mit dem Heiligen Stuhl nicht automatisch gebrochen ist, sondern „nur“ verletzt und die Gefahr eines Bruches besteht – dieser Bruch, welchen ein Schisma bedeutet, aber nicht notwendiger Weise definitiv vollzogen ist.

Diese Aussage des Heiligen Vaters steht also ein wenig in Kontrast zu dessen Aussagen, welche er als Kardinal, nach damaligen Erkenntnisstand der Dinge vollkommen zu Recht, in seiner Ansprache an die chilenischen Bischöfe im Juli 1988 tÀtigte, in welcher er, wir sagten es bereits, viermal von einem bestehenden bzw. offensichtlich bestehenden Schisma sprach. 2009 ist, im Gegensatz zu 1988, nur mehr von einer Gefahr eines Schismas die Rede.

Und noch ein Gedanke ist in dieser Angelegenheit interessant: Kardinal Hoyos gab, im zeitlichen Abstand von etwa eineinhalb Jahren, drei Interviews, in welchen er jeweils betonte, daß die Piusbruderschaft nicht schismatisch ist. Im September 2005 sagte er in einem Interview mit 30Tage: „Msgr. Lefebvre hat sich von der Weihe bedauerlicherweise nicht abbringen lassen, und so kam es zu jener Situation der Ablösung, wenn es sich auch nicht um ein formelles Schisma handelt“. Und in einem Interview vom 8. Februar 2007 mit der Deutschen Tagespost stellte derselbe Kardinal fest: „Die Bischöfe, Priester und GlĂ€ubigen der Priesterbruderschaft Pius X. sind keine Schismatiker. Erzbischof LefĂšbvre hat mit der unerlaubten Bischofsweihe eine schismatische Handlung vollzogen. Daher sind die von ihm geweihten Bischöfe suspendiert und exkommuniziert. Die Priester und GlĂ€ubigen der Bruderschaft sind nicht exkommuniziert. Sie sind keine HĂ€retiker. Ich teile die Furcht des heiligen Hieronymus, dass HĂ€resie zum Schisma fĂŒhrt und umgekehrt. Die Gefahr eines Schismas ist groß, etwa durch systematischen Ungehorsam gegenĂŒber dem Heiligen Vater oder durch Leugnen seiner AutoritĂ€t.“

Besonders der letzte Satz ist mit dem Brief des Heiligen Vaters vom MĂ€rz 2009 an die Bischöfe inhaltlich eindeutig ident, wenn sowohl Kardinal Hoyos, als auch Papst Benedikt XVI. im Bezug auf die Bischofsweihen feststellen, daß eine große Gefahr besteht, daß es durch diese, wenn sich die Haltung verfestigt, zu einem Schisma kommen kann – was aber impliziert, daß dies nicht unbedingt der Fall sein muß. Damit stimmen beide im Übrigen auch mit dem ĂŒberein, was Kardinal Lara, der PrĂ€fekt des Interpretationsrates von 1988, damals sagte: „Der Tatbestand der Konsekration eines Bischofs, ohne pĂ€pstliche Erlaubnis, ist in sich keine schismatische Handlung“

Und in einem Interview vom 13. 11. 2005 mit dem italienischen Fernsehkanal Canale 5 sagte Eminenz Hoyos: „Non siamo di fronte ad una eresia. Non si puĂČ dire in termini corretti, esatti, precisi che ci sia uno scisma. C’Ăš una attitudine scismatica nel consacrare vescovi senza il mandato pontificio. Loro sono dentro la Chiesa, solo che manca una piena, una piĂč perfetta, come Ăš stato detto nell’incontro con monsignor Fellay, una piĂč piena comunione, perchĂš c’Ăš la comunione.“. Die mandatslosen Bischofsweihen zeigten zwar eine schismatische Haltung, aber die Priesterbruderschaft sei innerhalb der Grenzen der Kirche. Es mĂŒsse, so der KardinalprĂ€fekt, zwar eine noch vollere Einheit wiederhergestellt werden, eine Einheit jedoch besteht bereits.

Eindeutig sagt der KirchenfĂŒrst, besonders deutlich im Interview mit der Tagespost, daß mit den Bischofskonsekrationen zwar ein schismatischer Akt gesetzt wurde, daß jedoch dadurch kein Schisma entstanden sei. Der Kardinal unterscheidet also klar die inhaltliche Bedeutung von „schismatischer Akt“ und „vollzogenes Schisma“.

Unter „schismatischer Akt“ versteht Eminenz Hoyos letztlich also das, was wir oben umschrieben mit „ein Ă€ußerer Akt, welcher prinzipiell fĂ€hig ist, ein Schisma anzuzeigen und zu vollziehen“ bzw. „Akte, welche lediglich die potentielle Möglichkeit in sich bergen, ein Schisma zu vollziehen“, und ist von jenen Akten unterschieden, welche wir beschrieben mit: „Akten, die in jedem Fall aus ihrer eigenen Natur heraus ein Schisma hervorrufen“.

Der Terminus „schismatischer Akt“ bedeutet, zumindest in der Art und Weise, wie ihn Eminenz Hoyos versteht, nicht, daß dieser Akt, wenn er vollzogen wird, auf jeden Fall ein Schisma vollzieht, sondern bedeutet lediglich, daß dieser prinzipiell ein Schisma zu vollziehen imstande ist.

Diese Unterscheidung zwischen potentiell schismatischen Akten und definitiv schismatischen Akten ist zwar inhaltlich vollkommen richtig und der Dogmatik entsprechend, und muß auch bei der dogmatischen Bewertung des „Kirchenzustandes“ der Priesterbruderschaft St. Pius X. unbedingt Anwendung finden, so wie wir es getan haben. Jedoch wĂŒrde ich nicht so weit gehen, diese Unterscheidung ausgerechnet in dieser Formulierung „schismatischer Akt“ festmachen zu wollen. Denn es bleibt besonders auch hinsichtlich der Gesamtbewertung der Inhalte jener Dokumente, welche diesen Terminus verwenden, fraglich, ob diese Formulierung als Formulierung wirklich auf diese rechte Unterscheidung wie sie der Kardinal vollzieht abzielt, oder nicht doch eher einen „Akt, der im konkreten Fall ein Schisma vollzogen hat“ darunter versteht.

Daher ist dem Kardinal inhaltlich uneingeschrĂ€nkt zuzustimmen, allerdings wĂŒrde ich jedoch nicht ausgerechnet den linguistisch etwas uneindeutigen Terminus „schismatischer Akt“ hierzu ins Felde fĂŒhren, um durch diesen „potentiell schismatisch“ und „definitiv schismatisch“ voneinander zu unterscheiden.

Dieser Artikel ist der zweite Teil einer ekklesiologischen und kanonistischen Analyse von Mag. theol. Michael Gurtner. Die siebenteilige Artikelreihe wird in den kommenden Tagen forgesetzt.

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