Vollendung der Offenbarung Gottes in Jesus Christus

Reform in Kontinuität: Der Offenbarungsbegriff von Vatikanum II geht über bloße Mitteilungen von Wahrheiten hinaus, ohne diese aber auszuschließen. Artikel 4 von Dei Verbum.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 1. August 2015 um 13:12 Uhr
Vaticanum II, Konzilseröffnung

Einleitung von Gero P. Weishaupt:

Artikel 4 der Offenbarungskonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils hebt die Kontinuität der Offenbarung Gottes in der Geschichte hervor. Anknüpfend an den Hebräerbrief wird gesagt, dass Gott im Alten Testament „durch die Propheten“ gesprochen hat. Im Neuen Testament spricht er in Jesus Christus. In ihm tritt „(a)n die Stelle der Worte … das Wort. Christus redet nicht mehr bloß von Gott, sondern er ist selbst das Reden Gottes …“ (Joseph Ratzinger). Zugleich vollendet sich in Christus die Offenbarung, das Sprechen Gottes zu den Menschen, „weil es nach ihm und über ihn hinaus nichts mehr zu sagen gibt, denn in ihm hat Gott sich selbst gesagt. Ihn ihm ist der Dialog Gottes ans Ziel gekommen …“ (Joseph Ratzinger). Deshalb kann es nach Christus keine neue Offenbarung mehr geben, bis er wiederkommt in Herrlichkeit.

Das Konzil versteht Offenbarung als ein Dialog- und Kommunikationsgeschehen, das in Christus zu seiner Vollendung gelangt ist. Offenbarung ist darum zuerst ein Reden Gottes zu den Menschen, in dem er sich selber ihnen im Hinblick auf ihre Gemeinschaft mit ihm und ihr Heil in ihm mitteilt, und zwar endgültig in seinem Sohn Jesus Christus. Offenbarung wird verstanden als Selbstmitteilung Gottes. Ohne die Notwendigkeit von Informationen über Wahrheiten auszuschließen, zielt Offenbarung nach Vatikanum II primär auf die „Einheit und Verwandlung“ (Joseph Ratzinger) der Menschen mit und in Gott hin. Dazu teilt sich Gott dem Menschen selber mit.  Offenbarung als Dialog, als ein Sich-selbst-Mitteilen Gottes ist erst der  Ermöglichungsgrund für die Mitteilung von Wahrheiten ist, die in Gott ihren Grund haben. „Damit wird noch einmal sichtbar, wie wenig Intellektualismus und Doktrinalismus das Wesen von Offenbarung zu erfassen vermögen, in der es nicht um ein Reden über etwas geht, dass der Person ganz äußerlich bleibt, sondern um den Existenzvollzug des Menschen, so daß das Ziel dieses Gespräches letztlich nicht Informationen, sondern Einheit und Verwandlung ist“ (Joseph Ratzinger).

So wird auch im Zusammenhang mit diesem umgreifenden, über bloße Informationen von Wahrheiten hinausgehenden Offenbarungsbegriff wieder das Bemühen des Zweiten Vatikanischen Konzils um eine Erneuerung (Reform) unter Wahrung der Tradition, d.h. einer Erneuerung in Kontinuität erkennbar. Ein als Offenbarung im Sinne von  Informationen/Mitteilungen von Wahrheiten verstandener und auf diese beschränkter und neoscholastisch als Belehrung von Lehrsätzen verengter Offenbarungsbegriff wird aufgegriffen, also keinewegs in Abrede gestellt (!!!), aber weiterentwickelt und hineingeführt in die Weite eines Begriffes, der Offenbarung als Selbstmitteilung Gottes versteht, als ein Gott und Mensch personal-existenziell betreffendes Offenbarungsgeschehen, das in Jesus Christus zur Vollendung gelangt.

Deutscher und lateinischer Text von Dei Verbum, Artikel 4

Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen durch die Propheten gesprochen hatte, „hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns gesprochen im Sohn“ (Hebr 1,1-2). Er hat seinen Sohn, das ewige Wort, das Licht aller Menschen, gesandt, damit er unter den Menschen wohne und ihnen vom Innern Gottes Kunde bringe (vgl. Joh 1,1-18). Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als „Mensch zu den Menschen“ gesandt, „redet die Worte Gottes“ (Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen DurchfĂĽhrung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schlieĂźlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfĂĽllt und abschlieĂźt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daĂź Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von SĂĽnde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken. Daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgĂĽltige Bund, unĂĽberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13).

Postquam vero multifariam multisque modis Deus locutus est in Prophetis, „novissime diebus istis locutus est nobis in Filio“ (Hebr 1,1-2). Misit enim Filium suum, aeternum scilicet Verbum, qui omnes homines illuminat, ut inter homines habitaret iisque intima Dei enarraret (cf. Io 1,1-18). Iesus Christus ergo, Verbum caro factum, „homo ad homines“ missus (3), „verba Dei loquitur“ (Io 3,34), et opus salutare consummat quod dedit ei Pater faciendum (cf. Io 5,36; 17,4). Quapropter Ipse, quem qui videt, videt et Patrem (cf. Io 14,9), tota Suiipsius praesentia ac manifestatione, verbis et operibus, signis et miraculis, praesertim autem morte sua et gloriosa ex mortuis resurrectione, misso tandem Spiritu veritatis, revelationem complendo perficit ac testimonio divino confirmat, Deum nempe nobiscum esse ad nos ex peccati mortisque tenebris liberandos et in aeternam vitam resuscitandos.

Foto: Konzilsväter auf dem Petersplatz in Rom – Bildquelle: Peter Geymayer / Wikipedia

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