Die Taufe ist die Eingliederung in die Universalkirche, nicht in eine Teilkirche

Ein Kommentar von Dr. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 8. März 2012 um 19:05 Uhr
Dr. Gero P. Weishaupt

Der Aufruf der Piusbruderschaft zum Kirchensteuerboykott durch eine Austrittserklärung aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts “Kirche” in Deutschland hat eine Diskussion erneut entfacht, die unter Theologen, Kirchen- und Staatskirchenrechtlern in der Vergangenheit heftig diskutiert worden ist. (Auf den Inhalt des Aufrufs der Piusbruderschaft soll hier nicht eingegangen werden.) Es geht um die Frage, ob in Deutschland die Katholische Kirche identisch ist mit der Körperschaft des öffentlichen Rechtes “Kirche”. Dabei wird von den Vertetern der Identitätstheorie u.a. das (an sich richtige) Argument bemüht, dass die sichtbare Kirche (hier konkret die Kirche in Deutschland als Partikularkirche) von der unsichtbaren Kirche, dem Mystischen Leib Christi, nicht getrennt werden könne. Die unsichtbare Kirche “inkarniert” sich in ihren sichtbaren Strukturen und Instituten. In Deutschland bestehe das System einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Der Katholischen Kirche wird in Deutschland der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Die katholische Kirche in Deutschland und die Körperschaft des öffentlichen Rechts könnten darum nicht voneinander getrennt werden. Die Körperschaft des öffentlichen Rechtes sei die konkrete Existenz- und Erscheinungsform der Katholischen Kirche in Deutschland. Die Gliedschaft in der Kirche durch die Taufe führe daher in Deutschland gleichzeitig und untrennbar in diese konkrete Erscheinungsform der Kirche als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Ontologischer und zeitlicher Vorrang der Universalkirche gegenĂĽber der Partikularkirche

Wenngleich es zutrifft, dass die sichtbare Kirche nicht getrennt werden kann von der unsichtbaren Kirche, ĂĽbersehen die Vertreter der Realidentität zwischen der Katholischen Kirche in Deutschland und der Körperschaft des öffentlichen Rechtes meines Erachtens einen wesentlichen ekklesiologischen und sakramententheologischen Aspekt: Mitglied der Kirche wird man durch die Taufe (vgl. cann. 98, 204, 849). Die Kirche Jesu Christi besteht (subsistiert) konkret in der Katholischen Kirche, lehrt das Zweite Vatikanische Konzil (Lumen Gentium Nr. 8: “subsistit in Ecclesia Catholica”). Jeder Gläubige wird also durch die Taufe eingegliedert in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Das aber bedeutet, dass der Getaufte nicht mittelbar durch seine Zugehörigkeit zu einer konkreten Partikularkirche (Teilkirche), etwa einer Diözese (vgl. can. 368), zur universalen Kirche gehört. Vielmehr wird er durch die Taufe unmittelbar der universalen Kirche eingegliedert, auch wenn der Eintritt in die universale Kirche notwendigerweise sich in einer bestimmten Partikularkirche verwirklicht. Dies geht u. a. aus einem Lehrschreiben der Glaubenskongregation vom 22. Mai 1992 an die Bischöfe der Katholischen Kirche ĂĽber einige Aspekte der Kirche als Communio hervor (AAS 85 [1993] 843, n. 10.). Durch die Taufe wird man nicht Mitglied einer Ortskirche. “In der Taufe”, so erkläuterte der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, “geht immer wieder die Universalkirche der Ortskirche voraus und schafft sie. … Jeder ist” darum “überall zu Hause und nicht bloβ zu Gast. Es ist immer die eine Kirche, die eine und selbige. Wer in Berlin getauft ist, ist in der Kirche in Rom oder in New York oder in Kinshasa oder in Bangalore oder wo auch immer genau zu Hause wie in seiner Taufkirche. Er braucht sich nicht umzumelden, es ist die eine Kirche. Die Taufe kommt aus ihr und gebiert in sie hinein” (Joseph Ratzinger, Ăśber die Ekklesiologie de Konstitution “Lumen Gentium”, Vortrag abgedruckt in Die Tagespost, März 2000). Darum sind Aussagen des Taufspenders zu Beginn einer Taufe wie “N., wir haben dich in unsere Gemeinde/Ortskirche aufgenommen” nach katholischer Theologie (Ekklesiologie) falsch. Es ist die Kirche als ganze, die den Täufling aufnimmt und deren Mitglied er wird.

Die Universalkirche existiert in der Partikularkirche, ist aber nicht mit ihr identisch

Can. 368 des Kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983) sagt ferner in Anlehnung an die Kirchenkonstitution “Lumen Gentium” Nr. 23 des Zweiten Vatikanischen Konzils u.a., dass die Katholische Kirche “aus den” und “in den”  Teilkirchen besteht (“in quibus et ex quibus una et unica Ecclesia catholica existit”). Damit ist ein inneres und ein äusseres Element der Gesamtkirche angesprochen. Einerseits besteht die Katholische Kirche in den Teilkirchen, in denen sie konkrete Gestalt gewinnt aufgrund des Bischofsamtes und der einen Sendung der Kirche in Wort und Sakrament, so dass die Teilkirche die sichtbare Erscheinungsform der Gesamtkirche ist, andererseits besteht die Gesamtkirche aus Teilkirchen. Inneres und äusseres Element stehen aber nicht unverbunden nebeneinander. Vielmehr greifen beide Elemente der einen Kirche ineinander. Die Gesamtkirche existiert ihrem Wesen nach ganz in der Teilkirche (das besagt die Formel “in quibus” = in denen), zugleich aber wird sie aus den Teilkirchen aufgebaut (das besagt die Formel “ex quibus” = aus denen). Doch ist die Kirche nicht das Ergebnis einer Gemeinschaft von Teilkirchen, gleichsam ein Kirchenbund, eine Föderation von Kirchen, vielmehr geht die Gesamtkiche jeder Teilkirche sowohl onthologisch als auch zeitlich voraus (vgl. Brief der Glaubenskongregation vom 22. März 1929, Nr. 9: “… non est enim fructus communionis istarum, sed, pro essentiali suo mysterio, ontologice et temporaliter praecedit quamcumque Ecclesiam particularem”.) Wenngleich daher can. 369 zurecht feststellt, dass die Katholische Kirche in der Teilkirche “wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt” (“vere inest et operatur”), ist sie dennoch nicht mit ihr identisch, sondern ist ihr onthologisch wie zeitlich vorgeordnet. Darum aber kann es zwischen einer Teilkirche (etwa einer Diözese) und der staatlichen Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes keine Realidentität geben. Die Behauptung einiger Kirchen- und Staatskirchenrechtler (u.a. J. Listl, A. Hollerbach. H. Heimerl, H. Pree u.a.), der Körperschaftsstatus der Kirchen in Deutschland gehöre zur rechtlichen Existenz- bzw. Erscheinungsform der Kirche, ist darum ekklesiologisch nicht haltbar.

Mitgliedschaft in der Kirche ist das eine, Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts das andere

Unter diesen ekklesiologischen Bedingungen und Vorgaben muss folglich zwischen der Mitgliedschaft zur Katholischen Kirche als geistlicher und zugleich in ihren hierarchischen Strukturen und Sakramenten sichtbarer Gemeinschaft einerseits und der Mitgliedschaft in dem staatlichen Gebilde der Kirche als einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes andererseits unterscheiden werden, da beide – Katholische Kirche und Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes – nicht identisch sind. Daraus folgt weiter, dass es im Grunde eine doppelte Mitgliedschaft gibt: die zur Katholischen Kirche und die zur Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Erstere wird begrĂĽndet durch die Taufe, letztere durch die Zugehörigkeit zur Teilkirche, insofern ihr in Deutschland staatlicherseits verfassungsrechtlich der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes verliehen ist. “Eine Realidentität” der Katholischen Kirche, die in und aus Teilkirchen besteht, mit der Körperschaft des öffentlichen Rechts “wĂĽrde voraussetzen, dass man auch aus katholischer Sicht eine durch die Taufe oder Aufnahme in die katholische Kirche begrĂĽndete Mitgliedschaft beenden kann. … Ist Kirche aber eine eigene heilsgeschichtliche und rechtliche Gröβe, dann kann und darf sie sich nicht mit konkreten staatlichen Rechtsformen identifizieren, vor allem dann nicht, wenn wesentliche unaufgebare ekklesiologische Grundsätze wie das Gliedschaftsrecht betroffen sind” (RenĂ© Löffler, Ungestraft aus der Kirche austreten? Der staatliche Kirchenaustritt aus kanonistischer Sicht, WĂĽrzburg 2007, 159 f).

Keine  Exkommunikation

Weil nach den dargestellten ekklesiologischen Daten die Katholische Kirche in Deutschland nicht identisch ist mit der Körperschaft des öffentlichen Rechtes “Kirche”, kann auch eine Austrittserklärung aus dieser Körperschaft nicht den Austritt aus der Katholischen Kirche bewirken. Der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte hat am 13. März 2006, vor nunmehr sechs Jahren, authentisch erklärt, welche inhaltlichen wie formalen Bedingungen an eine Kirchenaustrittserklärung gebunden sind. Dazu gehört u.a. auch die Austrittserklärung vor einer kirchlichen Behörde. Eine staatliche Behörde ist dazu inkompentent und nicht befugt. Wenn die kirchenrechtlichen Bedingungen eines formalen Aktes einer Austrittserklärung nicht erfüllt sind, hat die Austrittserklärung keine kirchenrechtlichen Folgen. Eine Exkommunikation von Rechts wegen tritt nicht ein.

Foto: Gero P. Weishaupt – Bildquelle: Privat (www.geroweishaupt.com)

 

 

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