„Reform der Reform“ ist eine geistliche Notwendigkeit
Kathnews dokumentiert einen weiteren Auszug aus dem Vortrag des Präfekten der römischen Gottesdienstkongregation, Robert Kardinal Sarah. Der Vortrag wurde auf der 18. Internationalen Liturgischen Tagung, die vom 29. März bis 1. April in Herzogenrath bei Aachen stattgefunden hat, verlesen. Der Auszug folgt einer fĂĽr „Die Tagespost“ von Frau Katrin Krips-Schmidt aus dem Französischen angefertigten Ăśbersetzung. Die Ăśberschriften sind von Gero P. Weishaupt eingefĂĽgt worden.
Auszug aus dem Vortrag von Kardinal Sarah, Teil II
Nicht nur Koexistenz der beiden Formen, sondern gegenseitige Befruchtung
In dem das Motu proprio begleitenden Brief an die Bischöfe stellte Papst Benedikt XVI. klar, dass seine Entscheidung, die beiden Missale nebeneinander bestehen zu lassen, nicht nur das Ziel verfolgte, den Wunsch bestimmter Gruppen von Gläubigen zu erfüllen, die den liturgischen Formen vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil anhingen, sondern auch die gegenseitige Befruchtung der beiden Formen desselben römischen Ritus zu ermöglichen – das heißt, nicht nur ihre friedliche Koexistenz, sondern durch eine Hervorhebung der besten Elemente, die sie kennzeichnen, auch noch die Chance, die beiden Formen zu vervollkommnen.
In dem Brief schrieb er: „Im Übrigen können sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten: Das alte Messbuch kann und soll neue Heilige und einige der neuen Präfationen aufnehmen… In der Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI. kann stärker, als bisher weithin der Fall ist, jene Sakralität erscheinen, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht.“ Mit diesen Worten also brachte der emeritierte Papst seinen Wunsch zum Ausdruck, die „liturgische Bewegung“ wiederzubeleben. In den Gemeinden, in denen das Motu proprio umgesetzt werden konnte, bescheinigen die Pfarrer sowohl den Gläubigen als auch den Priestern die größte Inbrunst, wie Pfarrer Rodheudt selbst es bestätigen kann.
Auswirkungen auf die sog. ordentliche Form des Römischen Ritus
Darüber hinaus hat man eine Auswirkung und eine positive geistliche Entwicklung auf die Art und Weise feststellen können, die Eucharistiefeiern gemäß der ordentlichen Form mitzuerleben, insbesondere die Wiederentdeckung der Gebetshaltungen vor dem Allerheiligsten: Knien, Kniebeuge…, sowie eine stärkere Andacht, die durch diese heilige Stille gekennzeichnet ist, die die entscheidenden Augenblicke des heiligen Opfers der Messe prägen muss, damit den Priestern und Gläubigen das hier gefeierte Geheimnis des Glaubens zu verinnerlichen ermöglicht werde.
Liturgische Bildung
Es trifft ebenfalls zu, dass eine liturgische und geistliche Ausbildung nachdrĂĽcklich unterstĂĽtzt und in die Tat umgesetzt werden muss. Ebenso sollte eine vollkommen richtig orientierte Pädagogik gefördert werden, um einen gewissen zu formellen „Rubrizismus“ zu ĂĽberwinden, indem die Riten des tridentinischen Missale denjenigen erklärt wird, die es noch nicht kennen oder es zu bruchstĂĽckhaft kennen… oder ihm zuweilen nicht objektiv gegenĂĽberstehen. Deswegen ist es ratsam und notwendig – im Hinblick auf eine volle, bewusste, innige und fruchtbarere Teilnahme der Gläubigen an den Eucharistiefeiern – ein zweisprachiges Messbuch Latein/Volkssprache auszuarbeiten. AuĂźerdem ist es äuĂźerst wichtig, die Kontinuität zwischen den beiden MessbĂĽchern durch entsprechende liturgische Katechesen hervorzuheben…
Sacrosanctum Concilium in Kontinuität mit der Tradition
Viele Priester bekunden, dass es sich um eine herausfordernde Aufgabe handele, denn sie sind sich bewusst, an der liturgischen Erneuerung mitzuarbeiten, indem sie ihre eigenen Steine bei der „liturgischen Bewegung“ einbringen, von der wir soeben gesprochen haben, das heißt, tatsächlich ja bei dieser geistlichen und mystischen und somit missionarischen Erneuerung, wie es der Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils war, und zu der uns Papst Franziskus mit Nachdruck auffordert. Die Liturgie muss sich daher ständig reformieren, um ihrer mystischen Essenz immer getreuer zu werden. Doch meistens ist diese „Reform“, die an die Stelle der wahren, vom Zweiten Vatikanum gewollten „Restauration“ oder „Erneuerung“ getreten ist, mit einem oberflächlichen Geist und auf der Basis eines einzigen Kriteriums durchgeführt worden: Man wollte unbedingt ein als vollkommen negativ und überholt wahrgenommenes Erbe beseitigen, um eine Kluft aufzutun zwischen dem, was vor und dem, was nach dem Konzil existierte. Doch schon ein Blick in die Konstitution über die heilige Liturgie und eine erneute aufrichtige Lektüre – ohne Verfälschung des Sinns – reichen aus, um zu erkennen, dass die wirkliche Absicht des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht darin bestand, eine Reform einzuleiten, die Anlass zu einem Bruch mit der Tradition werden könnte, sondern ganz im Gegenteil, um die Tradition in ihrer tiefsten Bedeutung wiederzufinden und zu bestätigen. Tatsächlich ist das, was man die „Reform der Reform“ nennt und was man vielleicht noch genauer als „gegenseitige Befruchtung der Riten“ bezeichnen sollte, um einen Ausdruck des Lehramts von Benedikt XVI. aufzugreifen, eine vor allem geistliche Notwendigkeit. Und sie betrifft selbstverständlich die beiden Formen des römischen Ritus. Die besondere Sorgfalt und die Hochachtung, die der Liturgie entgegengebracht werden sollen, die Notwendigkeit, an ihrer Schönheit, ihrer Sakralität und der Aufrechterhaltung eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen der Treue zur Tradition und einer legitimen Veränderung mitzuwirken und damit die absolute und radikale Zurückweisung jeglicher Hermeneutik des Bruchs und der Diskontinuität: Dies sind das Herzstück und die essenziellen Elemente jeder unverfälschten christlichen Liturgie.
Foto: Robert Kardinal Sarah – Bildquelle: Wikipedia – François-RĂ©gis Salefran / CC-BY-SA 4.0