Pius XII. als „Vorläufer“ des Konzils
(kathnews) – Papst Pius XII. ist einer der wohl umstrittensten Päpste der jüngeren Kirchengeschichte, was hauptsächlich mit seinen Tätigkeiten während der Zeit des Dritten Reiches zu tun hat – Tätigkeiten, die von vielen als Untätigkeit angeklagt werden. Erst vor wenigen Wochen kam es bei kathnews zu einem schriftlichen Disput zwischen Klaus Kühlwein, der ein kritisches Buch über Pius XII. verfasst hat, und dem kathnews-Mitarbeiter Michael Hesemann, der ein Experte auf dem Gebiet des Pacelli-Papstes ist und ebenfalls ein Buch zum Thema veröffentlicht hat. „Neue Erkenntnisse“ über „Leben und Wirken“ von Papst Pius XII. verspricht nun auch eine Veröffentlichung im Aachener „MM Verlag“, die Ende des vergangenen Jahres erschienen ist.
Die Autorin Alexandra von Teuffenbach stützt sich in ihrem Buch vornehmlich auf Quellen von Zeitgenossen Pius XII. Dabei greift sie vor allem auf bisher in Deutschland unveröffentlichtes Archivmaterial von Pater Robert Leiber SJ, dem langjährigen Sekretär des Papstes, zurück. „Im Jahr 2007 musste ich für eine besondere Arbeit den Nachlass von P. Robert Leiber SJ im Archiv der Päpstlichen Universität Gregoriana einsehen. Leiber […] hatte viel Korrespondenz in den Faszikeln hinterlassen, manches geschichtlich von großer Bedeutung, anderes […] nebensächlich, und dennoch gaben auch diese unwichtigen Stücke Einblicke in die Welt von damals. Und noch mehr: sie gaben mir Einblick in den Teil der Welt, der mit dem Sekretär Kontakt hatte und durch ihn mit Pius XII.“
Ihr Buch hat von Teuffenbach in drei Teile geteilt, von denen der erste sich – sozusagen im Schnelldurchlauf – mit dem Aufwachsen Eugenio Pacellis bis hin zu seinen ersten Tätigkeiten an der Kurie beschäftigt. In diesem ersten Teil blickt von Teuffenbach auch auf den Glauben des jungen Pacelli „in einer zweifelnden Welt“. Dabei kommt sie zu dem Schluss: „Er fand immer eine Antwort auf seine Fragen, auf seine Zweifel und auf seine Erwartungen, jedoch nicht in der Wissenschaft, nicht in den schönen Künsten, sondern in Gott. So wurde sein Glaube langsam, aber sicher erwachsen und immer stärker.“
Der zweite Teil des Buches behandelt das Wirken Pacellis als Nuntius in Deutschland, als Kardinalsstaatssekretär sowie schließlich als Papst. Hier habe sie viel den Schriften von Pater Leiber zu verdanken, so von Teuffenbach. Hier ist besonders eine Beschreibung der letzten Tage des Heiligen Vaters, die ebenfalls aus der Feder Leibers stammt und bisher noch nicht veröffentlicht worden war, zu erwähnen.
Schließlich beschäftigt sich von Teuffenbach im dritten Teil mit dem „Zusammenhang zwischen dem Pontifikat von Pius XII. und dem Konzil, das sein Nachfolger drei Monate nach dem Tod Pacellis ankündigte und das sich den großen sozialen, theologischen und liturgischen Fragen zuwandte, die Papst Pius XII. bereits umfassend behandelt hatte“. Als verbindende Gestalt zwischen Pius XII. und Johannes XXIII. identifiziert von Teuffenbach Kardinal Domenico Tardini. Dieser hatte seit 1929 mit Pacelli zusammengearbeitet und war unter Papst Johannes XXIII. als Kardinalstaatssekretär für die Vorbereitung der eigentlichen Vorbereitung des Konzils zuständig. „Jedenfalls gab es von Pius XII. zu Johannes XXIII. eine gewisse Kontinuität, die insbesondere durch die Persönlichkeit von Tardini zum Ausdruck kam.“
Giovanni Battista Montini, ebenfalls langjähriger Mitarbeiter Pacellis, bezeichnete Pius XII. später, als er selbst als Paul VI. zum Nachfolger Petri erwählt worden war, als „Vorläufer des Zweiten Vatikanischen Konzils“. Die Autorin ergänzt: „Pius XII. war nicht nur Vorläufer. In den Dokumenten, die über die ersten Schritte des Konzils berichten, finden wir eine Reihe von Hinweisen auf die Vorbereitung für ein Konzil, die Papst Pius XII. nach 1949 begonnen hatte. Nach ein paar Jahren jedoch, nachdem man an einem Wendepunkt angelangt war, entschied Pius XII., dieses große Unternehmen nicht anzugehen.“ Wie sehr das Konzil durch Pacelli beeinflusst wurde, könne man schon sehen, wenn man nur die Konzilstexte lese, so von Teuffenbach: „Pius XII. wird mit einer Häufigkeit zitiert, die nur von Zitaten aus der Bibel übertroffen wird!“
Unangenehm fallen beim Lesen die zahlreichen Interpunktions- und Tippfehler auf, die beim Korrekturlesen leider nicht ausgemerzt wurden. Inhaltlich ist an „Pius XII. Neue Erkenntnisse über sein Leben und Wirken“ jedoch nichts auszusetzen. Alexandra von Teuffenbach hat einmal mehr bewiesen, dass sie eine seriöse Wissenschaftlerin ist. Sie lehrt zurzeit dogmatische Theologie und Kirchengeschichte am Päpstlichen Athenæum Regina Apostolorum. Gleichzeitig bereitet sie nach einer Promotion in Dogmatik eine weitere Promotion, diesmal im Bereich Kirchengeschichte, vor.
von Teuffenbach, Alexandra
Pius XII.
Neue Erkenntnisse über sein Leben und Wirken
ISBN 978-3-928272-99-5
MM Verlag
gebunden, 336 Seiten
22,00 Euro