„Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen“

Predigt des Nuntius in Deutschland zum Jahrestag der Wahl Papst Benedikts.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 16. April 2011 um 18:42 Uhr

Berlin (kathnews). Kathnews dokumentiert die Predigt des Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset, beim Pontifikalamt zum sechsten Jahrestag der Wahl von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger des Heiligen Petrus in der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin.

Exzellenz, Hochwürdigster Herr Diözesanadministrator,
Exzellenzen, meine Damen und Herren Botschafterinnen und Botschafter    und Mitglieder des Diplomatischen Corps,
liebe Brüder im Priester- und Diakonenamt,
Brüder und Schwestern in Christus!

Die heutige Feier zu Ehren von Papst Benedikt XVI. anlässlich seiner Wahl zum Bischof von Rom lädt uns ein, über sein vielfältiges Amt nachzudenken, da es eine feste und beständige Unterstützung für unseren Glauben auf dem Weg der Erlösung ist. Mit dem Psalmisten können auch wir sagen, wie es im Antwortpsalm heißt: „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen“ (Ps 130, 6). Ich möchte mit Ihnen anhand der verschiedenen Titel, die mit seinem Amt verbunden sind, bedenken und betrachten, was derjenige alles ist, der in der Nachfolge des heiligen Petrus die Kathedra Petri innehat. Auch von ihm gilt, was der Apostel Paulus im Ersten Korintherbrief von sich sagt: „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen“ (1 Kor 9, 19). Als Bischof von Rom übernimmt er ja auch das Erbe des heiligen Paulus als des „Lehrers der Heiden im Glauben und in der Wahrheit“ (1 Tim 2, 7).

In der aktuellen Ausgabe des alljährlich erscheinenden Schematismus des Heiligen Stuhles, des „Annuario Pontificio“, sind ihm acht Titel zugeordnet, die uns wie ein roter Faden durch sein Amt führen sollen, damit wir es immer besser als unersetzliche Hilfe für unseren Glaubensweg wahrnehmen.

1. Der Grundtitel ist „Bischof von Rom“, der mit dem letzten der acht Titel „Diener der Diener Gottes“ eng verbunden ist. Diesen letzten Titel hat Papst Gregor der Große (590-604) an der Wende vom sechsten zum siebten Jahrhundert auf sich selbst angewandt. Dabei stützte er sich auf Formulierungen, die am Anfang des Römerbriefes des Apostels Paulus (Röm 1, 1) und am Anfang des Ersten Petrusbriefes (1 Petr 1, 1) zu finden sind. Dieser Titel wird am Anfang der Hauptdokumente des Papstes sofort nach dem Namen und seinem Bischofstitel genannt, wie man es z. B. aus der Veröffentlichung der Konstitutionen und Dekrete des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Papst Paul VI. kennt. Die Nähe des ersten Titels – „Bischof von Rom“, des Grundamtes des Papstes, zum Inhalt dieses Titels – „Diener der Diener Gottes“ – ist direkt begründet in der Wahl des Petrus durch Christus. Zwei Worte Christi genügen, um das verständlich zu machen: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16, 18), und: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22, 32f.).

Auf dem Fels, auf Petrus ruht also unsere Sicherheit im Glauben, weil er uns im Glauben stärken soll. Die Geschichte der Kirche beweist, wie wahr das ist; denn jede Trennung von Rom bringt eine schwebende Haltung zur Kirche Christi mit sich. Die Notwendigkeit, dass der Bischof von Rom Diener der Kirche ist, um ihre Einheit zu fördern, wird immer mehr betont. Der lange Weg eines John Henry Newman zur Einheit mit Rom bezeugt nicht nur eine solche Not, sondern auch, dass die Einheit möglich ist. Die vom Papst ergriffenen Maßnahmen zur Aufnahme von Anglikanern unter dem Einheitsdienst des Papstes, bei der sie ihr eigenes kirchliches Erbe bewahren, bezeugen, wie das Hirtenamt des Papstes Wege sucht, die Verschiedenheit, die auf Spaltungen in der Vergangenheit zurückgeht, zur kirchlichen „communio“ zu geleiten. Dank sei Gott und Papst Benedikt, dem Diener der Diener Gottes, für eine solche Lösung!

2. Der Titel „Vicarius Jesu Christi“ – „Stellvertreter Jesu Christi“ – steht in enger Verbindung mit den folgenden: „Nachfolger des ersten der Apostel“, weil Christus eben den Apostel Petrus dazu erwählt hat, beim Bau der Kirche der Fels, das Fundament zu sein. Alle Apostel sind Grundsteine der Kirche, wie es das Buch der Offenbarung in seiner Vision des messianischen Jerusalem schildert: „Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes“ (Offb 21, 14). Der Fels erhebt sich unter dem ganzen Bau der Kirche und hält alle Bestandteile zusammen. Die Aufgabe und Verantwortung aber, die dem Apostel Petrus als ureigene übertragen ist, wird deutlich durch den Bezug zu Christus, und zwar durch den Vergleich mit dem Stein. So sagte Petrus am Tag nach dem Pfingstfest zu den Vorstehern, den Ältesten und Schriftgelehrten: „Dieser ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist“ (Apg 4, 11). Und in seinem Ersten Brief schreibt er: „Er ist zum Eckstein geworden, an den man anstößt, und zum Felsen, an dem man zu Fall kommt. Sie stoßen sich an ihm, weil sie dem Wort nicht gehorchen“ (1 Petr 2, 8). Diese Texte helfen uns, besser zu verstehen, warum Christus dem Simon den Namen „Petrus“ gab: damit er als sein Stellvertreter dem Bau der Kirche Festigkeit und Dauerhaftigkeit verleihe. Der Stellvertreter soll nichts anderes tun, als was sein Auftraggeber ihm aufträgt. So handelt der Papst im Namen Christi, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20, 28). Wir sehen also, wie dieser Titel alle verbindet, weil die Berufung durch Christus zum Papst ein Ruf in die Nachfolge ist, die die Selbsthingabe und das Kreuz einschließt.

3. Die drei letzten Titel: „Hoherpriester“ – gebräuchlich: „Papst der Universalkirche“ – „Primas Italiens“ und „Metropolitanerzbischof der römischen Provinz“ haben zu tun mit der kanonischen Struktur der Kirche Christi und ergeben sich aus dem Grundamt „Bischof von Rom“. Als Papst – „Summus Pontifex“ – ist der Bischof von Rom das konkrete Mittel und Zeichen der „communio“ aller Christen und der Teilkirchen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip werden verschiedene Formen gebraucht, um diese Verantwortung wahrzunehmen: gleichsam mit konzentrischen Strukturen: vom weltweiten Umfang bis hin zum Gebiet um Rom. Solche Strukturen gelten für die ganze Welt, so ist z. B. der Bischof von Berlin ein Metropolitanerzbischof, dem zwei Nachbarbistümer – Dresden-Meißen und Görlitz – als sogenannte Suffraganbistümer zugeordnet sind. Für die Suffraganbistümer nimmt der Metropolit – wie der Primas für eine noch größere Einheit in der Kirche – ein Amt des Dienstes wahr: Er soll die Einheit der Seelsorge zwischen den Nachbarbistümern fördern.

Der letzte Titel „Oberhaupt des Staates Vatikanstadt“ hat sich aus der Lösung der sogenannten „römischen Frage“ durch die Lateranverträge von 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Italien ergeben, durch die die politische und territoriale Souveränität des Vatikans völkerrechtlich garantiert wurde. Der kleine Staat Vatikanstadt sollte eine volle und rechtlich gesicherte Unabhängigkeit des Papstes in der Ausübung seines Amtes gewährleisten.

Bei den acht Titeln des Papstes, die wir betrachtet haben, stellen wir fest, dass sein Amt durch seinen Dienstcharakter gekennzeichnet ist: Dienst vor Gott und Dienst an den Brüdern und Schwestern. Die Verantwortung der Kirche ist es, wie sie von diesem päpstlichen Dienst Gebrauch macht. Papst Benedikt XVI. hat uns vor kurzem einen zweiten Band seines Jesusbuches geschenkt, in dem er uns einlädt, die Frohbotschaft mit erneuertem Blick – oder besser gesagt: mit erneuertem Glauben und vertiefter Liebe – zu betrachten.

Können wir also nicht mit dem Psalmisten sagen: „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als der Wächter auf den Morgen“ (Ps 130, 6), wenn wir durch den Papst gefestigt und gestärkt sind? In dem Dienst, den der Papst im Auftrag und in der Kraft Jesu Christi in der Kirche erfüllt, wird immer wieder wahr und wahrgenommen, dass Jesus bei uns ist „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20), wie er es seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt versprochen hat, weil er seine Kirche auf Petrus als Felsen gebaut hat „und die Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen werden“ (Mt 28, 18).

Das wird auch sichtbar werden, wenn Papst Benedikt im September unter uns sein wird. Sei er bei uns in Berlin „herzlich willkommen“!

Amen!

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