Lumen gentium. Artikel 8

Extra Ecclesiam nulla salus. Außerhalb der Kirche ist kein Heil.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 21. MĂ€rz 2014 um 21:48 Uhr
Petersdom

Die Kirche Christi als „komplexe Wirklichkeit“.

EinfĂŒhrung von Gero P. Weishaupt: Die von Christus gegrĂŒndete Kirche ist zugleich eine sichtbare Gesellschaft und eine geistliche Wirklichkeit. Beides darf nicht voneinander getrennt werden. Die Kirche als sichtbares Institut dient als Organ fĂŒr ihre unsichtbare, geistliche Wirklichkeit. Die KonzilsvĂ€ter sprechen darum von einer „komplexe(n) Wirklichkeit (realitas complexa), die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwĂ€chst“. Die Kirche umfasst somit zugleich den mystischen Leib Christi, die geistliche Gemeinschaft, die mit geistlichen Gaben ausgestattet ist, auf der einen und die sichtbare Gemeinschaft, die hierarchisch strukturiert ist, also die irdische Kirche auf der anderen Seite. Damit rĂŒckt die Kirche in ihrer KomplexitĂ€t von Geistlichem und Sichtbarem in die NĂ€he zum Geheimnis der Menschwerdung (Inkarnation) des Gottessohnes: „Deshalb“, erklĂ€ren die KonzilsvĂ€ter, „ist sie (die Kirche) in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes Ă€hnlich“.

Einzig und allein die katholische Kirche ist die Kirche des Glaubensbekenntnisses

Diese von Christus gegrĂŒndete Kirche bekennen wir im Glaubensbekenntnis als die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“, und genau diese Kirche des Glaubensbekenntnisses ist, so lehren die KonzilsvĂ€ter, in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri, dem Papst, und den Bischöfen geleitet wird, in ihrer FĂŒlle verwirklicht (subsistit). Zugleich aber anerkennen die KonzilsvĂ€ter jene Elemente der Wahrheit und Heiligung, die im Laufe der Kirchengeschichte durch Trennung und Abspaltungen von der wahren Kirche Christi außerhalb ihres sichtbaren GefĂŒges geraten sind. Damit gibt das Konzil keineswegs den auf den Kirchenvater Cyprian von Kathago (+ 258) zurĂŒckgehenden Gundsatz „Außerhalb der Kirche kein Heil“ (extra Ecclesiam nulla salus) preis. Im Gegenteil: Das Konzil hĂ€lt daran fest. Das Konzil steht in KontinuitĂ€t zur Tradition. Es will keinen Bruch. Der Grundsatz Extra Ecclesiam nulla salus gilt nach wie vor. Aber, so stellen die KonzilsvĂ€ter im Sinne einer Reform (in besagter KontinuitĂ€t) fest: „Das schließt nicht aus, daß außerhalb ihres GefĂŒges vielfĂ€ltige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrĂ€ngen.“ Um diesen kirchlichen Wirklichkeiten, die sich außerhalb der einen wahren Kirche befinden, zu berĂŒcksichtigen und zu wĂŒrdigen, verwendet das Konzil nicht mehr das exklusive „ist“ (est) („Die Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist in der katholischen Kirche“), sondern verwendet das PrĂ€dikat „ist verwirklicht“ (subsistit) und berĂŒcksichtigt mit dieser inklusiven Sprech- und Sichtweise auch die in den nichtkatholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften anzutreffenden Elemente der Wahrheit und der Heiligung: „Diese Kirche, in der Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht (subsistit) in der katholischen Kirche 
“. Die Kirche kann und darf diese außerhalb ihres GefĂŒge durch Abspaltung von ihr gelangte Elemente nicht ĂŒbersehen, denn es sind ihre eigenen. Darum ist dort, wo diese Elemente der wahren Kirche Christi in den getrennten  Kirchen und christlichen Gemeinschaften trotz Abspaltung gewahrt sind,  die Kirche anwesend, sei es nicht in jener FĂŒlle, wie die eine Kirche Christi  in der katholischen Kirche zu finden ist, da nur in ihr – der katholischen –  die wahre Kirche Christi „subsistiert“.

Authentische ErklÀrungen von Lumen gentium 8

In einer ErklĂ€rung der Glaubenskongregation vom 1985 wird dazu in authentischer Interpretation des Konzilstextes erlĂ€utert: „Das Konzil hat dem Wort ‚subsistit‘ (= „ist verwirklicht“) deshalb den Vorzug gegeben, damit klar zum Ausdruck kommt, dass es nur eine Verwirklichung der wahren Kirche gibt, wĂ€hrend außerhalb ihres sichtbaren GefĂŒges nur elementa Ecclesiae (= Elemente der Kirche) existieren, die, da sie Elemente derselben Kirche sind, zur katholischen Kirche streben und hinfĂŒhren“. Die wahre Kirche Christi finden wir nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in ihrer FĂŒlle einzig und allein in der katholischen Kirche unter der Leitung des Nachfolgers Petri und der Nachfolger der ĂŒbrigen Apostel, mithin in der Römisch Katholischen Kirche. Insofern es jedoch auch außerhalb dieser einen wahren Kirche Christi elementa Ecclesiae gibt, ist die Kirche auch dort, wenngleich unvollkommener, gegenwĂ€rtig. Christliche Gemeinschaften außerhalb der wahren katholischen Kirche, die unter der Leitung von Papst und Bischöfen steht, sind in dem Maße Kirche, als sie die Sukzession (Bischöfe als Nachfolger der Apostel) und die Sakramente, namentlich die heilige Eucharistie, bewahrt haben. Gemeinschaften, die diese Elemente nicht oder nur teilweise haben, sind nach katholischem VerstĂ€ndnis keine Kirchen, sondern „kirchliche Gemeinschaften“. Die Elemente, die wir in diesen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaft, die sich außerhalb des sichtbaren GefĂŒges der einen wahren katholichen Kirche befinden, antreffen, sind wirkliche Heilselemente. Allerdings leiten sie ihre Kraft einzig von der FĂŒlle der Gnade und der Wahrheit ab, die der katholischen Kirche anvertraut ist (vgl. Antwortschreiben der Glaubenskongregation vom 29 Juni 2007).

Lumen gentium. Artikel 8

Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares GefĂŒge verfaßt und trĂ€gt sie als solches unablĂ€ssig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene GrĂ¶ĂŸen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwĂ€chst!. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes Ă€hnlich. Wie nĂ€mlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz Ă€hnliche Weise das gesellschaftliche GefĂŒge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16) (11).

Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen (12). Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus ĂŒbertragen (Joh 21,17), ihm und den ĂŒbrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), fĂŒr immer hat er sie als „SĂ€ule und Feste der Wahrheit“ errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird (13). Das schließt nicht aus, daß außerhalb ihres GefĂŒges vielfĂ€ltige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrĂ€ngen. Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. Christus Jesus hat, „obwohl er doch in Gottesgestalt war, … sich selbst entĂ€ußert und Knechtsgestalt angenommen“ (Phil 2,6); um unseretwillen „ist er arm geworden, obgleich er doch reich war“ (2 Kor 8,9).

So ist die Kirche, auch wenn sie zur ErfĂŒllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegrĂŒndet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten. Christus wurde vom Vater gesandt, „den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrĂŒckten Herzens sind“ (Lk 4,18), „zu suchen und zu retten, was verloren war“ (Lk 19,10). In Ă€hnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegrĂŒndet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie mĂŒht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen. WĂ€hrend aber Christus heilig, schuldlos, unbefleckt war (Hebr 7,26) und SĂŒnde nicht kannte (2 Kor 5,21), sondern allein die SĂŒnden des Volkes zu sĂŒhnen gekommen ist (vgl. Hebr 2,17), umfaßt die Kirche SĂŒnder in ihrem eigenen Schoße. Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedĂŒrftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung. Die Kirche „schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin“ (14) und verkĂŒndet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26). Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestĂ€rkt, um ihre TrĂŒbsale und MĂŒhen, innere gleichermaßen wie Ă€ußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthĂŒllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird.

Foto: Petersdom – Bildquelle: M. BĂŒrger, kathnews

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