Kommentar zur Instruktion “Universae Ecclesiae”

Zehnter Teil eines kathnews-Kommentars von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 8. September 2011 um 20:18 Uhr

Das Motu Proprio “Summorum Pontificum” vom 7. Juli 2007 ermöglicht es, dass in Messen mit dem Volk (Messen ohne Volk sind davon ausgeschlossen) in der sogenannten außerordentlichen Form die Lesungen “auch in der Volkssprache verkündet werden”. Dabei sind stets Textausgaben zu verwenden, die vom Apostolischen Stuhl rekognosziert sind (SP, Art. 6). Die Lesungen umfassen die Epistel und das Evangelium. Aus der Norm geht jedoch nicht hervor, ob die volkssprachliche Verkündigung zusätzlich zur lateinischen oder anstelle der lateinischen treten kann. Das hat zu Zweifel bezüglich dieser Norm und unterschiedlicher Praxis geführt. Die Norm, so resümiert der Münchener Kirchenrechtler M. Rahak, in seinem Kommentar zu Artikel 6 von “Summorum Pontificum”, “bietet offenbar einen relativ großen Spielraum für Interpretationen. Daher wird die Zeit  zeigen, welche Gewohnheit, die als solche bekanntlich  die beste Auslegering des Gesetzes ist (vgl. c. 27 CIC), sich insoweit künftig durchsetzen wird” (M. Rehak, Der außerordentliche Gebrauch der alten Form des Römischen Ritus. Kirchenrechtliche Skizzen zum Motu Proprio Summorum Pontificum vom 07.07.2007, St. Ottilien 2009, 149).

Bildung von Gewohnheitsrecht ausgeschlossen

Die Instruktion “Universae Ecclesiae” erklärt jedoch nun eindeutig, dass die volkssprachliche Verkündigung nur in einer gelesenen Messe mit Volk anstelle der lateinischen treten kann, dahingegen darf in gesungenen Messen dem lateinischen Vortrag der Lesungen zusätzlich der volkssprachliche  Vortrag erfolgen. Es ist zu betonen, dass es sich hier nicht um eine Pflicht des Zelebranten handelt, sondern um eine Möglichkeit (“proferri possunt” = vorgetragen werden können). Es liegt im Ermessen des Zelebranten, ob er in der gesungenen Messe der lateinischen Verkündigung zusätzlich die volkssprachliche folgen läβt und in der gelesenen Messe anstelle der lateinischen Texte ausschlieβlich die volkssprachliche Übersetzung verwendet. Dabei dürfen nur pastorale Motive ausschlaggebend sein. Wörtlich heiβt es in “Universae Ecclesiae: “Wie in Art. 6 des Motu proprio Summorum Pontificum vorgesehen, können die Lesungen der heiligen Messe nach dem Missale von 1962 entweder nur auf Latein oder auf Latein und in einer volkssprachlichen Übersetzung oder, in gelesenen Messen (in Missis lectis), nur in der Volkssprache vorgetragen werden” (UE, Nr. 26). Damit ist die Entwicklung von Gewohnheitsrecht, wie  M. Rehak sie als Möglichkeit erwähnt, in dieser Hinsicht durch “Universae Ecclesiae” ausgeschlossen. Nur in der gelesenen Messe kann die volkssprachliche Verkündigung an die Stelle der lateinischen treten, in gesungenen Messen kann zur lateinischen Verkündigung der Lesungen die volkssprachliche hinzukommen. Für die gesungene Messe gilt demnach: Die Lesungen werden entweder ausschlieβlich auf Latein vorgetragen oder aber auf Latein und danach in der Volkssprache. Mithin darf der lateinische Vortrag in gesungenen Messen niemals ausgelassen werden. Ein Zelebrant, der sich an diese Vorgabe der Instruktion nicht hält, macht sich des liturgischen Missbrauchs schuldig.

Gesungene und gelesene Messe

In den Rubriken für die Messe in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus wird zwischen der Missa cantata (gesungene Messe)  und der Missa lecta (gelesene Messe) unterschieden. In der Missa cantata singen der Zelebrant und der Chor (bzw. das Volk) jene Teile der Messe, die von den Rubriken dafür vorgesehen sind. In der Missa lecta werden diese Teile rezitiert bzw. gelesen. Da die Instuktion in bezug auf die Missa cantata nicht unterscheidet zwischen den strikt liturgischen Gesängen, (= Ordinarium:  Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei und Proprium: Introitus, Graduale, Alleluia, Offertorium, Postcommunio), einerseits und den anderen religiösen, aber nicht strikt liturgischen Gesängen andererseits, ist davon auszugehen, dass in beiden Typen der Missa cantata die volkssprachlichen Schriftlesungen immer zu deren lateinischen Vortrag hinzukommen müssen, also niemals anstelle der lateinischen Texte verlesen werden dürfen. In der Missa cantata – anders als in der Missa lecta  mit Volk – können  die volksprachlichen Lesungen die lateinischen nicht ersetzen. Dasselbe gilt a fortiori für die gesungene Missa sollemnis (Hochamt) mit Assistenz von Diakon und Subdiakon, die Missa pontificalis (Bischofsmesse) und die Missa papalis (Papstmesse).

Kultischer und verkündigender Aspekt

In der nachkonziliaren Liturgiepraxis ist der latreutisch-kultische Charakter der Wortgottesdienstes immer mehr verdunkelt worden. Zwar hatte das Zweite Vatikanische Konzil durch die Möglichkeit volkssprachlicher Texte bei den Lesungen den verkündigenden Charakter des Wortgottesdienstes in Erinnerung gerufen (Sacrosanctum Concilium, 36 und 54), doch lag es den Konzilsvätern fern, den kultischen Aspekt auszuschlieβen. Eine exklusive Sichtweise ist dem Konzil fremd. Die inklusive Sichtweise gilt nicht nur für die Liturgiekonstitution, wird aber dort besonders deutlich. Was den Wortgottesdienst angeht, so gilt immer beides: kultische Verehrung Gottes und Verkündigung und Lehre. Eine einseitige Sicht und daraus folgende Praxis widerspricht dem Konzil.

Die auβerordentliche Form befruchtet die ordentliche

Der latreutische Aspekt wird in der ordentlichen Form des Römischen Ritus noch sichtbar durch die Möglichkeit der Evangeliumsprozession sowie der Verwendung von Leuchtern und Weihrauch bei der Verkündigung des Evangeliums. Eine “Reform der Reform” des Missale Romanum von 1970 (“Novus Ordo” Pauls VI.) könnte  im Sinn der von Papst Benedikt XVI. in seinem Begleitbrief zum Motu Proprio “Summorum Pontificum” an die Bischofe erwähnten “Befruchtung” beider Formen des Römischen Ritus wieder die Möglichkeit vorsehen, dass in gesungenen Messen an Sonn- und Festtagen der volkssprachlichen Verkündigung der Lesungen, namentlich des Evangeliums, die (gesungene) lateinische vorausgeht. Damit würde der latreutisch-kultische Aspekt des Wortgottesdienstes wieder mehr in den Blick kommen und das in der Nachkonzilszeit verloren gegangene Gleichgewicht zwischen latreutisch-kultischem und verkündigend-lehrendem Aspekt wieder hergestellt werden. Die auβerordentliche Form des Römischen Ritus trägt so zu einer Verwirklichung der Liturgiereform im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils bei.

Foto: Alte Messe – Bildquelle: PMT

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