Kommentar zur Instruktion “Universae Ecclesiae” – VIII. Teil
Die Instruktion “Universae Ecclesiae” erklärt, dass Gesetze, die nach 1962 erlassen worden sind und mit den Riten der auβerordentlichen Form des Römischen Messritus nicht vereinbar sind, “derogiert” (= aufgehoben) sind (UE, Nr. 28). Es handelt sich hierbei um Gesetze, die eine Disziplin vorgeben, die mit dem auβerordentlichen Ritus – für die Messfeier gelten die Riten des Römischen Messbuch von 1962 – eng verbunden ist. Zur Erinnerung: Die Instruktion unterscheidet zwischen zwei Formen disziplinarischer Regelungen: zum einen benennt sie solche, die vom kirchlichen Gesetzbuch von 1983 (CIC/1983) vorgegeben sind und sich nicht auf den Ritus beziehen (z.B. Normen über die eucharistische Nüchternheit, über Ort und Zeit der Messfeier, die Zelebration der Messe auch ohne Messdiener etc.) (vgl. UE, Nr. 27), zum anderen solche Gesetze, die sich auf den Ritus beziehen (vgl. UE, Nr. 28). Da das Motu Proprio “Summorum Pontificum”, dessen Text zu erklären und dessen Vorgehensweise zu entfalten und zu bestimmen Aufgabe der Instruktion ist (vgl. can. 34 § 1), ein Spezialgesetz darstellt, hebt es alle Gesetze auf, die nach 1962 erlassen worden sind und “sich auf die heiligen Riten beziehen und mit den Rubriken der liturgischen Bücher unvereinbar sind, die 1962 in Kraft waren” (UE, Nr. 28). Neben den Normen über die Konzelebration, die Kommunion unter beiden Gestalten oder den auβerordentlichen Kommunionspender zählen zu den Gesetzen, die den Ritus direkt oder indirekt betreffen, die Normen über die Messdienerinnen und die Bestimmungen bezüglich der Handkommunion. Diese nach 1962 erlassenen Normen können in der auβerordentlichen Form des Römischen Messritus keine Anwendung finden. Im folgenden soll auf die rechtliche Frage der Messdienerinnen und der Handkommunion näher eingegangen werden.
Messdienerinnen nicht zugelassen
“In tridentinischen Messen dürfen nach vatikanischen Angaben keine weiblichen Messdiener eingesetzt werden. Die Zulassung von Ministraninnen durch die Gottesdienstkongregation 1994 erstrecke sich nicht rückwirkend auf Feiern nach dem alten Messbuch von 1962. … Die vatikanische Fachstelle beruft sich darin auf eine Mitte Mai veröffentlichte Ausführungsbestimmung zur alten lateinischen Messe. Demnach sind nach 1962 erlassene liturgische Vorschriften, die mit den damals gültigen liturgischen Büchern unvereinbar sind, für tridentinische Feiern nicht bindend. …” So berichtete am 7. Juni 2011 die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan auf ihrer Homepage. Nach dem Kirchlichen Gesetzbuch von 1983 (CIC/1983) können auch weibliche Personen in der Messe dienen (Messdienerinnen). Das geht aus can. 230 § 2 indirekt hervor. Danach haben Laien die Möglichkeit, bestimmte Aufgaben in den liturgischen Handlungen zu erfüllen. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei nicht zwischen männlichen und weiblichen Laien. Jungen und Mädchen, Männer und Frauen können den Dienst des Lektors, des Kommentators, des Kantors “oder andere Aufgaben nach Maβgabe des Rechts” (aliisve ad norman iuris) übernehmen. Diese letzte Formulierung (“andere Aufgaben nach Maβgabe des Rechts”) lässt Raum für die Möglichkeit des Altardienstes auch durch weibliche Laien (Messdienerinnen).
Die in can. 230 § 2 vorsehene Möglichkeit ist jedoch mit den Rubriken des Römischen Missale von 1962 nicht vereinbar. Zwar handelt es sich bei can. 230 §2 in bezug auf liturgische Dienste um eine Norm der liturgischen Disziplin. Diese ist jedoch so eng mit dem Ritus verbunden, dass sie für die Feier der auβerordentlichen Form des Römischen Messritus nicht anwendbar ist. Can. 230 § 2 des CIC/1983 wird darum durch das Motu Proprio “Summorum Pontificum”, das ein Spezialgesetz ist, in bezug auf den Einsatz weiblicher Laien für liturgische Dienste in der auβerordentlichen Form des Römischen Messritus aufgehoben (“derogiert”). Das gilt besonders für den Dienst des Lektors oder des Altardieners. Folglich können Messdienerinnen (und Lektorinnen) in der auβerordentlichen Form nicht zugelassen werden.
Kein Recht
In meinem Kommentar zum Motu Proprio “Summorum Pontificum” hatte ich zudem darauf hingewiesen, dass die den liturgischen Normen von 1962 nachfolgende Sakramentendisziplin nur dann auf die auβerordentliche Form der Liturgie anzuwenden ist, wenn diese Disziplin ein Recht der Gläubigen berührt, das sich unmittelbar aus dem Taufsakrament ergibt und dem ewigen Heil der Seelen dient (vgl. Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer ‘Reform der Reform’, Bonn 2010, 130-132). Weder der Altardienst noch die Ausübung des Laiendienstes des Lektors oder des auβerordentlichen Spenders der heiligen Kommunion (vgl. can. 230 § 3 in Verbindung mit can. 910) gehören zu den fundamentalen Rechten eines Getauften oder dienem dem ewigen Heil. Der Dienst des auβerordentlichen Spenders der heiligen Kommunion (des “Kommunionhelfers”) ist zudem keine Weise der Ausübung des allgemeinen Priestertums der nicht geweihten Gläubigen (= Laien). Darum sind alle diese Dienste in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus nicht einzuführen. Wo dies doch geschieht, liegt ein empfindlicher liturgischer Missbrauch vor.
Die Instruktion “Memoriale Domini”
“Mit der Instruktion Memoriale Domini vom 29. Mai 1969 hat Paul VI. – obgleich eine eindeutige Mehrheit der Bischöfe sich dagegen ausgesprochen hatte (1233 haben die Handkommunion abgelehnt, 567 haben zugestimmt) – die Erlaubnis zur Handkommunion für jene Bischofskonferenzen erteilt, die darum gebeten hatten, wobei die tradionelle Praxis der Mundkommunion beibehalten werden sollte. Die Handkommunion sollte somit – in der Form eines Indultes gestattet – eine Ausnahme bleiben, die Mundkommunion weiterhin die normale Weise des Kommunizierens sein. Die Entwicklung ging allerdings in eine andere Richtung: Die Handkommunion ist in den Ländern, deren Bischofskonferenzen sie nach dem Indult Pauls VI. eingeführt hatten, die übliche Weise des Kommunizierens nach dem Missale Pauls VI. geworden” (Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen”, 130).
Ein Indult schafft für bestimmte physische und juristische Personen ein Sonderrecht, das abweicht vom allgemeinen Recht. Ein Indult stellt darum ein Privileg (Latein: privilegium = Sonderrecht; von: privus lege = frei vom Gesetz) dar. Während die Mundkommunion allgemeines, verbindliches Recht ist, bildet die Handkommunion ein Sonderrecht. Es gilt nur für die Katholiken, die a) im Territorium jener Bischofskonferenz wohnen oder sich faktisch darin aufhalten, die die Handkommunion für ihren Jurisdiktiosnbereich auf der Grundlage des Indultes von 1969 eingeführt hat, und b) die Handkommunion bevorzugen. Niemand kann zur Handkommunion verpflichtet werden. Ein Zwang zur Handkommunion ist ein liturgischer Missbrauch (vgl. Instr. “Redemptionis Sacramentum”).
Handkommunion ausgeschlossen
Während nun die Handkommunion in der ordentlichen Form ausschlieβlich da möglich (nicht verpflichtend) ist, wo sie die jeweilige Bischofskonferenz zugelassen hat, ist sie in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus grundsätzlich – auch in den Ländern, deren Bischofskonferenzen sie für die ordentliche Form zugelassen haben (z.B. in allen deutschsprachigen Ländern), ausgeschlossen. Das geht eindeutig aus Nummer 28 der Instruktion “Universae Ecclesiae” hervor, die besagt, dass das Motu Proprio “Summorum Pontificum” als Spezialgesetz alle liturgischen Normen derogiert (aufhebt), die nach 1962 erlassen worden und mit dem Ritus unvereinbar sind. Die Handkommunion ist 1969 durch die Instruktion “Memoriale Domini” als Weise des Kommunionempfanges ermöglicht worden. Damit geht die Handkommunion in der Form, wie wir sie heute kennen, auf eine Norm zurück, die nach 1962 erlassen worden ist. Zudem berührt die Handkommunion den Ritus selber. Darum ist sie mit den Rubriken der auβerordentlichen Form nicht vereinbar. Das führt zu der Einsicht, dass die Handkommunion in den Messfeiern der auβerordentlichen Form ausgeschlossen ist. Die Instruktion “Memoriale Domini” von 1969 ist auf die auβerordentliche Feier des Römischen Ritus nicht anwendbar, weil das Motu Proprio “Summorum Pontificum” von 2007 das in der Instruktion gewährte Indult für den ihm, dem Motu Proprio “Summorum Pontificum”, eigenen Bereich, d.h. in diesem Zusammenhang für die Feiern in der auβerordentlichen Form, aufhebt (UE, Nr. 28).
Nichtzulassung zur Kommunion
Darf ein Gläubiger, der in einer Feier der auβerordentlichen Form der Messe die Handkommunion wünscht, nicht zur Kommunion zugelassen werden? In meinem Kommentar zum Motu Proprio “Summorum Pontificum” verneine ich dies mit der Begründung, dass in diesem Fall das fundamentale Recht eines Katholiken auf Kommunionempfang der Form des Kommunizierens vorausgeht (Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen”, 137). Dieses Recht auf Kommunionsempfang darf nur unter genau vom Kirchenrecht vorgeschriebenen und eng zu interpretierenden Bedingungen verweigert werden. Danach darf ein Katholik zur Kommunion nicht zugelassen werden, wenn er zu ungelegener Zeit darum bittet; nicht in der rechten Weise disponiert ist; nicht durch kirchenamtliche Verhängung oder Feststellung exkommuniziert oder interdiziert ist; hartnäckig in einer offenkundigen schweren Strafe verharrt (can. 843 § 1 in Verbindung mit can. 915) und durch die Handkommunion missbraucht (Instr. “Redemptionis Sacramentum”, Nr. 92). Die Bedingungen des Gezetzbuches für die Zulassung zur Kommunion, die disziplinarischer Natur sind, gelten sowohl für den Kommunionempfang in der ordentlichen als auch in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus, die Norm, nach dem ein Katholik nur, wenn er die Handkommunion nicht durch Profanierung missbraucht, gilt nur für die ordentliche Form des Römischen Ritus (vgl. UE, Nr. 27).
Weil das Motu Prioprio “Summorum Pontificum” von 2007 laut Nummer 28 der Instruktion “Universae Ecclesiae” für den Bereich der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus die Instruktion “Memoriale Domini”, mit dem Paul VI. 1969 die Handkommunion zugestanden hat (Indult), aufgehoben hat, kommt für die Nichtzulassung zur Kommunion in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus zu den genannten kodikarischen Gründen noch ein weiterer hinzu: die Handkommunion. Im Klartext heiβt das: Ein Katholik, der in einer Messe in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus zu erkennen gibt, die Handkommunion praktizieren zu wollen, kann nicht zur Kommunion zugelassen werden.
Roma locuta causa finita
Mit dieser Vorgabe der Instruktion “Universae Ecclesiae” werden anderslautende Interpretationen unter Kirchenrechtlern bezüglich der Handkommunion in der auβerordentlichen Form des Römischebn Ritus hinfällig. Ich selber nehme hiermit von meiner eigenen Interpretation, die ich in meinem Kommentar zum Motu Proprio “Summorum Pontificum” formuliert habe und die von der Instruktion abweicht (vgl. Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen” 134-137), Abstand. Roma locuta, causa finita. Rom hat gesprochen. Die Sache ist erledigt.
Gläubige darauf hinweisen
Der verantwortliche Priester (Pfarrer, Rektor einer Kirche) soll die Gläubigen auf die ausschlieβliche Form der Mundkommunion in der auβerordentlichen Form in der Verkündigung und in pfarrlichen Veröffentlichungen hinweisen. “Im übrigen wird man in der Praxis bei entsprechender pastoralliturgischer Einführung und guter Vorbereitung der Gläubigen seitens des verantwortlichen Priesters wohl auf Einsicht und Verständnis bei den Teilnehmen an einer in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus gefeirten Messe stoβen” (Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen”, 137).