Kommentar zur Instruktion “Universae Ecclesiae” – VI. Teil

Sechster Teil eines kathnews-Kommentars von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 25. Juni 2011 um 13:12 Uhr

“In tridentinischen Messen dürfen nach vatikanischen Angaben keine weiblichen Messdiener eingesetzt werden. Die Zulassung von Ministrantinnen durch die Gottesdienstkongregation 1994 erstrecke sich nicht rückwirkend auf Feiern nach dem alten Messbuch von 1962. … Die vatikanische Fachstelle beruft sich darin auf eine Mitte Mai veröffentlichte Ausführungsbestimmung zur alten lateinischen Messe. Demnach sind nach 1962 erlassene liturgische Vorschriften, die mit den damals gültigen liturgischen Büchern unvereinbar sind, für tridentinische Feiern nicht bindend. …” So berichtete am 7. Juni 2011 die deutschsprachige Redaktion von Radio Vatikan auf ihrer Homepage. Es handelte sich dabei um eine Antwort der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei” auf eine entsprechende Anfrage aus Groβbritannien. Messdienerinnen sind demzufolge in der überlieferten  Form des Römischen Ritus nicht zugelassen. Mit der Antwort der Päpstlichen Kommission ist eine in der pastoralen Praxis strittige Frage kirchenamtlich einer Lösung zugeführt worden.

Offene Fragen

Die Antwort erfolgte nach der Veröffentlichung der Instruktion “Universae Ecclesiae”. Diese geht – zum Bedauern vieler in der Seelsorge Tätiger und nicht weniger Kirchenrechtler – auf konkrete Fragen der Anwendung der mit dem Motu proprio “Summorum Pontificum” neu geschaffenen Rechtslage in der Katholischen Kirche nicht näher ein, sondern beschränkt sich auf – mehr oder weniger – allgemeine Hinweise. Konkrete Problemfelder in der pastoralen Praxis und Umsetzung des Motu proprio wie die der Messdienerinnen oder der Weise des Kommunizierens, um nur zwei der vielgestellten Fragen zu nennen, die seit dem Inkrafttretens von “Summorum Pontificum” am 14.9.2007 gestellt wurden, thematisiert die Instruktion nicht. Sie weist in Hinblick auf Fragen der liturgischen Disziplin in den Nummern 27 und 28 lediglich auf zwei Grundsätze, die wegen ihrer Allgemeinheit für verschiedene Interpretationen offen sind und damit in der pastoralen Praxis weiterhin Fragen und Zweifel in bezug auf die Anwendung des Motu proprio “Summorum Pontificum” hervorrufen können, wie die Fall aus Groβbritannien bezüglich der Messdienerinnen in der Messe in der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus gezeigt hat.

Adressaten der Instruktion

Es ist klar, dass auch eine Instruktion nicht alle möglichen Fallbeispiele berücksichtigen kann. Dennoch ist der Text der Instruktion in einigen Punkten, namentlich in bezug auf den  Bereich der Disziplin, enttäuschend. Das gilt um so mehr, als Benedikt XVI. – sicher auch im Hinblick auf die Veröffentlichung einer Instruktion – den Bischöfen in seinem Begleitbrief zum Motu proprio “Summorum Pontificum” eine Erfahrungszeit von drei Jahren gewährt hatte, in denen sie ihre Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung des Motu proprio dem Heiligen Stuhl berichten sollte. Man hätte erwartet, dass die Instruktion auf einzelne konkrete Probleme, die in den Teilkirchen aufgetreten sind und die in den Erfahrungsberichten der Bischöfe zur Sprache gekommen sein dürften, klare und hilfreiche Antworten geben würde. Die Frage der Weise des Kommunizierens gehört z. B.  zu diesen bislang nicht eindeutig geklärten Problemen. Dabei gilt es zu bedenken, dass die Instruktion sich nicht nur an die Bischöfe, die kirchlichen Verwaltungsbehörden (Ordinariate/Generalvikariate) und Oberen von Gemeinschaften des geweihten Lebens richtet, sondern vor allem – gerade im Hinblick auf die Umsetzung in den Pfarrgemeinden – an die Pfarrer vor Ort, bei denen ein kirchenrechtliches bzw. liturgierechtliches  Fachwissen nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Für diesen Personenkreis wären konkretere, für die pastoral-liturgische Praxis nützliche  Anweisungen der Instruktion hilfreicher gewesen.

Zwei allgemeine Grundsätze

“Universae Ecclesiae” beschränkt sich hingegen in bezug auf Fragen der Disziplin auf zwei allgemeine Grundsätze und bietet mit ihnen zwei Kriterien für vorkommende Fragen der Disziplin im Umfeld der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus. Die Instruktion legt fest, dass im “Bezug auf die mit der Feier der Messe verbundenen disziplinarischen Regelungen” “die Vorschriften des geltenden Codex des kanonischen Rechtes Anwendung” finden (UE, Nr. 27). Sodann heiβt es: “Das Motu proprio Summorum Pontificum ist darüber hinaus ein Spezialgesetz und derogiert daher für den ihm eigenen Bereich von jenen nach 1962 erlassenen Gesetzen, die sich auf die heiligen Riten beziehen und unvereinbar sind mit den Rubriken der liturgischen Bücher, die 1962 in Kraft waren” (UE, Nr. 28). Die Instruktion unterscheidet in bezug auf die liturgische Gesetzgebung zwischen disziplinarischen Regelungen (“regulae disciplinares”) einerseits (UE, Nr. 27) und “Gesetzen, die sich auf die heiligen Riten beziehen” (“leges ecclesiasticae sacrorum rituum propriae”) andererseits (UE, Nr. 28). Für erstere gilt das heutige kirchliche Gesetzbuch, für letztere sind die Normen anzuwenden, die bis 1962 in Kraft waren. Zwei Fragen erheben sich in diesem Zusammehang: Welche Normen des Kirchenrechtes umfassen “disziplinarische Regelungen”? Welche von diesen beziehen sich auf die Riten? Die Instruktion gibt darauf keine Antwort.

Disziplinarische Regelungen

Disziplinarische Regelungen umfassen solche Normen, die die Ordnung und den Schutz der Liturgie gewährleisten. Dazu zählen u.a. alle Normen des Kirchenrechtes in bezug auf die Gültigkeit und Erlaubheit der liturgischen Feiern. Im Blick auf die Feier der heiligen Eucharistie sind hier – neben den Gültigkeits- und Erlaubtheitsvoraussetzungen (etwa Normen über die Materie der Eucharistie oder das Verbot der Konsekration nur einer Materie) – zu nennen die Normen über die Applikation (can. 901), die Einzel- und Konzelebration (can. 902), die Häufigkeit der Zelebration  (can. 904) und des Kommunionempfanges (can. 917), die mehrfache Zelebration an einem Tag, die Zelebration ohne Gemeinde (can. 906), die ordentlichen und auβerodentlichen Spender der heiligen Kommunion (can. 230 § 3 i.V.m. can. 910), das Grundrecht auf Kommunionempfang (can. 912), den Ausschluss von der Kommunion (can. 915) und das Verbot des Kommunizierens (can. 916), die Nüchternheit vor dem Kommunionempfang (can. 919) sowie die interkonfessionelle Sakrametendisziplin nach can. 840. Auch Normen bezüglich Zeit und Ort der Eucharistiefeier (can. 931 f.) oder der liturgischen Diener (can. 230 § 2) gehören in den Bereich disziplinarischer Regelungen.

Eucharistische Nüchternheit: eine Stunde vor Kommunionempfang

Die Instruktion erklärt in Nr. 27, dass für die Feier der Messe in der auβerordentlichen Form die disziplinairschen Regelungen des Gesetzbuches von 1983 anzuwenden sind. Demnach gelten die zum Teil strengeren disziplinarischen Normen des Gesetzbuches von 1917 nicht mehr. So sind z. B. die bisherigen Normen z. B. bezüglich der eucharistischen Nüchternheit aufgehoben. Wer also an der auβerordentlichen Form des Messritus teilnimmt, braucht nur eine Stunde vor dem Kommunionempfang (nicht vor dem Beginn der Messe) nüchtern zu sein (wenngleich es jedem Gläubigen weiterhin unbenommen bleibt, eine längere Zeit nüchtern zu bleiben). Ebenso darf ein Gläubiger nach der erneuerten Disziplin am selben Tag ein zweites Mal die heilige Kommunion empfangen, aber nur innerhalb einer Feier der Eucharistie (can. 917). In Sterbegefahr ist feilich ein häufiger Empfang auch an einem Tage erlaubt (can. 921 § 1). Die Messe in der auβerordentlichen Form kann nach can. 931 auch zu jeder Stunde des Tages gefeiert erfolgen. Es ist also möglich, die heilige Messe in auβerordentlichen Form auch als sogenannte Vorabendmesse zum Sonntag zu feiern. Dahingegen ist die Kommunion unter beiden Gestalten, wie sie die “Allgemeine Einführung” des Missale Romanum von 1970 unter bestimmten Bedingungen ermöglicht, in der auβerordentlichen Form des Messritus nicht möglich. Denn hier betreten wird den Bereich disziplinarischer Normen, ist mit dem Ritus eng verbunden.

Gesetze, die den Ritus betreffen

Im Zusammenhang mit Nr. 28 der Instruktion “Universae Ecclesiae” sind mit “Ritus” bzw. “Riten” die Grundvollzüge für die Ordnung liturgischer Handlungen gemeint. Regeln rein disziplinarische Normen den auβeren Rahmen einer liturgischen Feier, so umfassen Gesetze, die den Ritus betreffen, Normen, die das Innere der liturgischen Handlung, ihren Ablauf und Vollzug festlegen.  Das Gesetzbuch der Katholischen Kirche, der Codex Iurix Canonici, “legt zumeist die Riten nicht fest, die bei der Feier liturgischer Handlungen zu beachten sind” (can. 2 CIC/1983), sondern beschränkt sich auf die wichtigsten liturgischen Formen. Liturgische Riten finden sich folglich nicht im Gesetzbuch, sondern in den Rubriken der liturgischen Bücher (Messbücher, Ritualien, Benediktionalien). Das Gesetzbuch regelt nicht vollständig den Ablauf der gottesdienstlichen Feiern, sondern verweist diesbezüglich auf das in den liturgischen Büchern festgelegte strikt liturgische Recht als Teilbereich des Kirchenrechtes. Das Gesetzbuch legt hingegen einige zentrale disziplinarische Regelungen fest  und stellt Normen für die Gültigkeits-, Erlaubtheits- und Schutzbestimmungen für die Liturgie auf. Neben den kodikarischen Regelungen gibt es noch andere, ausserkodikarische disziplinarische Normen. Sie finden sich in den liturgischen Büchern, besonders in den Einführungen  (Paenotanda) zu den liturgischen Büchern, und in päpstlichen Instruktionen (z.B. in der Instruktion “Redemptionis Sacramentum” von 2004 über die Feier der Eucharistie und einige Missbräuche in der Eucharistiefeier).

Eng mit dem Ritus verbundene disziplinarische Regelungen

Unter den im Gesetzbuch aufgeführten disziplinarischen Regelungen gibt es jedoch auch solche, die eng mit dem Ritus verbunden sind. Was den Messritus angeht, gehören neben den Normen über die Einzel- und Konzelbration (can. 902), den ordentlichen und auβerordentlichen Spender der heiligen Kommunion (can. 230 § 3 i.V.m. can 910), das Verbot der Konsekration nur einer Materie (can. 927) oder die bereits erwähnte auβerkodikarische Norm über den Empfang der heiligen Kommunion unter beiden Gestalten auch die Norm bezüglich der Messdiener und Messdienerinnen und der Weise des Kommunizierens (Mund – und Handkommunion). Diese und ähnliche Bestimmungen sind mit dem Ritus aufs engste verbundene disziplinarische Normen.
Die Instruktion “Universae Ecclesiae” erklärt, dass Gesetze, die nach 1962 erlassen worden sind und mit den Riten der auβerordentlichen Form des Römischen Messritus nicht vereinbar sind, “derogiert” (= aufgehoben)  sind (UE, Nr. 28). Im folgenden 7. Teil meines Kommentars zur Instruktion “Universae Ecclesiae” werde ich im Hinblick auf die vorgenommene Unterscheidung zwischen disziplinarischen Normen im allgemeinen Sinn (UE, Nr. 27) und jenen besonderen, die mit dem Ritus eng verbunden sind (UE, Nr. 28), auf drei Themenbereich im einzelnen eingehen: 1. auf die Messfeier ohne Volk bzw. mit Beteiligung nur eines Messdieners, 2. auf die Messdienerinnen und 3. auf die Mund- und Handkommunion.

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