Kommentar zur Instruktion “Universae Ecclesiae” – IX. Teil

Neunter Teil eines kathnews-Kommentars von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 11. August 2011 um 11:44 Uhr

“Die Priester und die Diakone haben das Recht, auch das Römische Brevier zu gebrauchen, das vom seligen Johannes XXIII. Im Jahr 1962 promulgiert wurde.” Über die Zelebration der heiligen Messe nach dem Missale Romanum von 1962 und die Verwendung einiger Ritualien (SP, Art. 9 §§ 1 und 2) hinaus haben Kleriker gemäβ “Summorum Pontificum” nunmehr auch das Recht, das Breviarium Romanum zu beten (SP, Art. 9 § 3). Folgt man der deutschen Übersetzung der Deutschen Bischofskonferenz (vgl. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles, Nr. 178), dann bleibt dieses Recht auf Priester und Diakone beschränkt, Bischöfe sind davon ausgeschlossen. Im lateinischen Originaltext von “Summorum Pontificum” ist jedoch die Rede von “Klerikern” (Fas est clericis …). Nach kirchenrechtlichem Sprachgebrauch, der bei der Interpretation von “Summorum Pontificum” als einem Rechtstext zu berücksichtigen ist, umfaβt der Begriff “Kleriker” alle drei Stufen des Weiheordo (Weiheamtes), also neben den Priestern und Diakonen auch die Bischöfe.

Seit dem 14. September 2007, dem Tag des Inkrafttretens des Motu Proprio “Summorum Pontificum”, ist es allen Klerikern – auch den ständigen Diakonen – erlaubt, zwischen dem Breviarium Romanum von 1962 und der Liturgia Horarum (zu Deutsch: Stundenbuch), dem von Papst Paul VI. mit der Apostolischen Konstitution “Laudis canticum” vom 1. November 1970 im Zuge der Liturgiekonstitution “Sacrosanctum Concilium” des Zweiten Vatikanischen Konzils herausgegebenen neuen Römischen Brevier zu wählen. Mit beiden Formen des Breviers erfüllen die Kleriker ihre Pflicht zum täglichen Stundengebet (vgl. can. 276 § 1, 3° CIC/1983).

Die Erklärung der Instruktion “Universae Ecclesiae”

Wenn sich die Kleriker für das Breviarium Romanum von 1962 entscheiden, haben sie es jedoch “vollständig” (integre) und “in lateinischer Sprache” (Latino sermone) zu beten:  “Den Klerikern wird gemäβ Art. 9 § 3 des Motu Proprio Summorum Pontificum die Möglichkeit gegeben, das Breviarium Romanum zu verwenden, das 1962 in Geltung war. Es muss vollständig und in lateinischer Sprache gebetet werden” (UE, Nr. 32).

Vollständig (integre) beten

Das Adverb “vollständig” (integre), das im Text auf das Verb “gebetet werden” (Lat.: recitare [facultas recitandi = wörtlich: die Möglichkeit des Rezitierens/zu rezitieren]) zu beziehen ist, besagt nach  dem  Sprachgebrauch des Kirchlichen Gesetzbuches von 1983 (CIC/1983), dass etwas ganz, vollständig, integral, ungekürzt zu geschehen hat. Auf das Beten/Rezitieren des Breviarium Romanum bezogen folgt daraus, dass der Kleriker das gesamte Brevier des jeweiligen Tages ungekürzt zu beten hat, das heiβt, er hat alle für das Breviarium Romanum vorgeschriebenen Horen und ausnahmslos alle Texte (Psalmen, Lesungen etc.) zu lesen. Das Breviarium Romanum kennt acht Gebetshoren: Matutin, Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper, Komplet. Es ist dem Kleriker untersagt, Horen als solche und Texte  der Horen (Psalmen, Schrift- und Väterlesungen, hagiographische und biographische Texte) zu kürzen, wegzulassen oder durch andere (z.B. Psalmen oder Lesungen aus dem reformierten Stundengebet von 1970, der Liturgia Horarum) zu ersetzen.

Ständige Diakone

Diese Verpflichtung gilt ausnahmslos für alle Kleriker, die das Breviarium Romanum wählen. Auch ein ständiger Diakon ist Kleriker und muss, wenn er sich für das Breviarium Romanum entscheidet, alle Horen ungekürzt beten. Nach dem Kircherecht sind die ständigen Diakon nicht zu allen Horen verpflichtet. Die jeweilige Bischofkonferenzen bestimmen, welche Horen die ständigen Diakone beten sollen (can. 279 § 1, 3°). Meistens handelt es sich um die Laudes und die Vesper. Eine Beschränkung für den Vollzug des Breviarium Romanum von 1962 durch ständige Diakone sieht das Recht, hier das Motu Proprio “Summorum Pontificum” i.V.m. der Instruktion “Universae Ecclesiae”, nicht vor.

Kein Austausch von Texten des einen durch solche des anderen Breviers

Die Liturgia Horarum (“Stundengebet”) kennt fünf Horen: Lesehore (Officium lectionis), Laudes, eine der kleinen Horen (Terz, Sext, Non), Vesper und Komplet. Eine Beschränkung der Anzahl der Horen des Breviarium Romanum von 1962 auf jene der Liturgia Horarum von 1970 ist dem Kleriker nicht erlaubt. Papst Paul VI. hatte noch in seinem Motu Proprio “Sacram Liturgiam” vom 25. Januar 1964 sechs Jahre vor der Herausgabe des reformierten Breviers (Liturgia Horarum) durch die Apostolische Konstitution “Laudis Canticum” vom November 1970 die Prim abgeschafft und allen Klerikern, die nicht an die Chorgebet gebunden sind, die Befugnis gewährt, aus den übrigen kleinen Horen des Breviarium Romanum von 1962 (also Terz, Sext, Non [die Prim war abgeschafft worden]) jene auszuwählen, die dem Augenblick des Tages entspricht. Den nicht zum Chorgebet verpflichteten Kleriker war es somit erlaubt,  die drie kleinen Gebetshoren des Breviarium Romanum auf eine einzige kleine Hore zu beschränken. Diese Befugnis wird nun durch die Instruktion “Universae Ecclesiae” rechtlich aufgehoben. Dies geht nicht nur aus der Vorschrift der Nummer 32 der Instruktion hervor, nach der das Breviarium Romanum “vollständig” zu beten ist, sondern vor allem aus der Nummer 28, nach das Motu Proprio “Summorum Pontificum” ein Spezialgesetz ist und “daher für den ihm eigenen Bereich von jenen nach 1962 erlassenen Gesetzen, die sich auf die heiligen Riten beziehen und unvereinbar sind mit den Rubriken der liturgischen Bücher, die 1962 in Kraft waren” aufhebt (derogiert) (UE, Nr. 28). Die Möglichkeit der Beschränkung auf eine Hore beim Rezitieren des Breviarium Romanum durch Motu Proprio “Sacram Liturgiam” von 25. Januar 1964 ist folglich aufgehoben, nicht mehr rechtens.

Die Norm, nach der das Breviarium Romanum von dem Kleriker, der sich für diese Form des Breviergebetes entschieden hat, “vollständig” zu beten ist, besagt hingegn nicht, dass der Kleriker in diesem Fall nur das Breviarium Romanum und nicht auch die Liturgia Horarum (“Stundenbuch”) beten darf. Da ein Kleriker die in can. 276 normierte Pflicht zum Breviergebet nach wie vor auch mit der Liturgia Horarum (“Studenbuch”) nachkommt, kann er stets wählen zwischen der einen oder der anderen Form des Breviergebetes. Entscheidet er sich für das Breviarium Romanum, ist er auf jeden Fall verpflichtet, es an dem jeweiligen Tag ungekürzt zu rezitieren. Er darf z.B. nicht die Matutin wegen ihre Länge ersetzen durch die Lesehore (Officium Lectionis) der Liturgia Horarum. Den gröβeren Zeitaufwand für den Vollzug des im Vergleich zur Liturgia Horarum, dessen Horen auf fünf und dessen Psalmen gekürzt und auf vier Wochen verteilt sind, umfangreicheren Breviarium Romanum hat er in Kauf zu nehmen und zu respektieren.

In lateinischer Sprache (sermone Latino) beten

“Das Zweite Vatikanische Konzil hatte sich in Nr. 101 der Liturgiekonstitution “Sacrosanctum Concilium” noch ausschlieβlich für die lateinische Sprache beim Vollzug des Brevier- bzw. Stundengebetes der Kleriker ausgesprochen. Es verpflichtet die Kleriker, dass sie ‘gemäβ jahrhundertealter Überlieferung des lateinischen Ritus’ ‘beim Stundengebet die lateinische Sprache beibehalten’ müssen … . Nur im Blick auf jene Kleriker, die Schwierigkeiten mit der lateinischen Sprache haben, wurde den Ordinarien die Vollmacht erteilt, im Einzelfall die Verwendung der Volkssprache zu erlauben. Dies kam einer Dispens gleich. Der Gebrauch der Volkssprache sollte also nach den Vorgaben der Konzilsväter eine Ausnahme bleiben. In den nichtklerikalen Klostergemeinschaften wurde darüber hinaus den Oberen die Möglichkeit gegeben, muttersprachliche Texte im Chor zuzugestehen. Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiereform, vor allem seit Beginn der 70er Jahre, ist jedoch der Gebrauch volkssprachlicher Texte auf das private wie gemeinschaftliche Stundengebet ausgedehnt worden, so dass die Verwendung der lateinischen Stundenbuchausgabe Pauls VI. eher eine Ausnahme bei Klerikern geworden ist – entgegen eindeutigen Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils” (Gero P. Weishaupt, Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Bendikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer “Reform der Reform”, Bonn 2010, 100 f., Fuβnote 217).

Ausnahme wurde Regel

Die Vorgaben des  Zweite Vatikanischen Konzil sind in den Jahren nach dem Konzil zum Teil ignoriert worden. Sowohl die kirchenamtliche Liturgiereform als auch die praktische liturgische Entwicklung in den Jahren nach dem Konzil gingen eigene Wege und entfernteb sich von den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils. In der Praxis gibt es nur noch wenige Kleriker, die das lateinische Stundenbuch beten. Was als Norm vorgesehen war, ist zur Ausnahme geworden. Das ist ein Phänomen der nachkonziliaren Liturgiegeschichte, das auch in anderen Bereichen (Handkommunion statt Mundkommunion, Volkssprache statt Latein, Zelebration zum Volk statt zum Osten)  zu beklagen ist. Fest steht, dass das faktische Verschwinden der Praxis des Stundengebetes in lateinischer Sprache bei der Mehrzahl der Welt- und Ordensgeistlichen mitverantwortlich ist für die mangelnde Kenntnis der lateinischen Sprache unter den Klerikern.

Keine Ausnahmen für das Breviarium Romanum

Jedenfalls ist der Vollzug des Breviarium Romanum von 1962 – trotz der mangelnden Lateinkenntnisse der Kleriker unserer Tage – einer Übersetzung der Instruktion “Universae Ecclesiae” (Nr. 32) zufolge nicht statthaft. Die Verwendung des Breviarium Romanum unter den Dözesan- und Ordensgeistlichen wird daher eher eine Ausnahme bleiben. Allerdings schlieβt der lateinische Vollzug des Breviarium Romanum den Gebrauch (kirchenamtlich anerkannter) Übersetzungen nicht aus. Doch können sie beim Vollzug des Breviers nicht an die Stelle der lateinischen Texte treten. Übersetzungen bieten dem Kleriker Hilfen zum Verständnis der lateinischen Texte des Breviarium Romanum, das Beten in lateinischer Sprache ersetzen sie nicht. Darum darf das Breviarium Romanum nur ein Kleriker beten, der a) über zumindest grundlegende Lateinkenntnisse verfügt, b) die lateinischen Worte richtig ausspricht und c) deren Bedeutung versteht (UE, Nr. 20 b). Die Möglichkeit einer Dispens vom lateinischen Breviergebet, die Papst Paul VI. in den 60er Jahren den Ordinarien gewährt hat für jene Kleriker, die die lateinische Sprache nicht ausreichend beherrschten, ist im Motu Proprio “Summorum Pontificum” und in dessen Gefolge in der Instruktion “Universae Ecclesiae” nicht vorgesehen (vgl. UE, Nr. 28). Der Vollzug des Breviarium Romanum von 1962 in lateinischer Sprache gilt ausnahmslos für alle Kleriker.

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