Kommentar zur Instruktion “Universae Ecclesiae” – IV. Teil

Vierter Teil eines kathnews-Kommentars von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 15. Juni 2011 um 09:00 Uhr

Das Motu proprio “Summorum Pontificum”, mit dem Papst Benedikt XVI. der ganzen Kirche den Reichtum der Römischen Liturgie zugänglich gemacht hat, indem er die Feier der überlieferten Liturgie nach den liturgischen Büchern von 1962 neu regelt, fordert, dass die Priester für die Feier der überlieferten Messliturgie “geeignet” (idonei) sein müssen (SP, Art. 5 § 4). Das setzt – neben den strikt kirchenrechtlichen Erfordernissen, die auch für die ordentliche Form gelten – die Vertrautheit mit der überlieferten Liturgie voraus. Um so mehr verwunderte es, dass das Motu proprio im Zusammenhang mit diesem Erfordernis weder etwas über die Priesterausbildung noch über die Priesterfortbildung normiert.

In meinem Kommentar zum Motu proprio habe ich diese Gesetzeslücke beanstandet: “Man kann es nur bedauern, dass die Behandlung der auβerordentlichen Form des einen Römischen Ritus in der Priesterausbildung im Motu Propio ‘Summorum Pontificum’ nicht ausdrücklich normiert wird. (…) Eine päpstliche Instruktion zum Motu Proprio nach can. 34 sowie bischöfliche Ausführungsbestimmungen nach can. 31 müssten mögliche rechtliche Unsicherheiten und die Gefahr willkürlicher Interpretation in diesem Bereich ausschlieβen. Denkbar wäre auch, dass der Gesetzgeber nachträglich den Normtext des Motu Proprio mit einem Artikel über die Priester(aus)bildung ergänzt” (Gero P. Weishaupt, Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio ‘Summorum Pontificum’ Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer ‘Reform der Refom’, Bonn 2010, 82, Fuβnote 182). Tatsächlich hat diese Gesetzeslücke im Motu proprio “Summorum Pontificum” zu unterschiedlichen Handlungsweisen in den Priesterausbildugnsstätten und Diözesen geführt, die soweit gingen, dass in nicht wenigen Priesterseminaren die überlieferte Liturgie bislang kein Thema gewesen ist und das Motu proprio keine Beachtung gefunden hat.

Einrichtung von Schulungskursen für den Klerus

Diese Gesetzeslücke wird nunmehr durch die Instruktion “Universae Ecclesiae” vom 13. Mai 2011 geschlossen. Sie legt nun, Bezug nehmend auf Art. 5 § 4 des ihr zugrundeliegenden Motu proprio “Summorum Pontificum”, klipp und klar fest: “Die Ordinarien werden ersucht, dem Klerus die Möglichkeit zu bieten, eine angemessene Hinführung zu den Feiern der forma extraordinaria zu erhalten. Dies gilt auch für die Seminare, die für eine geeignete Ausbildung der zukünftigen Priester durch das Studium der lateinischen Sprache sorgen müssen und, wenn die pastoralen Erfordernisse dies nahelegen (adiunctis id postulantibus), die Möglichkeit bieten sollen, die forma extraordinaria des Ritus zu erlernen” (UE, Nr. 21).

Die Instruktion fordert nicht nur eine angemessene Ausbildung der Priesteramtskandidaten in der forma extraordinaria (2. Satz), sondern erwähnt auβerdem die Notwendigkeit, “dem Klerus die Möglichkeit zu bieten, eine angemessene Hinführung zu den Feiern der forma extraordinaria zu erhalten” (1. Satz). Mit Klerus sind nach kirchenrechtlichem Sprachgebrauch die Bischöfe, die Priester und die (ständigen) Diakone gemeint. Die Ordinarien sind nach can. 134 CIC/1984 auβer dem Papst die Diözesanbischöfe und die ihnen rechtlich Gleichgestellten, sowie die General- und Bischofsvikare und die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes sowie die klerikalen Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes. Die Ordinarien sind durch die Instruktion in die Pflicht genommen und haben in ihren Jurisdiktionsbereichen (etwa in Diözesen und Klöstern) dafür zu sorgen, dass der Klerus (ob er im jeweiligen Jurisdiktionsverband inkardiniert ist oder nicht, spielt keine Rolle) durch Schulungsveranstaltungen die überlieferte Liturgie kennenlernt und zu zelebriereren fähig wird. Durch das verpflichtende Schuldungsangebot seitens des Ordinarius haben die Kleriker die Möglichkeit, für die Zelebration der überlieferten Liturgie, “geeignet” zu werden. Ob die Kleriker von dem Angebot Gebrauch machen, bleibt ihnen überlassen. Die Schaffung der Möglichkeit von Schulungsangeboten durch die Ordinarien ist verpflichtend, nicht die Teilnahme der Kleriker daran.

Verpflichtung seitens der Ordinarien

Die Instruktion stellt die Einrichtung solcher Schulungskurse  unmissverständlich als eine Verpflichtung seitens der Ordinarien heraus. Während die deutsche Übersetzung der Instruktion nur von einem Ersuchen spricht (“werden ersucht”), ist der lateinische Text fordernder. Dort ist die Rede von einem “nachdrücklichen” Ersuchen (“enixe rogantur”). Damit ist in der lateinischen kirchlichen Rechtssprache keine bloβe Bitte ausgesprochen. In diesem Fall hätte die Instruktion das Verb “petere” (= bitten) verwenden müssen. Die Instruktion bittet die Ordinarien nicht um die Schaffung der Möglichkeit zur Erlernung der überlieferten Liturgie, ebensowenig stellt die Instruktion die Einrichtung von Schulungskursen in das freie Ermessen der Ordinarien. Die Schaffung einer Möglichkeit ist keine Gunst, sondern eine Pflicht der Ordinarien gegenüber dem lern- und zelebrationswilligen Klerus. In jeder Diözese und in anderen territorialen und personalen Jurisdiktionsbereichen muss die Möglichkeit dazu angeboten weden.

Umsetzung des Motu proprio in der Priesterausbildung

Thematisiert die Instruktion im ersten Satz der Nr. 21 in bezug auf die Erlernung der auβerordentlichen Form der Römischen Liturgie die Klerikerfortbildung, so geht sie im folgenden Satz auf die Umsetzung des Motu proprio in der Priesterausbildung ein. In der Ausbildung der Kandidaten für das ständige Diakonat braucht die auβerordentliche Form demnach nicht behandelt zu werden, wenn man vom Wortlaut der Instruktion ausgeht, die nur von der Ausbildung zukünftiger Priester spricht (der lateinische Originaltext verwendet dafür den Ausdruck “sacrorum alumni”, die “Anwärter auf die heiligen Dienste”, womit im lateinischen-kirchenrechtlichen Sprachgebrauch die Priesteramtskandidaten gemeint sind). Diakone können wohl in der Fortbildung nach ihrer Weihe die überlieferte Liturgie erlernen, wie aus dem ersten Satz der Nr. 21 von Universae Ecclesiae, der unterschiedslos von “Klerikern” spricht, folgt. Warum in der Ausbildung der Anwärter auf das ständige Diakonat das Erlernen der auβerordentliche Form der Römischen Liturgie nicht gefordert wird, ist nicht ersichtlich.

Lateinlernen gilt ausnahemslos

Für die Priesterausbildung gilt die Schaffung der Möglichkeit, die überlieferte Liturgie zu erlernen, gegenüber der Klerikerfortbildung “in besonderem Maβe”. Diese wichtige Nuance wird in der deutschen Übersetzung der Instruktion vernachlässigt. Das lateinische Original stellt heraus, dass das genannte Erfordernis “hauptsächlich” (potissimum = hauptsächlich; besonders) für die Seminare gilt (“potissimum pro seminariis valet”). Die Einrichtung von Schulungskursen für den Klerus durch die zuständigen Ordinarien gilt im besonderen Maβe/hauptsächlich (“potissimum”) für die Priesterausbildungsstätten. Dabei sieht die Instruktion die Weise der Vorbereitung zukünftiger Priester auf die Feier der auβerordentlichen Form des römischen Ritus im Erlernen der lateinischen Sprache (“Latinum discendo sermonem”), was freilich auch für die ordentliche Form gilt, aber eben besonders für die auβerordentliche Form, wie ich im dritten Teil meines Kommentars zur Instruktion bei Kathnews in Erinnerung gerufen habe.

Erlernen der auβerordentlichen Form nur bedingunsmäβig

Demgegenüber braucht das Erlernen der auβerordentlichen Form des Römischen Ritus nicht unbedingt in den Seminaren zu erfolgen. Denn die Instruktion knüpft dieses Erfordernis an eine Bedingung, nämlich “wenn die pastoralen Erfordernisse dies nahelegen”. Im lateinischen Original der Instruktion steht übrigens nicht das Adjektiv “pastoral”. Der lateinische, einzig authentische und damit maβgebende Text spricht nur – allgemein –  von den “adiuncta”, den Umständen, ohne diese zu spezifizieren und damit einzuschränken. Es können also auch andere als pastorale Umstände dazu führen, dass die Seminaristen die auβeordentliche Form in den Seminarien bzw. Priesterausbildungsstätten lernen (“adiunctis id postulantibus”).

Während in der Preisterausbildung (in Seminaren und Konvikten) folglich das Erlernen der lateinischen Sprache ausnahmslos gilt, ist die Ausbildung der zukünftigen Priester in der Zelebration der auβerordentlichen Form keine absolute Verpflichtung der Ordinarien. Vielmehr macht die Instruktion das Erlernen der klassischen Römischen Liturgie in der Priesterausbildung von den Begleitumständen in den Jurisdiktionsbereichen (z.B. in den Diözesen) der Ordinarien abhängig. In dieser Beziehung räumt die Instruktion tatsächlich den Ordinarien einen Ermessensspielraum ein. Diesen können sie hingegen – wie gesagt – nicht beanspruchen, wenn es um die Priesterfortbildung und das Erlernen der lateinischen Sprache in der Priesterausbildung geht. Hier ruft die Instruktion die Ordinarien unmissverständlich in die Pflicht.

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