Kommentar zur Instruktion „Universae Ecclesiae“ – III. Teil
Ein Priester, der die ĂŒberlieferte Form des Römischen Messritus feiert, muss dazu geeignet sein. Zudem darf ein Priester nicht von Rechts wegen an der Feier gehindert werden. Das bestimmt das Motu proprio âSummorum Pontificumâ in Art. 5 § 4 mit der einem Gesetzestext gebotenen KĂŒrze und PrĂ€gnanz. Wann aber ist ein Priester geeignet und unter welchen Bedingungen ist er von Rechts wegen an der Feier nicht gehindert? Diese Frage beanwortet die Instruktion zum Motu proprio âUniversae Ecclesiaeâ. Danach ist jeder Priester als geeignet zu betrachten, âder nach dem Kirchenrecht nicht daran gehindert istâ (UE, Nr. 20 a). âGeeignet seinâ meint folglich âvom Recht nicht gehindertâ sein. WĂ€hrend nach der Formulierung im Motu proprio die Eignung des Priesters und das Nicht-Gehindert-Sein zwei verschiedene Sachverhalte sind, ist es fĂŒr die Instruktion ein und dasselbe: Eignung meint das Freisein des Priesters von einem kirchenrechtlichen Hindernis.
Freisein von kirchenrechtlichen Hindernissen
Die Instruktion verweist in diesem Zusammenhang in einer FuÎČnote auf can. 900 § 2 des Kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983). Dieser nimmt Bezug auf die Erlaubnisvoraussetzung fĂŒr die Zelebration der heiligen Messe und gilt fĂŒr beide Formen des Römischen Messritus, die ordentliche und die auÎČerordentliche Form. Was die auÎČerordentlich Form angeht, fordert âSummorum Pontificumâ in Art. 5 § 4: âErlaubt feiert die Eucharistie ein Priester, der nicht durch kanonisches Gesetz daran gehindet ist; âŠâ Gehindert, die Messe zu Feier der Messe ist ein Priester, der den klerikalen Stand verloren hat; fĂŒr die AusĂŒbung der Weihe irregulĂ€r geworden oder daran gehindert ist; eine Klageschrift betreffend die Nichtigkeit seiner Weihe eingereicht hat. Ein in diesem kirchenrechtlichen Sinn gehinderter Priester ist folglich nach âSummorum Pontificumâ bzw. âUniversae Ecclesiaeâ nicht geeignet fĂŒr die Zelebration der ĂŒberlieferten Form des Römischen Ritus.
Vertrautheit mit der auÎČerordentlichen FormÂ
Doch nennt die Instruktion noch eine weitere Eignungsvoraussetzung. Die Instruktion nennt ĂŒber die in Nr. 20 a) dargelegte strikt kirchenrechtliche Eignung auch die Eignung des Priester in bezug auf den Vollzug des Ritus. Diese Eignung setzt die Vertrautheit mit der auÎČerordentlichen Form des Römischen Messritus voraus. In der Ăbersetzung der deutschsprachigen Ausgabe des Osservatore Romano vom 20. Mai 2011 (Nr. 20) heiÎČt es: âBezĂŒglich der Vertrautheit mit dem Ablauf des Ritus (peritia[m] ⊠ritus exsequendi) sind jene Priester als geeignet zu vermuten (habentur = sie werden gehalten, sie werden betrachtet), die von sich aus in der forma extraordinaria zelebrieren wollen und diese bereits frĂŒher verwendet habenâ (UE, Nr. 20 c). Wenn auch das Verb âvermutenâ im lateinischen Original der Instruktion nicht enthalten ist, so wird hier doch deutlich eine Rechtsvermutung festgelegt. Diese hat zur Folge, dass derjenige, der das Gegenteil behauptet (d. h. meint, dass der zelebrationswillige Priester nicht ĂŒber die geforderte Eignung verfĂŒgt) die Beweislast trĂ€gt. Ein Kirchenrektor darf einen Priester, der die auÎČerordentliche Form in dessen Kirche zelebrieren möchte, nur zurĂŒckweisen, wenn er stichhaltige Anhaltspunkte (Indizien) anfĂŒhren kann, die tatsĂ€chlich auf mangelndes Vertrautsein des betreffenden Priesters mit dem Ritus der auÎČerordentliche Form schlieÎČen lassen. Die in der Instruktion statuierte Rechtsvermutung fĂŒr das Vertautsein schĂŒtzt jeden zelebrationswilligen Priester vor WillkĂŒr.
Grundlegende Kenntnis der lateinischen Sprache
Was auf die ordentliche Form des Messritus nach dem Römischen Missale Pauls VI. Anwendung findet, gilt im besonderen fĂŒr das Römische Missale von 1962: Die Instruktion fordert eine âKenntnis der lateinischen Sprache, die es erlaubt, die Worte richtig auszusprechen und deren Bedeutung zu vestehenâ (UE, Nr. 20 b). Diese kann bei Priestern der jĂŒngeren Generation und heutigen Seminaristen nicht ohne weiteres mehr vorausgesetzt werden. Wie ich in meinem Kommentar zum Motu proprio âSummorum Pontificumâ bereits hingewiesen habe, hat âdie VerkĂŒrzung der Gymnasialzeit, die Ausdehnung des Unterrichts auf moderne Fremdsprachen, die zunehmend naturwissenschaftliche Ausrichtung der Schulen in den letzten Jahrzehnten ⊠zu einer drastischen ZurĂŒckdrĂ€ngung des altsprachlichen Unterrichts (Altgriechisch und Latein) gefĂŒhrt. Die Folge ist, dass die fĂŒr das Studium der Theologie und die Zelebration der Liturgie in lateinischer Sprache erforderlichen altsprachlichen Kenntnisse nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt werden können.Diese fehlenden Sprachkenntnisse nach dem Abitur in zweisemestrigen Lateinkursen an theologischen FakultĂ€ten und Priesterseminaren nachzuholen, erweist sich als unzureichend, wenn nicht auf die einfĂŒhrenden Grundkurse vertiefende Aufbaukurse folgen, in denen sich der Student bzw. der Alumne durch regelmĂ€Ăige Ăbungen mit lateinischen Texten in die LatinitĂ€t des Kirchenlateins, insbesondere der Latinitas liturgica, einarbeitet. Daraus ergibt sich ein zweifaches Desiderat: Der Lateinunterrricht an UniversitĂ€ten und Priesterseminaren muss erweitert und vertiefende Schulungskurse fĂŒr Priester in den Diözesen eingerichtet werdenâ (Gero P. Weishaupt, âPĂ€pstliche Weichenstellungen.
Das Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar sowie Ăberlegungen zu einer âReform der Reformââ, Bonn 2010,  80 f., FuÎČnote 179). Aber auch bei manchen Ă€lteren Preistern sind die einst noch an einem humanistisch-altsprachlichen Gymnasium grĂŒndlich erworbenen Kenntnisse der lateinischen Sprache in der Zeit nach dem Konzil in Vergessenheit geraten. Entgegen den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils  (Sacrosanctum Concilium, Nr. 101) machten Priester es sich zur Gewohnheit, in der Nachkonzilszeit das Brevier nicht mehr auf Lateinisch zu beten und die Messe ausschlieÎČlich in der Landessprache zu feiern. Die dadurch preisgegebene Praxis der lateinischen Sprache ist mitverantwortlich fĂŒr deren mangelnde Kenntnis unter Klerikern, die es in unseren Tagen zu beklagen gilt.
Latein in der Priesterausbildung
Die Instruktion âUniversae Ecclesiaeâ bestimmt nun, dass die Seminare âfĂŒr eine geeignete Ausbildung der zukĂŒnftigen Priester durch das Studium der lateinischen Sprache sorgen mĂŒssenâ (UE, Nr. 21). Dabei bezieht sich die Instruktion in einer FuÎČnote auf die diesbezĂŒglichen Vorgaben des Kirchlichen Gesetzbuches (can. 249) und des Zweiten Vatikanischen Konzils (Sacrosanctum Concilium, 36; Optatam Totius, 13). Ăber die lateinische Sprache in der Preisterausbildung bestimmt der kirchliche Gesetzgeber u.a.: âIn der Ordnung fĂŒr die Priesterausbildung ist vorzusehen, dass die Alumnen nicht nur in ihrer Muttersprache sorgfĂ€ltig unterwiesen werden, sondern dass sie sich auch auf die lateinische Sprache gut verstehen âŠâ (can. 249). Im Konzilsdekret âOptatam totiusâ ĂŒber die Priesterausbildung bestimmen die VĂ€ter des Zweiten Vatikanischen Konzils: âVor Beginn der eigentlichen kirchlichen Studien sollen die Alumnen den Grad humanistischer und naturwissenschaftlicher Bildung erreichen, der in ihrem Land zum Eintritt in die Hochschulen berechtigt. Sie sollen zudem so viel Latein lernen, daĂ sie die zahlreichen wissenschaftlichen Quellen und die kirchlichen Dokumente verstehen und benĂŒtzen können (27). Das Studium der dem eigenen Ritus entsprechenden liturgischen Sprache muĂ als notwendig verlangt werden; die angemessene Kenntnis der Sprachen der Heiligen Schrift und der Tradition soll sehr gefördert werdenâ (OT, Nr. 13). SchlieÎČlich ruft bekanntlich das Zweite Vatikanische Konzil auch in seiner Liturgiekonstitution âSacrosanctum Conciliumâ unmissverstĂ€ndlich zum Erhalt der lateinischen Liturgiesprache auf, wenngleich zugestanden wird, dass ânicht selten der Gebrauch der Muttersprache fĂŒr das Volk sehr nĂŒtzlich sein kannâ (SC 36). FĂŒr die âmit dem Volk gefeierten Messenâ wurde der Gebrauch der Muttersprachen zugestanden, âbesonders in den Lesungen und im allgemeinen Gebetâ sowie âin den Teilen, die dem Volk zukommenâ und auch âdarĂŒber hinausâ (SC 54). Weiterhin aber ist dafĂŒr zu sorgen, dass âdie ChristglĂ€ubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen und singen könnenâ (SC 54).
Latein ist die Sprache der Liturgie
Sowohl fĂŒr die auĂerordentliche wie fĂŒr die ordentliche Form des Römischen Ritus sind ausreichende Lateinkenntnisse beim Priester erforderlich. Was die ordentliche Form betrifft, so hatte Benedikt XVI. bereits in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben âSacramentum Caritatisâ gebeten, dass die zukĂŒnftigen Priester ab ihrer Seminarzeit in ihrer Ausbildung auf das Verstehen und die Zelebration der heiligen Messe in lateinischer Sprache vorbereitet werden (SacCar, Nr. 62). Damit greift der Papst das Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Bestimmungen des Kirchlichen Gesetzbuches auf. Das Erfordernis grĂŒndlicher Lateinkenntnisse gilt im besonderen MaĂe aber fĂŒr die auĂerordentliche Form des Römischen Ritus, da diese Form ausschlieĂlich in Latein gefeiert wird, wĂ€hrend in der ordentlichen Form auch die jeweilige Landessprache mit Blick auf die aktive Teilnahme GlĂ€ubigen gefeiert werden kann, wenn auch hier AusschlieĂlichkeit den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils widerspricht.
Keine perfekten Lateinkenntnisse gefordert
In der Ăbersetzung der Instruktion in der deutschsprachigen Ausgabe des Osservatore Romano ist die Rede von âgrundlegende(r) Kenntnisâ bezĂŒglich des Gebrauchs der lateinischen Sprache. Im lateinischen Original der Instruktion wird die Kenntnis dahingehend nicht qualifiziert (UE, Nr. 20 b). Auch das Motu proprio âSummorum Pontificumâ macht keine weiteren Angabe ĂŒber den Grad der Lateinkenntnisse, ĂŒber die Priester nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils und des kirchlichen Gesetzbuches verfĂŒgen sollen. Die Instruktion fordert lediglich, dass der Priester, der im Begriff ist zu zelebrieren (caelebraturus), âĂŒber die Kenntnis verfĂŒgen soll, um die Worte richtig auszusprechen und deren Bedeutung zu verstehenâ (scientia polleat ad verba recte proferenda eorumque intelligendam significationem). Somit werden keine vollkommenden Lateinkenntnisse erwartet. Es genĂŒgt, dass der Prieste die Worte richtig auszuspricht und deren Sinn zu versteht. In meinem Kommentar zu Motu proprio habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass es dem âgroĂzĂŒgigen Geist des Motu Proprioâ widersprechen wĂŒrde, âwollte man perfekte Lateinkenntnisse von den Priestern als Voraussetzung fĂŒr die Zelebration verlangen.
Alle Bestimmungen und MaĂnahmen, die die Normen des Motu Proprio einschrĂ€nken und dessen Umsetzung unnötig erschweren, sind mit ihm nicht konformâ (Gero P. Weishaupt, âPĂ€pstliche Weichenstellungenâ, 80.). Allerdings muss hier angefĂŒgt werden, dass die Bedeutung der Worte sich nur erschlieĂt, wenn der Kontext, in dem das Wort steht, mitberĂŒcksichtigt und syntaktische ZusammenhĂ€nge erkannt werden. Das setzt tatsĂ€chlich eine grundlegende Kenntnis der lateinische Grammatik, ihrer Syntax und ihres Wortschatzes, aber auch – im Zusammenhang mit liturgischen Texten –  die Kenntnis der Eigenart der âlatinitas liturgicaâ voraus. Dass die Alumnen und Priester diese Grundkenntnisse in ihrer Ausbildung kĂŒnftig erwerben, dafĂŒr haben nun nach MaĂgabe der Instruktion âUniversae Ecclesiaeâ die zustĂ€ndigen Ordinarien Sorge zu tragen (UE, Nr. 21).