Johannes Paul der Große

Die Welt verneigt sich gemeinsam mit Benedikt XVI. in Rom vor dem Jahrhundertpapst. Von Martin Lohmann.
Erstellt von Martin Lohmann am 4. Mai 2011 um 20:18 Uhr

Rom (kathnews). Zwei Päpste. Eine Seligsprechung. Und die ganze Weltkirche ist hautnah dabei.  Viele haben Tränen in den Augen, als der Papst bei strahlendem Sonnenschein kraft seiner apostolischen Autorität seinen Vorgänger seligspricht und der Vorhang von dem großen Portrait des neuen Seligen an der Fassade der Peterskirche weggezogen wird. Jetzt strahlt buchstäblich jener in die Herzen der Pilger, der wie kein anderer Pontifex zuvor Brücken in alle Welt baute und der Kirche Christi ein neues Gesicht gab.

Kaum zu verkennen, dass beide Päpste, der jetzige und sein Vorgänger, präsent sind. Viele erinnern sich an die Worte des damaligen Kardinals Ratzinger bei der Beerdigung des Jahrhundertpapstes. Und es kommt ihnen so vor, als zeige sich der charismatische Johannes Paul II. jetzt am Fenster des Hauses des himmlischen Vaters und lächele seinen Freunden zu. Der Selige, so scheint es, blickt schmunzelnd auf seine Kirche und ruft noch einmal: Habt keine Angst! Öffnet, ja öffnet die Tore für Christus!

Unverkennbar ebenfalls: Auch Benedikt XVI. ist bewegt bei dieser Feier. Mehr als zwei Jahrzehnte hat er mit dem Mann eng zusammengearbeitet, auf dessen Stuhl er nun als sein Nachfolger offiziell verkünden darf, worauf ungezählte Gläubige seit sechs Jahren gewartet hatten: Johannes Paul II. ist selig. So viel Applaus jetzt aufbrandet, so andachtsvoll still ist es hernach bei der Eucharistiefeier – trotz einer Million Menschen.

Noch einmal ist alles ganz besonders dicht, und es ist buchstäblich zu spüren: Hier geht eine einmalige Geschichte weiter. Und sie reicht vom Petersplatz bis in den Himmel. Als wollte Petrus letzte Zweifel ausräumen: Pünktlich zur Seligsprechung rückten die Wolkentürme an den Rand des Geschehens und tauchten den Platz sowie die anliegenden Straßen an diesem Sonntag der Barmherzigkeit in ein klares wärmendes Licht. Dem „Duft seiner Heiligkeit“, der nach den Worten des Papstes bereits bei der Beerdigung von Johannes Paul II. spürbar gewesen sei, kann und will sich hier niemand entziehen. Erst recht nicht die polnischen Pilger, die den Platz und die Straße bis hinunter zur Engelsburg für „ihren“ Jan Pawel in ein heimatliches Farbenmeer tauchen.

Und tatsächlich: Es ist noch einmal „JP2-Atmosphäre pur“, wie eine deutsche Katholikin bemerkt. „So war das immer bei und mit ihm“, meint sie beglückt. Schade sei nur, dass bei all den Nationalfahnen, die man sehen könne, das deutsche Schwarz-Rot-Gold deutlich unterrepräsentiert sei. Dabei, so meint Bernhard aus Köln, haben „wir doch auch allen Grund zur Dankbarkeit gegenüber diesem Papst, dem wir schließlich den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs und der Mauer zu verdanken haben. Aber irgendwie schaffen wir Deutsche es nie so richtig, dankbar und konstruktiv zu sein, oder?“ Während der Feier simst jemand seinem Freund quer durch die Menge: „Weltkino pur der feinsten Art! Besser als jede Adelshochzeit! Und wesentlich haltbarer!“ Als Antwort  bekommt er zurück: „1000 mal besser!“

Rom hatten die Römer schon in den Tagen zuvor den Papsttreuen zum großen Welt-Familientreffen überlassen. Rund um den Petersplatz, den einst Johannes Paul II. zum Wohnzimmer der Weltkirche gemacht hatte und wo er so viele Vorbilder des Glaubens selig- und heiliggesprochen hatte, herrscht bereits am Vorabend und in der Nacht eine erwartungsfrohe Volksfeststimmung. Es sind Christen aus allen Nationen und aus allen Generationen. Und immer wieder fallen die zahlreichen jungen Gesichter auf, die – anders als in manchen europäischen Ländern – der Weltkirche jenen Ausdruck stabiler Hoffnung verleihen, die der neue Selige bereits zu Lebzeiten so kraftvoll ausstrahlte.

Auch nach der Seligsprechung wird gefeiert, getanzt und gebetet. Die Möglichkeit, noch einmal am Sarg von Johannes Paul dem Großen diesem Apostel der Wahrheit die Ehre zu erweisen, wird bis in die Morgenstunden des folgenden Tages von vielen genutzt. Die lange Schlange, in der die Menschen still und nachdenklich schließlich im Petersdom an ihrem „Heiligen“ vorbeiziehen, erinnert an die Tage vor sechs Jahren. Damals brauchten die Pilger bis zu zwanzig Stunden, um für einen Augenblick vom aufgebahrten Menschenfischer Abschied zu nehmen.

Von regelrechten „Gnadenpaketen“ berichtet anschließend ein ansonsten cooler Manager, dem mehrfach in diesen Tagen die Tränen geflossen sind. Wer da nicht spüre, dass hier der Himmel arbeite, dem sei „nicht wirklich zu helfen“, sagt er. Dieser Mann, dem er leider nie persönlich begegnen konnte, sei doch „nichts als pure Hoffnung“, und zwar bis heute. Nicht nur er reist reich beschenkt zurück in seinen Alltag. Nicht er ist überzeugt: Johannes Paul II. lebt und ist für uns ziemlich aktiv im ewigen Leben. Und nicht nur für ihn ist längst klar, was auf den in einem Devotionalienladen verkauften Andachtsbildchen gedruckt steht: Heiliger Johannes Paul II.

Der Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe der Kölner Kirchenzeitung. Informationen dazu unter www.kirchenzeitung-koeln.de

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