„Ist die Kirche ein Skandal?“

Ein Interview mit Karin Maria Fenbert, Geschäftsführerin von KIRCHE IN NOT.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 10. Februar 2014 um 12:31 Uhr
Karin Maria Fenbert, Geschäftsführerin „Kirche-in-Not“

Nach den Skandalen der letzten Jahre haben viele Deutsche den Eindruck, dass die katholische Kirche am Boden liegt. Dennoch gehen Sonntag für Sonntag mehr Menschen in die Kirche als ins Fußballstadion und ohne die Caritas als einem der größten Arbeitgeber im Land sowie die kirchliche Trägerschaft von Kinderbetreuungseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen hätte der deutsche Sozialstaat ein Problem. Das wirft die Frage auf, ob die deutschen Medien überhaupt noch korrekt über Kirchenthemen berichten. Die Geschäftsführerin der deutschen Sektion des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“, Karin Maria Fenbert, sieht Handlungsbedarf auch für die Kirche selbst.

Das Interview führte André Stiefenhofer

Frau Fenbert – läuft eine Medienkampagne gegen die katholische Kirche?

Der Begriff „Kampagne“ klingt mir zu sehr nach „Verschwörung“. Es gibt wohl kaum einen Journalistenzirkel, der sich heimlich in finsteren Hinterzimmern trifft und neue Gemeinheiten gegen die Kirche ausheckt. Aber es gibt sicher Absprachen unter Journalisten, die dann wie eine geplante Skandalberichterstattung erscheinen.

Wie funktioniert solch eine „Skandalberichterstattung“?

Nehmen Sie zum Beispiel Limburg: Die journalistischen Ankläger des Bischofs hatten wohl schon sehr früh durch verschiedene Quellen und eigene Recherche mit teilweise unredlichen Mitteln viele Informationen über das Bauvorhaben auf dem Domberg und über die Flugreise nach Indien erhalten. Jedenfalls geht dies aus Andeutungen in einigen Artikeln hervor. Dennoch erschien kein Artikel, der alle vorhandenen Informationen enthielt. Vielmehr wurden die Fakten „scheibchenweise“ über Monate hinweg in die Öffentlichkeit gestreut. Das hatte sicherlich mehrere Gründe: Wenn die Vorwürfe in einem Artikel zusammengefasst worden wären, hätten die Verteidiger des Bischofs die Gelegenheit gehabt, alles ebenso übersichtlich in einem einzigen Artikel zu widerlegen, anstatt auf zahlreiche fragmentierte Einzelvorwürfe eingehen zu müssen. Zudem wurde durch das Streuen der Rechercheinformationen auf derart viele – inhaltlich größtenteils nichtssagende – Artikel der Eindruck erweckt, Bischof Tebartz-van Elst verhalte sich intransparent und die wahrheitssuchenden Journalisten fänden immer wieder neue, unbekannte Fakten heraus. Schließlich konnten die Journalisten durch die „scheibchenweise“ Berichterstattung das Thema „Tebartz-van Elst“ über Monate am kochen halten und einem Höhepunkt zutreiben.

Sie behaupten also, Bischof Tebartz-van Elst war unschuldig?

Warten wir für eine derartige Aussage doch das Ergebnis der Untersuchungskommission ab. Ich denke aber: Wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder der SPIEGEL all ihr Wissen über den Bischof in einem einzigen Artikel zusammengefasst hätten, wäre das Echo sehr verhalten gewesen und der Fall wäre sicher nicht bis nach Rom gelangt. Die Scheibchentaktik und auch die Absprachen mit den Kollegen anderer Zeitungen und Zeitschriften waren nötig, weil die Fakten sonst nicht für eine erfolgreiche Skandalisierung ausgereicht hätten.

Es brauchte also ein Quäntchen öffentlicher Hysterie?

Skandale sind ein psychologisches Massenphänomen. Es geht nicht um den konkreten Missstand, der einem Skandal durchaus auch zugrunde liegen kann. Es geht vielmehr darum, eine bestimmte Sichtweise auf ein Thema zu einer allgemeinverbindlichen Norm werden zu lassen. Im Fall von Limburg war das die Aussage: „Der Bischof ist ein autoritärer Verschwender.“ Wer dieser von führenden Medien etablierten Norm widersprach, wurde ausgegrenzt. Alle abweichenden Sichtweisen wurden unter den Tisch gekehrt und ihre Vertreter zumindest lächerlich gemacht. Dagegen wurde alles, was das gewünschte Schema zu bestätigen schien, bereitwillig akzeptiert und notfalls auch zurechtgebogen. Das sah man in Limburg recht gut an den falschen Aussagen von Herrn Riebel oder den unsinnigen Zahlen über die Kosten für die bischöfliche Badewanne in der BILD-Zeitung, die dort nie entsprechend richtiggestellt wurden.

Medien skandalisieren also. Wieso war das Ziel dieser Skandalisierung in den letzten Jahren so häufig die katholische Kirche? Dem Missbrauchsskandal beispielsweise lag doch tatsächlich ein nicht aufgearbeiteter Missstand zugrunde?

Ja, allerdings benötigt eine Skandalisierung wie gesagt keine tatsächlichen Missstände. Der öffentliche Skandal ist vielmehr ein Mittel, um gesellschaftliche Normen zu bilden und zu zementieren. Nun kann man fragen, ob der Missbrauchsskandal dazu beigetragen hat, in der Öffentlichkeit die Sensibilität für das Problem des Kindesmissbrauchs zu schärfen. Ich meine: „eher nein“. Vielmehr wurde dieses Problem, das Studien zufolge ganz überwiegend das familiäre Umfeld und das Vereinsleben betrifft, vor allem der Kirche zugeschrieben. Dadurch rückten die anderen gesellschaftlichen Bereiche in den Hintergrund. Es ist schon auffällig, dass sich derart viele Skandale ausgerechnet gegen jene Institution wenden, die sich in unserem Land noch am deutlichsten gegen den Zeitgeist ausspricht. Ebenso auffällig ist, dass in der Kirche genau jene Menschen von den Medien ihren ganz persönlichen Skandal präsentiert bekommen, die sich am deutlichsten gegen die Missstände unserer politisch-korrekten Mainstream-Gesellschaft aussprechen – so zum Beispiel Kardinal Meisner, Bischof Mixa, Bischof Tebartz-van Elst oder der designierte Kardinal Müller. Kein Mensch ist fehlerfrei, daher finde ich es merkwürdig, dass ausschließlich sogenannte „konservative“ Kirchenleute Skandale verursacht haben sollen und die „progressiven“ alle Engel sind. Das sollte uns stutzig machen.

Wenn Sie andeuten, dass die Medien bestimmte Personen besonders „auf dem Kieker“ haben, klingt das aber wieder sehr nach Verschwörern im Hintergrund.

Natürlich gibt es Interessengruppen, denen daran liegt, den gesellschaftlichen Wertewandel in ihrem Sinne voranzutreiben und als Lobby einen entsprechenden Einfluss auszuüben. Es wäre aber zu kurz gedacht, wenn wir annehmen, dass Journalisten sich von diesen Gruppen wie Marionetten steuern ließen. Wir haben es vielmehr mit einem gesamtgesellschaftlichen Wertewandel zu tun, der spätestens mit der 68er-Bewegung begonnen hat und heute alle öffentlichen Bereiche durchdringt. Die Medienangriffe auf die Kirche werden selbstverständlich von konkreten Menschen geplant und durchgeführt, könnten aber nie so erfolgreich sein, wenn sie keinen Resonanzboden in der Gesellschaft finden würden. Die Medien sind teilweise auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die Kirchenskandale zeigen, wie sehr der Glaube in der öffentlichen Meinung inzwischen von den Medien an den gesellschaftlichen Rand gedrängt wurde. An der unzureichenden Gegenwehr von Seiten der Kirche kann man ablesen, wie wenige Menschen sich noch öffentlich zu ihrem Glauben bekennen.

Ist die umfangreiche Medienberichterstattung über Kirchenthemen aber nicht vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Kirche noch präsent ist in der öffentlichen Wahrnehmung?

Sicher, mit Kirchenthemen kann man noch immer Emotionen wecken. Die Kirche ist präsent, wird allerdings entstellt. Die wesentlichen Inhalte des katholischen Glaubens, wie zum Beispiel „warum bin ich auf der Welt?“ oder „erwartet mich noch etwas nach dem Tod?“ oder „wie erlange ich mein ewiges Heil?“, „wie kann mein Leben gelingen?“, werden kaum mehr dargestellt und wenn doch, dann verkürzt oder falsch. Es kommen ja meistens die ewig gleichen Fragen zu Zölibat, Kondomen oder Frauenordination, als ob sich der wesentliche Teil des Glaubens nur noch um diese Dinge drehen würde und dies die wichtigsten Fragen der Menschheit wären. Christliche Würdenträger äußern sich kaum mehr zu moralisch wirklich kritischen Fragen. Wenn sie es doch tun, wird das von den Medien nicht gesendet oder nicht abgedruckt oder entstellt oder es wird skandalisiert, wegen des Gegensatzes zum Zeitgeist. Zum Beispiel verdanken wir das neu erwachte Interesse am Thema „Christenverfolgung“ mehr der Politik – in Gestalt von engagierten Christen wie Herrn Kauder – als abgedruckten Äußerungen von Bischöfen. Dass die Kirche inzwischen medial an den Rand gedrängt wurde, belegen die Skandale selbst. Skandale schaffen und zementieren Normen, die eine gesellschaftliche „Immunreaktion“ auf fremde Ansichten auslösen. Egal, ob in Fragen des Lebensschutzes, der Ehe und Familie oder der Ethik in der Wirtschaft: Die Kirche eckt an. Sie stört den Zeitgeist. Darum macht man sie lächerlich, grenzt ihre Akteure aus und schweigt zu den wirklich wichtigen Themen.

Aber die Kirche verfügt doch selbst über umfangreiche Strukturen. Wieso nutzt sie nicht ihre eigenen Medien und politischen Lobbygruppen, um dem entgegenzusteuern?

Mit „Strukturen“ ist in der Regel die Amtskirche gemeint, an vorderster Stelle in Deutschland die Deutsche Bischofskonferenz. Man muss aber wissen, dass die Letztverantwortung für eine Diözese allein beim Ortsbischof liegt, der in Einheit mit dem Papst und dem Lehramt der Kirche sein soll. Die Kirche ist kein demokratisches Mehrheitsunternehmen, sondern der „Leib Christi“ mit Haupt und Gliedern. Darum ist es nicht so einfach, auf Ebene der Bischofskonferenz eine geschlossene Haltung zu finden. Nötig wäre, auf das sogenannte „Felsenprinzip“, das Einheitsprinzip der Katholischen Kirche, zu schauen. Das bedeutet, darauf zu hören, was das römisch-katholische Lehramt uns zu religiösen und gesellschaftlichen Fragen zu sagen hat. Das würde wieder zu einer starken geschlossenen Haltung führen. Da gibt es in Deutschland sicher einigen Nachholbedarf.

Textquelle: Pressemitteilung von KIRCHE IN NOT, 10. Februar 2014

Foto: Karin Maria Fenbert, Geschäftsführerin KIRCHE IN NOT – Bildquelle: (c) KIRCHE IN NOT

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