Interview über den künftigen Rechtsstatus der FSSPX

Benjamin Greschner im Interview mit Gero P. Weishaupt.
Erstellt von am 20. April 2012 um 16:58 Uhr
Dr. Gero P. Weishaupt

Vor einigen Tagen hat Bischof Fellay laut Medienberichten eine positive Antwort auf die Präambel dem Vatikan zukommen lassen. Das wurde später von Pater Federico Lombardi, dem Pressesprecher des Vatikans, und der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei bestätigt.  Damit ist eine weitere, entscheidende Phase in den Einigungsbemühungen des Papstes eingeläutet. Chefredakteur Benjamin Greschner von kathnews sprach hierüber mit dem Kirchenrechtler und Mitarbeiter von kathnews,  Dr. Gero P. Weishaupt

Hochwürden, was wird nun –  nach dem  Eintreffen der Antwort von Bischof Msgr. Fellay auf die vom Vatikan vorgelegte Präambel zu Beginn dieser Woche – geschehen?

Der Dialogprozess ist mit der Antwort von Msgr. Fellay in das Endstadium getreten. Die Antwort wird nun von der Glaubenskongregation überprüft. Danach wird die Kongregation dem  Heiligen Vater ihr Votum, ihre Empfehlung mitteilen. Dann liegt die Entscheidung beim Papst, ob die Piusbruderschaft vollständig in die Katholische Kirche integriert wird.

Was heisst “vollständig”? Die Piusbruderschaft ist doch noch gar nicht integriert.

Man darf nicht vergessen, dass der Papst im Januar 2009 die Exkommunikation der vier von Erzbischof Marcel Lefebvre im Juni 1988 unerlaubt geweihten Bischöfe aufgehoben hat. Damit waren die mit einer Exkommunikation verbundenen Rechtsverluste ebenfalls aufgehoben worden. Das konnte der Papst tun, weil die durch die Exkommunikation Betroffenen vorher  ihre Loyalität gegenüber dem Papst bekundet und damit einen Sinneswandel zu erkennen gegeben hatten. Die Exkommunikation ist eine Beuge- bzw. Medizinalstrafe. Sie zielt auf die Besserung des Täters. Daraus folgt: Sobald der Exkommunizierte  glaubwürdig Besserung  und Sinneswandel signalisiert, hat er einen Rechtsanspruch auf Straferlass. Der Papst hat dem folgerichtig  mit der Aufhebung der Exkommunikation entsprochen.

Die Aufhebung der Exkommunikation war also kein Gnadenakt, wie in den Medien immer wieder behauptet wurde. Die Bischöfe hatten auf den Erlass der Exkommunikation nach ihrem Sinneswandel einen Anspruch. Zugleich machte die Aufhebung der Exkommunikation den Weg frei für den doktrinellen Dialog mit der Piusbruderschaft. Ziel des Dialoges war von Anfang an die volle Integration der Piusbruderschaft in die Katholische Kirche. Damit meine ich die Verleihung eines kirchenrechtlichen Status für die Piusbruderschaft innerhalb der Katholischen Kirche.

Allenthalben wird in letzter Zeit in diesem Zusammenhang davon gesprochen, dass die Piusbruderschaft eine Personalprälatur werden soll.  Können Sie  dazu was sagen?

Wenn der Papst positiv auf das Antwortschreiben von Msgr. Fellay reagiert, dann geht es darum, die für die Piusbruderschaft adäquate kanonische Struktur zu finden. Man darf wohl davon ausgehen, dass diese kanonische Struktur im Vorfeld der anstehenden Entscheidung des Papstes bereits gefunden worden ist. Ob es sich dabei um eine Personalprälatur handelt, darüber wird neuerdings spekuliert. In der Vergangenheit hieβ es auch, dass die Piusbruderschaft ein Personalordinariat werden würde, so wie das bei den in die Katholische Kirche zurückgekehrten Anglikanern der Fall ist.

Welche kirchenrechtliche Struktur eine Gemeinschaft bekommt, das hängt von Ihrer Natur,  ihrer Sendung in der Kirche  und die damit verbundene  Zielsetzung ab.  Personalprälaturen bestehen vornehmlich aus Priestern und Diakonen des Weltklerus. Es sind also keine Ordensgemeinschaften  oder  Gesellschaften des Apostolischen Lebens. Der ureigene Auftrag einer Personalprälatur  ist die Verteilung von Priestern und die Verwirklichung besonderer seelsorglicher und missionarischer Werke in verschiedenen Regionen oder unterschiedlicher sozialer Verbände, sagt das Kirchenrecht (can. 294).  Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seinem Priesterdekret Presbyterorum Ordinis u.a. die Priesterverteilung und den Priesternachwuch thematisiert (PO, Nr. 10). Es geht dabei um die Sendung von Priestern in priesterarme Regionen. Damit sind vor allem, aber nicht nur, Missionsgebiete gemeint. Wenn man bedenkt, dass auch die Länder der westlichen Welt durch die Glaubens- und Kirchenkrise unserer Tage Missionsländer geworden sind, dann ist klar, dass eine Personalprälatur auch und gerade  in unseren Ländern ein enormes missionarisches und apostolisches Arbeitsfeld vorfindet. Im Rahmen der Neuevangelisierung  spielt die Tradition eine wesentliche Rolle. Darüber ist sich der Papst im Klaren. Die Tradition ist das Ferment im Prozess der Neueevangelisierung, möchte ich behaupten. Die Piusbruderschaft kann in diesem Sinne wichtige Seelsorgsaufgaben übernehmen, indem sie in Bildungseinrichtungen und Besinnungszentren tätig wird. Die Priester der Piusbruderschaft könnten in Pfarreien eingesetzt werden und in der kategorialen Seelsorge segensreich wirken.

Aber ist die Piusbruderschaft dann nicht auch sterker eingebunden in eine Diözese? Wie soll sie wirken können, wenn ein Bischof sie  in  seine Diözese nicht aufnehmen möchte? In einer Mitteilung , die nur an die Priester der FSSPX gerichet war, hat Msgr. Fellay  an die Prinzipien erinnert, die die Bruderschaft in ihren Beziehungen zu Rom leiteten. Entscheidend sei dabei, dass von der Bruderschaft keine Zusicherungen verlangt würden, die den Glauben berühren und das, was sich davon ableitet, also Liturgie, Sakramente, Moral und Disziplin. Zudem müsse der Priesterbruderschaft „Freiheit und Aktionsautonomie“ garantiert werden, die es ihr erlaube, zu wirken und sich zu entfalten.

Hier sehe ich tatsächlich ein Konfliktpotenzial, wenn die Piusbruderschaft den kanonischen Status einer Personalprälatur erhält, zumindest wenn man von den Vorgaben des Kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983) bezüglich einer Personalprälatur ausgeht. Wenn die Piusbruderschaft bei ihrem künftigen Wirken “Freiheit und  Aktionsautonomie” beansprucht, die es ihr erlaubt, “zu wirken und sich zu entfalten”, dann frage ich mich, ob der Status einer Personalprälatur für die Piusbruderschaft wohl der geeignete sein wird. Denn man muss wohl damit rechnen,  dass nicht jeder Bischof die Piusbruderschaft in seiner Diözese wirken lassen will. Andererseits  bin ich überzeugt, dass dieser Umstand  auch in den Vorbereitungen auf die vollständige Integration der Piusbruderschaft in Gesprächen und Verhandlungen in Rom  mitbedacht worden ist.

Zwar ist es so, dass eine Personalprälatur vom Apostolischen Stuhl und nicht von einer Bischofskonferenz oder einem Diözesanbischof errichtet wird (can. 294) und der Prälat, der auch immer, auch wenn er nicht Bischof ist, eigener Ordinarius (ordinarius proprius) ist, also kein Stellvertreter bzw. Vikar ist (can. 295 § 1), doch bei der Errichtung einer Personalprälatur, dessen Statuten vom Apostolischen Stuhl erlassen werden, muss der Apostolische Stuhl die jeweilige Bischofskonferenz, in deren Territorium die Personalprälatur tätig sein soll, vorab hören (can. 294). Eine Zustimmung der Bischofskonferenz ist zwar nicht gefordert, aber der Heilige Stuhl wird die Bedenken einer Bischofskonferenz ernst nehmen. Dennoch hat der Apostolische Stuhl die Freiheit, auch gegen die Bedenken einer Bischofskonferenz eine Personalprälatur einzurichten. Damit ist aber noch nicht die “Freiheit und Aktionsautonomie” der Bruderschaft gesichert. Denn can. 297 bestimmt: “Die Statuten haben ebenso das Verhältnis der Personalprälatur zu den Ortsordinarien zu bestimmen, in deren Teilkirchen die Prälatur ihre seelsorglichen und missionarischen Werke nach vorausgehender Zustimmung des Diözesanbischofs ausübt oder auszuüben beabsichtigt.” Die Bischöfe haben die volle Hirtensorge in ihrer Diözese. Darum ist es ihr Recht zu bestimmen, wer in ihrer Teilkirche Seelsorge ausübt, über die sie als Oberhirten wachen müssen. Darum räumt der Gesetzgeber den Diözesanbischöfen ein Zustimmungsrecht ein, wenn es darum geht, eine Personalprälatur in ihrem Territorium einzurichten. Die Piusbruderschaft wäre also in ihrem Apostolat in der Diözese vom Wohlwollen des jeweiligen Bischofs abhängig. Die von Msgr. Fellay geforderte “Freiheit und Aktionsautonomie” sowie die Möglichkeit „zu wirken und sich zu entfalten“, sehe ich nicht garantiert, wenn ein Bischof sich gegen das Wirken der Piusbruderschaft als Personalprälatur in seiner Teilkirche entscheiden kann.

Aus diesem Grund halte ich  – von der Perspektive der Piusbruderschaft aus betrachtet – den kanonischen Status einer Personaprälatur für nicht geeignet. Zumindest wenn man von den Vorgaben des Kirchlichen Gesetzbuches in Sachen Personalprälatur ausgeht. Denkbar wäre nämlich auch, dass der Papst als der höchste Gesetzgeber der Piusbruderschaft als Personalprälatur einen Sonderstatus auf der Grundlage eines Sonderrechtes zubilligt, das der Piusbruderschaft als Personalprälatur mehr Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber den Diözesanbischöfen bieten würde als das allgemeine Kirchenrecht in seinen Canones über die Personalprälatur (cann. 294 bis 297) vorsieht. Das liefe auf eine Gesetzesänderung hinaus, die aber dann nur für die Piusbruderschaft gelte. Denn eine Statutenänderung darf nicht über das Rahmengesetz, hier den CIC/1983 hinausgehen. Also muss es zu einer Gesetzesänderung kommen, die nur für die Piusbruderschaft gilt.  Man spricht hier kirchenrechtlich von einem Privileg, einem vom allgemeinen Recht abweichenden Sonderrecht für eine bestimmte physische oder juristische Person. Wenn auf diese Weise freieres, unabhänigeres, vornehmlich dem Papst als dem Obersten Hirten der Weltkirche, dem höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt zukommt (can. 331) und der damit auch direkt, wenn erforderlich, in die Geschicke einer Diözese hinein wirken kann, untergeordnetes Wirken möglich ist, könnte ich mir das künftige freie und autonome Wirken der Piusbruderschaft als Personalprälatur vorstellen.

Und wie sähe das für die andere Variante aus, das Personalordinariat?

Hier gäbe es tatsächlich mehr rechtliche Möglichkeiten für eine  “Freiheit und Autoritätsautonomie”, ohne Sonderrechte/Privilegien schaffen zu müssen, die es der Piusbruderschaft erlauben würde, “zu wirken und sich zu entfalten”, wie es Bischof Fellay forderte.

Ein Personalordinariat ist einer Diözese, also einer territorialen Teilkirche, verfassunsgrechtlich gleichgestellt. Das ist bei der Personalprälatur nicht der Fall, die auch keine verfassungsrechtliche, sondern eher eine verbandsrechtliche Gröβe ist. Aber hier gehen die Meinungen der Kirchenrechtler auseinander. Darauf möchte  hier nicht weiter eingehen. Das Ordinariat heiβt “personal”, weil es nicht territorial umschrieben und begrenzt ist, wie ein Bistum (Diözese), sondern personal, d.h. durch die ihr angehörigen Personen. Im Falle  der Piusbruderschaft sind das ihre Mitglieder, also die Kleriker, Ordensleute und die anderen Gläubigen. Der Personalordinarius übt sein Amt im Namen des Papstes aus, ist also kein eigener Ordinarius (ordinarius proprius), sondern er hat eine Stellvertretungsfunktion. Die Bindung an den Papst ist damit stärker als die des Ordinarius einer Personalprälatur. Errichtet wird eine Personalordinariat durch den Apostolischen Stuhl, der allerdings wie  bei der Personalprälatur vor der Errichtung die  jeweilige Bischofskonferenz gehört haben muss, in deren Territorium das Personalordinariat  wirken soll. Aber auch hier ist, wie bei der Errichtung einer Personalprälatur,  eine Zustimmung der Bischofskonferenz nicht gefordert. Der Apostolische Stuhl ist also auch hier im Grunde frei, wird aber etwaige Einwände der Bischofskonferenz bei der Entscheidung der Errichtung eines Personalordinaritates berücksichtigen müssen.

Geht man von den rechtlichen Bestimmungen für die Personalordinariate der katholisch gewordenen Anglikaner aus, die auch – zumindst analog – auf ein mögliches Personalordinariat der Piusbruderschaft anzuwenden sind, dann sind die Personalordinarien auch Vollmitglieder der jeweiligen Bischofskonferenzen mit Stimmrecht. Inwieweit eine Mitgliedschaft von Personalordinarien der Piusbruderschaft von den Bischofskonferenzen gewünscht wird , wage ich nicht zu sagen. Konflikte sind nicht auszuschliessen.

Aber entscheidender im Hinblick auf die Freiheit und die “Aktionsautonomie” der Piusbruderschaft als Personalordinariat ist die Errichtung von Personalpfarreien durch den Personalordinarius. Die Errichtung von Personalpfarreien ist nämlich nicht an die Zustimmung des Diözesanbischofs gebunden.  Gefordert wird lediglich, dass der Personalordinarius  den Bischof über den Plan der Errichtung einer Personalpfarrei in der Territorialdiözese informieren und hören soll. Von der Zustimmung des Bischofs ist er nicht abhängig. Die Zustimmung muss vorab beim Apostolischen Stuhl eingeholt werden.  Hier ist also eine grössere Unabhängigkeit gegenüber den Diözesanbischöfen erkennbar.

Es liegt zudem in der Freiheit der Gläubigen, die Seelsorge der Personalpfarreien in Anspruch zu nehmen.  Vereinbarugen zwischen dem Diözesanbischof und dem Personalordinarius sind immer dann erforderlich, sooft der Klerus in der Diözese Seelsorge ausüben soll. Aber das gilt ebenso für Kleriker von Personalprälaturen, Ordensgemeinschaften und Gesellschaften des Apostolischen Lebens.  Grundsätzlich gilt immer: Wenn der Klerus in der Diözese wirken soll, bedarf es der Einwilligung des Ortsordinarius, der als eigener Hirte seiner Diözese  selbstvertändlich  für die Seelsorge in seiner Teilkirche verantwortlich ist und diese kontrollieren muss. Der Bischof hat als Hirte über seine Teilkirche eine Aufsichtspflicht.

Es wird sich zeigen, welche kirchenrechtliche Struktur die Piusbruderschaft nach erfolgreichem Abschluss der Gespräche mit dem Apostolischen Stuhl erhalten wird. Ich bin überzeugt, dass der Papst klug und weise handeln wird. Er wird der Piusbruderschaft den Status verleihen, der ihrem Auftrag in der Kirche gerecht wird und ihre “Freiheit und Aktionsautonoie” garantiert, aber  zugleich wird er die Stellung der Diözesanbischöfe, die ihnen vom Recht zugewiesen werden,  nicht beschränken.

Vielen Dank, Hochwürden, für dieses instruktive Interview.

Foto: Gero Weishaupt – Bildquelle: Privat

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