„Handreichung“ des Bistums Trier rechtlich nicht bindend

Ein Interview mit dem Kirchenrechtler Dr. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 1. April 2019 um 19:14 Uhr
Bischof Stephan Ackermann

Trier (kathnews). Am 29.03.2019 titelte die Tagespost „Bistum Trier erlaubt Kommunion für nicht-katholische Ehepartner“. Demnach empfiehlt der Trierer Bischof Stephan Ackermann die von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte und von namhaften Theologen und auch Laien scharf kritisierte Handreichung frei zur Anwendung. Kathnews sprach dahingehend mit dem Kirchenrechtler Hw. Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt.

Kathnews: Dr. Weishaupt, gibt es zwischenzeitlich eine Antwort aus Rom hinsichtlich der von der Deutschen Bischofskonferenz ausgearbeiteten Handreichung zum Empfang der hl. Kommunion durch den evangelischen Ehepartner einer konfessionsverschiedenen Ehe?

Bisher gibt es keine Antwort aus Rom. Es ist zu hoffen, dass sie bald erscheint, damit eine alle bindende Interpretation des can. 844 § 4 vorliegt, die Grundlage für eine einheitliche Praxis ist.

Kathnews: Wie lautet die derzeit gültige und bindende Lehre der katholischen Kirche zu dieser Thematik?

Can. 844 des kirchlichen Gesetzbuches nennt die Bedingungen für die Spendung und den Empfang der Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung durch nichtkatholische Christen. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Angehörigen von Kirchen und von kirchlichen Gemeinschaften, die (noch) nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen. Die Gemeinschaften der orientalischen Christen werden Kirchen, die, die aus der Reformation im Westen entstanden sind, kirchliche Gemeinschaften genannt. Bei den Christen der Kirchen des Ostens sind die Voraussetzungen für Spendung und Empfang der Sakramente durch einen katholischen Priester von der Natur der Sache her gering. Das hängt damit zusammen, dass diese Kirchen das Weiheamt, die Eucharistie und die anderen Sakramente haben. Anders verhält es sich mit den kirchlichen Gemeinschaften (Protestanten, Anglikaner etc). Sie haben kein gültiges Weihesakrament und infolge dessen auch keine gültige Eucharistie und andere Sakramente. Da aber die genannten drei Sakramente zugleich auch Heilsmittel sind, dürfen Christen, die einer kirchlichen Gemeinschaft angehören, nach can. 844 § 4 diese Sakramente empfangen, “ (w)enn Todesgefahr besteht oder wenn nach dem Urteil des Diözesanbischofs beziehungsweise der Bischofskonferenz eine andere Notlage dazu drängt“. Nach dem bisherigen päpstlichen Lehramt und der Kirchenrechtswissenschaft  ist unter Notlage keine konfessionsverschiedene Ehe oder ein „geistliches Bedürfnis“ des nichtkatholischen Ehepartners im Sinne einer subjektiven Verlangens zu verstehen. Zu einer Notlage gehören objektive Kriterien, wie z. B. ein Krieg, eine Gefangenschaft oder eine Naturkatastrophe.

Kathnews: Da es laut der Tagespost keine einheitliche Position der deutschen Bischöfe bezüglich des Empfangs der hl. Kommunion durch den evangelischen Ehepartner einer konfessionsverschiedenen Ehe gibt, wurden seitens der Deutschen Bischofskonferenz die Annahme und die Anwendung des Textes in die Verantwortung des jeweiligen Ortsbischofs gelegt. Sind die Ortsbischöfe überhaupt dazu befugt weltkirchliche Vorgaben in ihren Diözesen individuell frei zu verändern und umzusetzen?

Jeder Bischof kann Gesetze für seine Diözese erlassen. Ebenso ist eine Bischofskonferenz innerhalb des vom Gesetzbuch vorgegeben Rahmens befugt, Gesetze (Allgemeine Dekrete) für ihren Bereich zu erlassen (can. 455). Außerdem kann jeder Bischof und jede Bischofskonferenz Ausführungsbestimmungen zu universalkirchlichen oder partikularkirchlichen Gesetzen herausgeben. Und natürlich steht es ihnen auch frei, pastorale Handreichungen zur Umsetzung von Gesetzen zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung bei Partikulargesetzen, bischöflichen Ausführungsbestimmungen und pastoralen Handreichungen ist alledings, dass sie dem Gesetz, zu dessen Erklärung und Ausführung sie erlassen worden sind, nicht widersprechen. Im Falle des Widerspruchs sind Ausführungsbestimmungen ungültig und nicht bindend. Was die Handreichung angeht – um eine solche geht es ja hier – so ist zu sagen, dass sie, auch wenn sie dem Gesetz gemäß wäre, keinerlei rechtliche Bindungen hat. Eine pastorale Handreichung drückt Empfehlung aus, gibt Hinweise, kann aber niemals rechtlich verpflichten, auch wenn sie gesetzeskonform wäre.

Kathnews: Wie kann es sein, dass in einigen deutschen Diözesen evangelische Christen offiziell vom Ortsbischof zum Empfang der hl. Kommunion eingeladen werden, während dies in anderen Bistümern, beispielsweise im Erzbistum Köln nicht möglich ist?

Der Erzbischof von Köln weiß, dass eine solche den Glauben der Kirche zutiefst berührende Regelung nur auf weltkirchlicher Ebene vorgenommen werden kann. Ein Alleingang hätte das Potential einer Kirchenspaltung. Darum hat Kardinal Woelki vernünftigerweise und aus Sorge um die Einheit der Kirche bisher keine Handreichung veröffentlicht. Er wartet auf eine authentische Interpretation des can. 844 § 4 aus Rom. Bis dahin gilt im Erzbistum Köln die bisherige Praxis.

Kathnews: Warum ist es evangelischen Christen nicht möglich, die heilige Kommunion zu empfangen?

Es bestehen noch Differenzen in Glaubens- und Sittenfragen. Das Zweite Vatikanische Konzil erkennt zwar kirchliche Elemente in diesen kirchlichen Gemeinschaften an, die als solche katholische Elemente sind, gleichwohl haben diese Gemeinschaften die Fülle des Kircheseins (noch) nicht erreicht. Die wahre Kirche Christi ist einzig in der Römischen Katholischen Kirche verwirklicht (vgl. Vat II., Lumen gentium, Art. 8). Darum ist Ziel der Ökumene, des ökumensichen Dialogs und allen ökumenischen Miteinanders, dass die von der Katholischen Kirche getrennten Christen voll in die Katholische Kirche eingegliedert werden (vgl. Vat II., Unitatis redintegratio, Nr. 3). Man kann hier tatsächlich von einer „Rückkehrökumene“ sprechen, auch wenn das Konzil diesen Begriff nicht nennt und von „voller Eingliederung“ (plena incorporatio) der nichtkatholichen Christen spricht. Erst nach der vollen Eingliederung der evangelischen Christen in die Kirche Christi ist die äußere Kircheneinheit wiederhergestellt. Da die Eucharistiegemeinschaft, d.h. der Empfang der heiligen Kommunion Glaubens- und Kircheneinheit voraussetzt, ist eine sakramentale Kommunion für die Christen der kirchlichen Gemeinschaften – wozu auch die evangelischen Christen gehören – zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Die volle Eingeliederung wird durch die Bejahung des dreifachen Bandes des Glaubens, aller sieben Sakramente und der kirchlichen Leitung (unter dem Papst und den Bischöfen) verwirklicht.

Kathnews: Warum sollte man als Katholik für den würdigen Empfang der hl. Kommunion noch den Beichtstuhl aufsuchen, währenddessen die evangelischen Christen ohne den Empfang des Bußsakraments die hl. Kommunion empfangen dürfen?

Diese Frage geht von der Prämisse aus, dass evangelisch sein eine Sünde wäre. Das ist aber nicht der Fall. Man kann die Kirchenspaltung, die Martin Luther vor mehr als 500 Jahren verursacht hat, den nachfolgenden Christen, die in die evangelische Kirche hineingeboren und in ihr sozialisiert und aufgewachsen sind, moralisch nicht anrechnen.  Wenn ein Katholik aber in die evangelische Kirche einträte, wäre er exkommuniziert. Er könnte aus diesem Grund nicht die Kommunion empfangen. Den evangelischen Christen  ist der Empfang der heiligen Kommunion nicht möglich, weil sie nicht in der vollen sichtbaren Gemeinschaft mit der Kirche Christi leben. Und diese besteht in ihr Fülle in der Römische Katholischen Kirche, d.h. in der vom Nachfolger des Apostels Petrus und von den Bischöfe als den Nachfolgern der Apostel zusammen mit dem Papst geleiteten Kirche Jesu Christi.

Kathnews: Wenn einem evangelischen Partner an der Teilnahme der hl. Eucharistie wirklich so viel liegt, wäre es dann nicht konsequenter diesem Menschen eine Konversion zum katholischen Glauben zu empfehlen, als eine Handreichung?

Für den Empfang der heiligen Kommunion ist – abgesehen von den Notsituationen, die der Gesetzgeber in can. 844 § 4 im Auge hat – die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche notwendige Voraussetzung. Darum hat die Pastoral auf die Konversion des evangelischen Partners in die Katholische Kirche hinzuwirken, wenn dieser ein „geistliches Bedürfnis“ empfindet, den Leib Christi im Sakrament der heiligen Kommunion zu empfangen. Die Handreichung nimmt die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht ernst. Sie scheint nämlich von der vollen Eingliederung des evangelischen Ehepartner in die Römische Katholische Kirche abzusehen. Das deutet eher auf eine Ökumene der Koexistenz von katholischer Kirche und der kirchlichen Gemeinschaft der evangelischen Christen hin.  Kircheneinheit im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils meint jedoch nicht Koexistenz der Konfessionen, ebensowenig ihre „versöhnte Verschiedenheit“. Die Einheit ist verwirklicht, wenn die evangelischen Christen in die wahre Kirche Christi, die in der Römisch Katholischen Kirche „subsistiert“, voll eingegliedert sind (Vat II, Unitatis redintegratio, Nr. 3). Wenn der evangelische Ehepartner in einer konfessionsverschiedenen Ehe jetzt schon die heilige Kommunion empfangen darf, obwohl keine Notsituation besteht, dann weckt dies den Eindruck, als ob man sich mit dem Status quo in der Ökumene zufrieden gibt und eine Kircheneinheit im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils für nicht erforderlich hält.

Kathnews: Wie sollen sich betroffene Menschen verhalten, die in einer konfessionsverschiedenen Ehe Leben? Ist der Empfehlung des Ortsbischofs gemäß Handreichung Folge zu leisten?

Den Schmerz über die Trennung mit der Gnade Gottes gemeinsam tragen und für die Einheit der getrennten Christen unaufhörlich beten.

Kathnews: Vielen Dank für das Interview!

Foto: Trierer Bischof Ackermann – Bildquelle: Wikipedia/Spurzem – Lothar Spurzem

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