„Gott hat gesprochen“ – III. Teil
Gott ist das Thema, das die Kirche vorzugeben hat. Und Gott ist nie ein belangloses oder randständiges Thema; die Frage nach Gott ist immer virulent, immer akut, immer modern. Denn die eigentliche Frage, die der Mensch – offen oder verschüttet – in sich trägt, ist die Frage nach dem letzten Sinn, also nach Gott. Wir müssen heute zudem davon ausgehen, dass es für die irdische Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten von größter Bedeutung ist, ob sie die Gottesfrage atheistisch verweigert oder ob wir uns ihr mit religiösem Enthusiasmus stellen. Und es ist weiterhin von entscheidender Bedeutung, welche Antworten die Menschen auf die Gottesfrage finden. Es ist nicht egal, ob diese Antworten christlich, muslimisch oder östlich-gnostisch ausfallen. Ich fürchte, dass Samuel P. Huntington im Kern recht behalten wird und der Clash of Civilizations (wörtlich eigentlich „Zusammenprall der Kulturen“, im deutschen Buchtitel dann mit „Kampf der Kulturen“ übersetzt), in dem wir uns partiell bereits befinden und der vermutlich noch stärker werden wird, auch ein Clash of Religions (Zusammenprall der Religionen) sein wird. Wir stehen jetzt schon in einem postmodernen und leider auch postchristlichen Wettbewerb von unterschiedlichen religiösen Vorstellungen.
Bei uns im Westen dominiert zwar noch die saturierte Lauheit einer materialistischen Weltsicht, an deren Rändern sich gerade einmal ein bequemer Eklektizismus von New Age und Esoterik ereignet. Doch wird es so bleiben? Sind wir nicht mit Gottesbildern konfrontiert, die diesen Dornröschenschlaf der Religiosität bald beenden werden?! Zudem hat die seit 2008 grassierende Wirtschaftskrise mit ihren platzenden bubbles rein innerweltlicher Glücksvorstellungen die Menschen auch zusehends sensibler für die Frage nach Gott gemacht. Darum müssen wir uns die Frage stellen, an welchen Gott wir glauben. Papst Benedikt XVI. antwortet: „An den von Christus geoffenbarten Gott, der die Liebe ist, weil er in sich dreifaltig ist.“
Man hat das Gefühl, dass Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. es gleichsam als seine von Gott zugedachte Sendung betrachtet, diese Quelle freizulegen und mit argumentativer Brillanz zu fassen. Unablässig thematisiert er als das Zentrale des christlichen Glaubens, dass uns Jesus Christus das Innerste Gottes, das Wesen Gottes, geoffenbart hat: die Einsicht in die Göttlichkeit Gottes als „die Liebe“. Besonders eindrucksvoll findet sich die Rückbindung des Christlichen an die durch Jesus ermöglichte Wesensschau Gottes in einer Passage seines Buches Jesus von Nazareth. In dieser mittlerweile häufig zitierten Passage wirft er die Frage auf: „Aber was hat Jesus dann eigentlich gebracht, wenn er nicht den Weltfrieden, nicht den Wohlstand für alle, nicht die bessere Welt gebracht hat? Was hat er gebracht?“ Und er setzt prägnant fort: „Die Antwort lautet ganz einfach: Gott. Er hat Gott gebracht. Er hat … diesen Gott, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den wahren Gott, hat er zu den Völkern der Erde gebracht. Er hat Gott gebracht: Nun kennen wir sein Antlitz, nun können wir ihn anrufen …“
Das Wesen des Menschen ist es, sich nach dem Letzten zu sehnen. Von Natur aus ist der Mensch als ens religiosum et transcendentale (als religiöses und transzendentales Seiendes) geschaffen. Er ist ein durch und durch religiöses Wesen, da er kraft seiner Geistigkeit gleichsam dazu verurteilt ist, seine Erfahrungswelt zu übersteigen und nach einem größeren Dahinter zu fragen. Der Mensch ist nach den Worten der Heiligen Schrift dazu veranlagt, „Gott zu suchen, ob er ihn ertasten und finden könnte“ (Apg 17,27). Aber dieses menschenwesentliche Fragen, Suchen und Ertasten hat in Jesus Christus ein Ende gefunden. Er ist die endgültige, einzigartige Antwort Gottes auf die Suche der Religionen und das Tasten der Philosophien. Er ist das Wort, in dem sich Gott selbst dem fragenden Menschen gegenüber als antwortender Mensch ausspricht. Christus ist die letzte und endgültige Offenbarung Gottes. Durch ihn hat Gott der Welt alles gesagt und gegeben, nämlich sich selbst. Gott kann das Wort, das er in Christus zur Welt gesprochen hat, nicht mehr überbieten, denn er hat sich selbst ganz und restlos ausgesprochen, geschenkt, hingegeben.
Es ist das Wesen aller Religionen, sich im Raum des Fragens auf Gott hin zu bewegen. Schon das gemeinsame Suchen und Fragen nach den letzten Gründen ist an sich wichtig für die Verständigung der Menschen und das Zusammenfinden der Völker. Aus dem bloßen Fragen aller nach dem Letzten, dem Sinnhaften, dem Gemeinsamen, dem Göttlichen oder nach etwas anderem kann man auch eine solche Idee wie das „Weltethos“ à la Hans Küng konstruieren. Dessen Erfolg bleibt aber doch sehr fraglich, da das pluralistische Religionsethos ja immerdar von den Religionen verlangen muss, ihren jeweiligen Anspruch zu relativieren. Die Religionen bleiben ja nicht beim bloßen Fragen stehen, sondern stellen den Anspruch, Antworten auf die letzten Fragen gefunden zu haben. Auch und gerade das Christentum versteht sich nicht als Gemeinschaft von bloßen religiösen Gottsuchern, sondern der christliche Glaube besteht im Wesentlichen darin, dass unsere Sehnsucht nach Gott bereits eine Antwort durch den sich offenbarenden Gott gefunden hat. Der Glaubende steht bereits im Raum der „Antwort Gottes auf die Frage nach ihm“.
Über den Autor: Pater Karl Josef Wallner, geboren 1963 in Wien, ist Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz im Wienerwald und Rektor der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz, an der er Dogmatik und Sakramententheologie lehrt. Er hat zahlreiche Bücher verfasst; sein Bestseller „Sinn und Glück im Glauben“ erscheint bereits in der 3. Auflage.
Gebunden, 255 Seiten , € 17,95 (D), € 18,50 (A)
ISBN 978-3-9813003-4-5