„Gott hab‘ ihn selig!“
Otto von Habsburg war einer der interessantesten Menschen, denen ich je begegnet bin. Er wusste so ziemlich alles über das Leben, über Kultur, Soziales, Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik und Geschichte. Er war ein wandelndes Lexikon, immer bereit den interessierten Zuhörer an seinem Wissen teilhaben zu lassen, zu debattieren, aber auch zu Dozieren. Das war faszinierend. Nie ist er dabei belehrend aufgetreten oder gar mit seinem Wissen protzend. Nein, er war dabei stets bescheiden und formvollendet höflich. Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Es ist ihm sogar gelungen, seine Kinder so stark für sich einzunehmen, dass diese freiwillig und mit großer Liebe und Enthusiasmus für seine Ziele eingetreten sind. Sie haben seine Sache zu ihrer eigenen gemacht, wie viele andere auch, die der Erzherzog zu faszinieren verstanden hat. Ein ganz großer Motivator, der seine visionäre Europa-Idee immer verfolgt hat, auch wenn er manchmal schmerzlich spüren musste, wie wenig er vom Mainstream verstanden wurde.
Otto von Habsburg war ein ganz Großer, der demütig niederknien konnte vor seinem Herrgott, der die Menschen mit seiner bescheidenen Höflichkeit für sich gewinnen konnte. Ich bin froh, ihn gekannt zu haben, bin froh, immer seine Gesellschaft gesucht zu haben, denn ich habe jedes Mal etwas Wertvolles gelernt.
Als er einmal vor mir in seinen Kalender schaute und ich sah wie viele Termine eingetragen waren, äußerte ich  großes Erstaunen darüber, dass ein Mann der an die 90 Jahre alt war noch so viele Termine wahrnehmen konnte. Da zeigte er mir ganz stolz was er in den nächsten Tagen vorhatte: Vortrag vor der Loge des großen Orients. „Oh lal a“, sagte ich, „Du sprichst bei den Maurern?“ – „Ja“, sagte er, „wenn der heilige Bonifatius nicht zu den Germanen gepredigt hätte, wären die Deutschen immer noch Heiden“.
Gott hab‘ ihn selig – wir jedenfalls bewahren dankbar sein Andenken.