Glaubensgehorsam als freie Antwort des Menschen auf die Selbstmitteilung Gottes

Nicht Bruch, sondern Erneuerung (Reform) in Kontinuität. Die Offenbarungskonstitution Dei Verbum (Vaticanum II) führt den Begriff des Glaubensgehorsams in Kontinuität zu dem von Dei Filius (Vaticanum I) organisch weiter.  Artikel 5 von Dei Verbum. Einleitung und Text.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 7. August 2015 um 16:03 Uhr
Vaticanum II, Papst Paul VI.

Einleitung von Gero P. Weishaupt:

Wenn die eigentliche Quelle der Offenbarung Gott selber ist, der sich den Menschen in der Geschichte mitteilt – Offenbarung als Selbstmitteilung Gottes – dann kann der Glaube als Antwort des Menschen auf diese Selbstmitteilung Gottes nicht zu zuerst ein Für-wahr-Halten dessen, was Gott geoffenbart hat, sein, sondern ein Glaubensgehorsam, in dem „sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit“ überantwortet und Gottes „Offenbarung willig zustimmt“ (DV 5).

Dei Verbum hebt Aussagen in Dei Filius nicht auf, sondern setzt sie voraus und führt fort.

Der lateinische Text von Dei Verbum spricht nicht mehr von den revelata – das, was (von Gott) geoffenbart worden ist -, wie es das Erste Vatikanische Konzil noch in seiner Konstitution Dei Filius formuliert hat (vgl. DS 3008), sondern von der revelatio, der Offenbarung, d.h. der Selbstmitteilung des sich offenbarenden Gottes.  Dieser stimmt der Mensch „als ganzer in Freiheit“ zu. Damit weitet das Zweite Vatikanische Konzil den auf das Intellektuelle verengten Glaubensgehorsam, wie ihn Vaticanum I im neuscholastischen Kontext seiner Zeit auffaßte, auf einen diesen nicht ausschließenden (!!!), sondern mitumfassenden Begriff von Glaubensgehorsam, der als freie personale Antwort des Menschen auf die Selbstmitteilung Gottes verstanden wird. Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzil lösen den Begriff des Glaubensgehorsams aus seiner Einseitigkeit. Das aber besagt: „Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Textes ist der Glaube zwar auch ´Zustimmung` zur Offenbarung Gottes, aber weit mehr als das“ (Otto Hermann Pesch). Joseph Ratzinger kommentiert: „Mit dieser Umwandlung von den revelata (dem, was geoffenbart worden ist, also den geoffenbarten Wahrheiten; GPW) zur revelatio (Offenbarung; GPW) ist eine Neusicht eröffnet, die wiederum keineswegs die intellektuelle Komponente des Glaubens aufhebt, aber sie eben als Komponente in einem umfassenden Ganzen versteht“ (LThK, Erg. II, 513).

Reform in Kontinuität

Die AusfĂĽhrungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ĂĽber den Glaubensgehorsam im gegenständlichen Artikel nehmen im wesentlichen Aussagen von Dei Filius des Ersten Vatikanischen Konzils auf, fĂĽhren den Begriff des Glaubengehorsams aber weiter. Auch im Verständnis von Glauben bzw. Glaubensgehorsams (oboedientia fidei) als freie personale Ăśberantwortung des Menschen an Gott, aus der die Zustimmung zu den von Gott geoffenbarten Wahrheiten folgt, zeigt sich wiederum eine Reform in Kontinuität, die den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils am Herzen lag. Vaticanum II vollzieht keinen Bruch mit der Tradition, sondern formuliert in organischer Einheit mit dem Alten und in Treue zur Tradition – hier Vaticanum I –  neue Einsichten. Altes wird aufgegriffen und fortgefĂĽhrt.

Deutscher und lateinischer Text von Dei Verbum, Artikel

Dem offenbarenden Gott ist der „Gehorsam des Glaubens“ (Röm 16,26; vgl. Röm 1,5; 2 Kor 10,5-6) zu leisten. Darin ĂĽberantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich „dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft“ (4) und seiner Offenbarung willig zustimmt. Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und „es jedem leicht machen muĂź, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben“ (5). Dieser Geist vervollkommnet den Glauben ständig durch seine Gaben, um das Verständnis der Offenbarung mehr und mehr zu vertiefen.

Deo revelanti praestanda est oboeditio fidei (cf. Rom 16,26; coll. Rom 1,5; 2 Cor 10,5-6), qua homo se totum libere Deo committit „plenum revelanti Deo intellectus et voluntatis obsequium“ praestando (4) et voluntarie revelationi ab Eo datae assentiendo. Quae fides ut praebeatur, opus est praeveniente et adiuvante gratia Dei et internis Spiritus Sancti auxiliis, qui cor moveat et in Deum convertat, mentis oculos aperiat, et det „omnibus suavitatem in consentiendo et credendo veritati“(5), Quo vero profundior usque evadat revelationis intelligentia, idem Spiritus Sanctus fidem iugiter per dona sua perficit.

Foto: Papst Paul VI. in der Konzilsaula – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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