Gaudium et spes. Artikel 7

Einleitung von Gero P. Weishaupt: Wenn man bedenkt, dass die Pastoralkonstitution Gaudium et spes am 7. Dezember 1965 als letztes Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils von den KonzilsvĂ€tern (Papst und Bischöfen) beschlossen worden ist, dann liest sich Artikel 7 gleichsam wie ein prophetischer Blick auf die Jahre, die auf das Konzil folgten, vor allem das Jahr 1968. Schon in der ersten HĂ€lfte der 60er Jahre, deren gesellschaftliche, kulturelle und religöse Situation die KonzilsvĂ€ter beschreiben, kĂŒndigte sich die âKulturrevolutionâ der 68er an.
Artikel 7 bietet wieder eine Situationsbeschreibung der 60er Jahre. Er stellt eine radikale Infragestellung der ĂŒberlieferten Werte als eine Folge der âWandlungen von Denkweisen und Strukturenâ fest. Er spricht von einer âangsthaft rebellisch(en)â Jugend, die sich ihrer Bedeutung bewuĂt ist und vermehrten Anspruch erhebt auf die Gestaltung der Gesellschaft. Man kann hier an eine verstĂ€rkte Teilhabe der jungen Generation an den UniversitĂ€ten, den Schulen und den sozialen Organisationen denken. Diese Forderungen der Jugendlichen fĂŒhrt nicht selten zu einem Generationenkonflikt, der vor allem im eigenen elterlichen Haus spĂŒrbar wird. Dieser Konflikt ist â so die KonzilsvĂ€ter â Ausdruck dafĂŒr, dass âdie von frĂŒheren Generationen ĂŒberkommenen Institutionen, Gesetze, Denk- und Auffassungsweisen ⊠den wirklichen ZustĂ€nden von heute nicht mehr in jedem Fall gut zu entsprechenâ scheinen. Das hat auch Konsequenzen fĂŒr den religiösen Bereich. Die KonzilsvĂ€ter erkennen hier eine Ambivalenz: einerseits eine Möglichkeit, den Glauben von Aberglaube und magischen Sichtweisen zu reinigen, andererseits aber bei einer groĂen Zahl von Menschen die Aufgabe der religiösen Praxis. Atheismus und GleichgĂŒltigkeit bestimmen das Denken vieler Menschen.
Gaudium et spes. Artikel 7
âDie Wandlungen von Denkweisen und Strukturen stellen hĂ€ufig ĂŒberkommene Werte in Frage, zumal bei der jĂŒngeren Generation, die nicht selten ungeduldig, ja angsthaft rebellisch wird und im BewuĂtsein der eigenen Bedeutung im gesellschaftlichen Leben rascher daran teilzuhaben beansprucht. Von daher erfahren Eltern und Erzieher bei der ErfĂŒllung ihrer Aufgabe immer gröĂere Schwierigkeiten. Die von frĂŒheren Generationen ĂŒberkommenen Institutionen, Gesetze, Denk- und Auffassungsweisen scheinen aber den wirklichen ZustĂ€nden von heute nicht mehr in jedem Fall gut zu entsprechen. So kommt es zu schweren Störungen im Verhalten und sogar in den Verhaltensnormen. Die neuen VerhĂ€ltnisse ĂŒben schlieĂlich auch auf das religiöse Leben ihren EinfluĂ aus. Einerseits lĂ€utert der geschĂ€rfte kritische Sinn das religiöse Leben von einem magischen WeltverstĂ€ndnis und von noch vorhandenen aberglĂ€ubischen Elementen und fordert mehr und mehr eine ausdrĂŒcklicher personal vollzogene Glaubensentscheidung, so daĂ nicht wenige zu einer lebendigeren Gotteserfahrung kommen. Andererseits geben breite Volksmassen das religiöse Leben praktisch auf. Anders als in frĂŒheren Zeiten sind die Leugnung Gottes oder der Religion oder die völlige GleichgĂŒltigkeit ihnen gegenĂŒber keine Ausnahme und keine Sache nur von Einzelnen mehr. Heute wird eine solche Haltung gar nicht selten als Forderung des wissenschaftlichen Fortschritts und eines sogenannten neuen Humanismus ausgegeben. Das alles findet sich in vielen LĂ€ndern nicht nur in Theorien von Philosophen, sondern bestimmt in gröĂtem AusmaĂ die Literatur, die Kunst, die Deutung der Wissenschaft und Geschichte und sogar das bĂŒrgerliche Recht. Die Verwirrung vieler ist die Folge.â
Foto: KonzilsvĂ€ter – Bildquelle: Peter Geymayer / Wikipedia