Gaudium et spes. Artikel 25
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Der Mensch ist ein ens sociale, ein auf Gemeinschaft ausgerichtetes und von ihr abhĂ€ngiges Wesen. Ein Mensch kann nicht isoliert als Einzelner existieren. Vielmehr bedarf er zu seiner Verwirklichung und Entfaltung der Begegnung und des Austausches (commercium) mit anderen. In Artikel 25 legen die KonzilsvĂ€ter den Akzent auf die Einheit und den inneren Zusammenhang von menschlicher Person und Gemeinschaft. Der âFortschritt der menschlichen Person und das Wachsen der Gesellschaftâ bedingen sich gegenseitig.Â
Gaudium et spes. Artikel 25
âAus der gesellschaftlichen Natur des Menschen geht hervor, daĂ der Fortschritt der menschlichen Person und das Wachsen der Gesellschaft als solcher sich gegenseitig bedingen. Wurzelgrund nĂ€mlich, TrĂ€ger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen ist und muĂ auch sein die menschliche Person, die ja von ihrem Wesen selbst her des gesellschaftlichen Lebens durchaus bedarf (3). Da also das gesellschaftliche Leben fĂŒr den Menschen nicht etwas Ă€uĂerlich Hinzukommendes ist, wĂ€chst der Mensch nach allen seinen Anlagen und kann seiner Berufung entsprechen durch Begegnung mit anderen, durch gegenseitige Dienstbarkeit und durch den Dialog mit den BrĂŒdern. Unter den gesellschaftlichen Bindungen, die fĂŒr die Entwicklung des Menschen notwendig sind, hĂ€ngen die einen, wie die Familie und die politische Gemeinschaft, unmittelbarer mit seinem innersten Wesen zusammen; andere hingegen gehen eher aus seiner freien Entscheidung hervor. In unserer gegenwĂ€rtigen Zeit mehren sich bestĂ€ndig aus verschiedenen Ursachen die gegenseitigen Verflechtungen und AbhĂ€ngigkeiten, und so entstehen mannigfache Verbindungen und Institutionen öffentlichen oder privaten Rechts.
Obschon dieser Vorgang, den man als „Sozialisation“ bezeichnet, gewiĂ nicht ohne Gefahren ist, bringt er doch viele Vorteile fĂŒr die Festigung und Förderung der Eigenschaften der menschlichen Person und fĂŒr den Schutz ihrer Rechte mit sich. Wenn nun die menschliche Person zur ErfĂŒllung ihrer Berufung, auch der religiösen, dem gesellschaftlichen Leben viel verdankt, so kann dennoch nicht geleugnet werden, daĂ die Menschen aus den gesellschaftlichen VerhĂ€ltnissen heraus, in denen sie leben und in die sie von Kindheit an eingefangen sind, oft vom Tun des Guten abgelenkt und zum Bösen angetrieben werden. Ganz sicher stammen die so hĂ€ufig in der gesellschaftlichen Ordnung vorkommenden Störungen zum Teil aus der Spannung in den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Gebilden selbst. Doch ihre tieferen Wurzeln sind Stolz und Egoismus der Menschen, die auch das gesellschaftliche Milieu verderben. Wenn aber einmal die objektiven VerhĂ€ltnisse selbst von den Auswirkungen der SĂŒnde betroffen sind, findet der mit Neigung zum Bösen geborene Mensch wieder neue Antriebe zur SĂŒnde, die nur durch angestrengte BemĂŒhung mit Hilfe der Gnade ĂŒberwunden werden können.â
Foto: KonzilsvĂ€ter â Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia