Gaudium et spes. Artikel 17

Einleitung von Gero P. Weishaupt:
In Artikel 17 von Gaudium et spes behandeln die KonzilsvĂ€ter ein Grundthema des modernen Denkens: die menschliche Freiheit. Freiheit ist Ausdruck der Gottebenbildlichkeit des Menschen, dem es eigen ist, freie und gewissenhafte Entscheidungen zu nehmen. Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) benennt drei Ziele des vorliegenden Konzilstextes: „Es geht ihm zunĂ€chst darum, ausdrĂŒcklich vom Glauben her ein Ja zum Wert der Freiheit zu sagen, den der moderne Mensch trotz der fortschreitenden Problematisierung der Freiheitsidee immer ausdrĂŒcklicher erfĂ€hrt.“ Vom Freiheitsbegriff wird der Mensch „als das freie Wesen“ bejaht, „das sich zu sich selbst entscheiden muĂ und weder Ă€uĂerem Zwang noch Nötigung des Triebes … unterworfen werden darf. Auf der anderen Seite ging es dem Konzil darum, die Verwechselung von Freiheit und Bindungslosigkeit abzuwehren, die weithin das Leitbild der öffentlichen Meinung von heute darzustellen beginnt und damit gerade als Mittel zur Manipulation des Menschen verwendet wird, der mit Hilfe des Trugbilds dieser Freiheit in Wahrheit seiner Freiheit beraubt und in die VerfĂŒgung der anonym den geistigen und wirtschaftlichen ‚Markt‘ beherrschenden MĂ€chte genommen wird. Endlich geht es dem Text darum, jedem Determinismus gegenĂŒber die sittliche Verantwortunglichkeit des Menschen herauszustellen. … Der Text bekennt sich … zur sittlichen Freiheit des Menschen und hĂ€lt sie, biblisch mit vollem Recht, auch jedem theologischen Determinismus entgegen“ (Joseph Ratzinger, in: LThK, 3. ErgĂ€nzungsband, Freiburg 1968, 333). Die menschliche Freiheit ist allerdings durch die SĂŒnde (als Folge der ErbsĂŒnde) verwundet. Darum kann der Mensch nicht aus sich selber das Gute tun. Dazu bedarf es der Gnade. Eine pelegianische Denkweise kann dem Konzilstext nicht entnommen werden.
Gaudium et spes. Artikel 17
„Aber nur frei kann der Mensch sich zum Guten hinwenden. Und diese Freiheit schĂ€tzen unsere Zeitgenossen hoch und erstreben sie leidenschaftlich. Mit Recht. Oft jedoch vertreten sie sie in verkehrter Weise, als Berechtigung, alles zu tun, wenn es nur gefĂ€llt, auch das Böse. Die wahre Freiheit aber ist ein erhabenes Kennzeichen des Bildes Gottes im Menschen: Gott wollte nĂ€mlich den Menschen ‚in der Hand seines Entschlusses lassen‘, so daĂ er seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange. Die WĂŒrde des Menschen verlangt daher, daĂ er in bewuĂter und freier Wahl handle, das heiĂt personal, von innen her bewegt und gefĂŒhrt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloĂem Ă€uĂerem Zwang. Eine solche WĂŒrde erwirbt der Mensch, wenn er sich aus aller Knechtschaft der Leidenschaften befreit und sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt sowie sich die geeigneten Hilfsmittel wirksam und in angestrengtem BemĂŒhen verschafft. Die Freiheit des Menschen, die durch die SĂŒnde verwundet ist, kann nur mit Hilfe der Gnade Gottes die Hinordnung auf Gott zur vollen Wirksamkeit bringen. Jeder aber muĂ vor dem Richterstuhl Gottes Rechenschaft geben von seinem eigenen Leben, so wie er selber Gutes oder Böses getan hat. “
Foto: KonzilsvĂ€ter – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia