Eine gelungene Beziehung zur Mutter bedeutet ein gelungenes Leben

Chefredakteur Benjamin Greschner im Interview mit PrÀlat Dr. Wilhelm Imkamp.
Erstellt von am 19. Juli 2011 um 18:28 Uhr

Maria Vesperbild (kathnews). Wilhelm Imkamp wurde im Jahre 1951 in Kaldenkirchen am Niederrhein geboren. Nach seinem Theologiestudium wurde er 1976 in Rom zum Priester geweiht. Mittlerweile ist er schon ĂŒber zwei Jahrzehnte als Wallfahrtsdirektor des Pilgerortes Maria Vesperbild im Bistum Augsburg tĂ€tig. Im Jahre 2008 wurde er von Papst Benedikt XVI. fĂŒr fĂŒnf weitere Jahre als Konsultor in der Selig- und Heiligsprechungskongregation bestĂ€tigt. Am 22. April 2009 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. schließlich zum Berater der Kongregation fĂŒr den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. PrĂ€lat Dr. Imkamp ist auch bekannt durch seine Auftritte bei Talkshows sowie die Veröffentlichung mehrerer BĂŒcher. Kathnews-Chefredakteur Benjamin Greschner sprach mit PrĂ€lat Dr. Imkamp ĂŒber die Marienverehrung und sein Wirken in Maria Vesperbild.

Benjamin Greschner: HochwĂŒrden, die Marienverehrung hat eine sehr lebendige Tradition in der katholischen Kirche und ist auch heute noch fester Bestandteil der katholischen SpiritualitĂ€t. Welchen Stellenwert hat Maria in Ihrem persönlichen Glaubensleben?

PrĂ€lat Dr. Wilhelm Imkamp: Eigentlich sollte jeder Priester ein im Wortsinne Marianischer Priester sein. Maria war, wenn man es etwas locker ausdrĂŒckt, der erste Tabernakel und der Priester steht vor dem Tabernakel, Maria hat den Gottmenschen geboren und in den HĂ€nden der Priester wird Jesus in seiner verklĂ€rten Leibsgestalt auch wieder gegenwĂ€rtig. Hier ist ein innerer Bezug zwischen dem Priestertum und der Gottesmutter. In Maria Vesperbild wird das besonders deutlich am Gnadenbild. Maria hĂ€lt den Leichnam Jesu und vom Leichnam Jesu fĂ€llt die rechte Hand herunter und zwar mit gespreiztem Zeigefinger, so dass der Priester genau vor dem Tabernakel unter dem Zeigefinger unseres Herrn Jesus Christus steht. Die Gottesmutter weist in unserem Gnadenbild durch den toten Jesus auf den lebenden Jesus hin und auf denjenigen der „in persona Christi“ handelt.

Mein erstes hl. Messopfer habe ich in einer Marienkirche gefeiert, in der Kirche Santa Maria dell‘ Anima in Rom; meine zweite hl. Messe am Altar „Salus Populi Romani“, in Santa Maria Maggiore und die dritte hl. Messe schließlich in Santa Maria della Vittoria, aus tiefer Dankbarkeit gegenĂŒber der Gottesmutter, fĂŒr das Geschenk des Priestertums. Ich versuche jeden Samstag eine Marienmesse zu feiern aus dem wunderschönen marianischen Messbuch. Mein Spitzenreiter ist darin die „Mater Providentiae“. Auch wissenschaftlich habe ich mich mit der Gottesmutter beschĂ€ftigt, als ich im Jahre 1975 die Marienverehrung Papst Innozenz III untersucht habe, es ist bis heute die einzige Publikation, die es ĂŒber dieses Thema gibt. Dann versuche ich, wenn es eben geht, an die Laudes noch die Lauretanische Litanei anzuhĂ€ngen, die wirklich ein Gebetsschatz von einzigartiger Tiefe ist! Dazu kommt noch die Verehrung der Gottesmutter von Filermo, der ich mich als Ehrenkonventualkaplan des Maltersordens besonders verbunden weis.

Die „Königin von PalĂ€stina“ ist mir durch den Ritterorden vom hl. Grab auch besonders nah. Meine ersten Wallfahrten fĂŒhrten mich mit der Familie nach Kevelaer! Durch meinen Lebenslauf zieht sich ein marianischer Faden. Ich möchte sogar von einem „marianischen Seil“ reden; als Wallfahrtspriester ist man „Hausmeister der Gottesmutter“ und da braucht es genau dieses marianische Seil.

Benjamin Greschner: Kritiker der Marienverehrung argumentieren, dass sie sich im Gebet lieber direkt an Christus, den Herrn, richten. Gerade im protestantischen Bereich wird diese Auffassung vertreten, aber auch manch ein Katholik scheint der marianischen Tradition der Kirche Christi nichts mehr abgewinnen zu können. Wieso sollte ein Christ sich also durch Maria an Christus wenden?

PrĂ€lat Dr. Wilhelm Imkamp: Das sind die abgedroschenen Schlager derjenigen, die meinen, sie brĂ€uchten keine besonderen ZugĂ€nge und hĂ€tten eine direkte und unmittelbare Christusbeziehung. Das war schon bei allen SchwĂ€rmern so, das war bei der berĂŒhmt-berĂŒchtigten AllgĂ€uer Erweckungsbewegung so, und ist eine Haltung, die von den anthropologischen Grundkonstanten des Menschseins absieht. Jeder Mensch hat in seinem Leben schon die Erfahrung gemacht, das die Mutter eines anderen Menschen vor ihrem Sohn ganz anders argumentieren kann, als irgendein Bittsteller. Heiligenverehrung und ganz besonders die Verehrung der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria entsprechen der anthropologischen Grundkonstante des Menschseins. NatĂŒrlich können und sollen wir uns auch direkt an Christus wenden und natĂŒrlich können wir uns an jede Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit wenden, das tun wir ja auch in der Hochform des Gebets, im heiligen Messopfer.

Der Mensch lebt aber auch in seiner Frömmigkeit nicht nur von den Hochformen, sondern eben auch vom Alltag. Da ist es sehr sinnvoll sich an die Heiligen zu halten und ganz besonders auch an die Gottesmutter. Den Priestern empfehle ich ĂŒbrigens dringend das tĂ€gliche Beten des Martyrologium Romanum, das schon in der zweiten lateinischen Auflage vorliegt, fĂŒr Deutschland haben wir noch keine Übersetzung. Das Martyrologium kann man wunderbar an das Abendgebet der Kirche, der Vesper, anhĂ€ngen.

Benjamin Greschner: UnzĂ€hlige Pilger zieht es Jahr fĂŒr Jahr nach Maria Vesperbild. Was macht die Faszination Ihres Wallfahrtsortes aus?

PrĂ€lat Dr. Wilhelm Imkamp: Der Wallfahrtsort Maria Vesperbild hat eine ganz eigentĂŒmlich Kombination von zwei Gnadenbildern: Da ist einmal das klassische Gnadenbild, das Vesperbild, die PietĂĄ: Maria hĂ€lt den toten Jesus in ihren Armen, am Abend (Vesper) des Karfreitag. Das Gnadenbild ist eine Momentaufnahme von Karfreitag-Abend. Das ganz besondere an diesem Gnadenbild habe ich eben schon angedeutet: Die rechte Hand der Leiche fĂ€llt herunter, und zwar mit gespreiztem Zeigefinger und deutet so auf den Priester, der am Altar steht, bzw. auf den Tabernakel, den Ort der wirklichen Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus. Das ist das klassische Gnadenbild dem die Wallfahrt ihren Ursprung verdankt. Dann geht es aber weiter, keine fĂŒnf Minuten entfernt finden wir im Wald eine wunderschöne Mariengrotte, dort ist eine Statue der Gottesmutter, wie sie den Kindern in Fatima erschienen ist. Unsere Liebe Frau von Fatima, aber wenn wir dann in das Gesicht dieser Statue blicken, dann spĂŒren wir eine ganz eigentĂŒmliche Anregung, ein ganz eigentĂŒmliches Angenommensein und fast physisch die NĂ€he der Gottesmutter. Die Natur die uns dort umgibt, die vielen Votivtafeln, die das ewige Danke singen und der Blick der Gottesmutter verbinden sich zu einer Gebetssynphonie von ganz eigener IntensitĂ€t. Dieser Faszination kann sich keiner entziehen, man muss sich ihr nur stellen.

Benjamin Greschner: Maria ist nicht nur die Mutter Jesu, sondern auch unsere Mutter. Sie ist auch die Mutter der Priester. Welche  Bedeutung hat Maria fĂŒr die SpiritualitĂ€t eines Priesters, der sein priesterliches Leben und seine priesterliche IdentitĂ€t in einem Geiste Leben will, der der Tradition der Kirche entspricht?

PrĂ€lat Dr. Wilhelm Imkamp: Ich habe schon in der ersten Antwort angedeutet, welchen Stellenwert die Person die Gottesmutter und auch die Lehre von ihr im Leben eines Priesters einnehmen kann. Ein katholischer Priester ist im Wesentlichen und im Kern ein marianischer Priester. Er kann sein Leben nur leben im „fiat“ Mariens. Die Kirche selbst ist Abbild und Urbild der Gottesmutter und die Lehre von der Gottesmutter ist nicht umsonst im zweiten Vaticanum im Kontext mit der Lehre von der Kirche behandelt worden. Das berĂŒhmte Kapitel VIII von Lumen Gentium, woraus der Priester an jedem Samstag, wenn er im Brevier das Offizium von Maria am Samstag betet, stĂ¶ĂŸt! Kirche ist ja nicht eine Summe von BĂŒrokratien, Funktionen und FunktionĂ€ren, sondern Kirche ist Objekt unseres Glaubens. Und als Objekt unseres Glaubens ist Maria das Urbild und Abbild der Kirche. Im Blick auf Maria können wir manches graugesichtig funktionĂ€rshafte im Alltag unserer Kirche leichter ertragen, vielleicht sogar mit einem kleinen LĂ€cheln, so wie es Maria tut.

Benjamin Greschner: Was können Kinder und Jugendliche konkret von Maria lernen und warum ist Maria gerade fĂŒr deren spirituelle Entwicklung wichtig?

PrĂ€lat Dr. Wilhelm Imkamp: Die Bedeutung der Gottesmutter fĂŒr das Alltagsleben des Christen kann kaum hoch genug eingeschĂ€tzt werden. Die moderne Psychologie hat die Bedeutung der Mutter im menschlichen Leben herausgestellt. Eine gelungene Beziehung zur Mutter bedeutet ein gelungenes Leben. Eine verkorkste Mutter-Beziehung ist immer auch eine schwere Hypothek fĂŒr ein ganzes Leben. Deswegen gehört die HinfĂŒhrung zu den marianischen Geheimnissen wesentlich zur religiösen Erziehung hinzu. Ohne die Lehre von der Gottesmutter und ohne das Gebet zu Maria halte ich eine gesunde spirituelle Entwicklung fĂŒr eine große Ausnahme. Wir brauchen die Gottesmutter fĂŒr unsere spirituelle Entwicklung, wir brauchen ihr Vorbild, ihre FĂŒrsprache und ihr alltĂ€gliches Beispiel. Nur an der Hand Mariens ist ein gelungenes Leben möglich.

Nur im Blick auf sie werden wir es schaffen, deswegen mĂŒssen wir alles tun, um Kinder und Jugendliche zu einem marianischen Gebetsleben zu fĂŒhren: Nicht nur das „GegrĂŒĂŸet seist Du Maria“, sondern auch der Rosenkranz! Ich habe die Erfahrung gemacht, das gerade das tĂ€gliche Gebet der lauretanischen Litanei einen besonderen Impuls setzen kann. Wir sollten es versuchen: Rosenkranz und lauretanische Litanei, natĂŒrlich auch der „Engel des Herrn“, dann haben wir schon ein Alltagsprogramm und können uns sicher an der Hand Mariens fĂŒhlen. Eine ganze besondere Erfahrung sind natĂŒrlich Wallfahrten. Hier in Maria Vesperbild ist am 15. August, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, wieder die große Lichterprozession, die ĂŒbrigens vom Patriarchen von Jerusalem geleitet wird, also dem Bischof der Königin von PalĂ€stina! Ein wunderbares Zusammentreffen!

Benjamin Greschner: Haben Sie vielen Dank!

Besonders sei hingewiesen auf:
Wilhelm Imkamp: Die Schönheit Mariens.
Volksfrömmigkeit zwischen theologischer Ästhetik und emotional design, in:
Löffler, G., „Ganz schön bist Du, Maria!“
Marienpredigten aus Maria Vesperbild
fe-medien, Kisslegg 2008,
ISBN 978-3-939684-30-5

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