Die Kirche betreibt nicht Mission, sie ist Mission
Einleitung von Gero P. Weishaupt:
Man kann sagen: War das Konzil von Chalzedon (451) auf das gott-menschliche Geheimnis Christi gerichtet, so ging es dem Zweiten Vatikanische Konzil um das gott-menschliche Geheimnis der Kirche. War bei dem einen das Thema die Christologie, so beim anderen die Ekklesiologie. Das zentrale Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils ist daher die dogmatische Konstitution Lumen gentium. Darin haben die KonzilsvÀter das Wesen der Kirche zu beschreiben versucht und ihre Sendung in der Welt darlegen wollen. Wie in einem konzentrischen Kreis sind alle anderen Dokumente des Konzils auf die Kirchenkonstitution als deren Zentrum hingeordnet.
Das gilt folglich auch fĂŒr das Dekret Ad gentes ĂŒber die missionarische AktivitĂ€t der Kirche in der Welt von heute. Schon im ersten Satz wird das Dekret auf die Kirchenkonstitution (hier LG 48) zurĂŒckbezogen, in deren Licht es gelesen werden muss: âZur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche âdas allumfassende Sakrament des Heilsâ sein.â Damit ist ausgesagt, dass Christus seiner Kirche im Heiligen Geist gegenwĂ€rtig bleibt. Durch sie wirkt Er in der Welt. Im Kontext der missionarischen TĂ€tigkeit der Kirche heiĂt das, dass Christus es ist, der durch die Kirche die Schöpfung zum Ziel fĂŒhrt: die vollendete Einheit mit Gott und der ganzen Menschheit durch den VerkĂŒndigungs-, Heiligungs- und Hirtendienstâ der Kirche in ihrer Teilhabe am prophetischen, priesterlichen und königlichen Amt Christi, deren mystischer Leib die Kirche ist.
Darum hat das Konzil erneut die Mission als Kernaufgabe der Kirche herausgestellt. Die Kirche betreibt nicht nur Mission, sie ist Mission. Sie ist gesandt zu allen Völkern, um, wie es in der Einleitung des Dekretes mit Bezug auf den heiligen Augustinus heiĂt, das âWort der Wahrheitâ zu verkĂŒnden und Kirchen zu zeugen. âDamit sind die beiden wesentlichen Komponenten der Missionsarbeit, WortverkĂŒndigung und Kirchenpflanzung, genannt und zugleich de christologische un ekklesiologische Aspekt der Mission zum Ausdruck gebracht. Dieser Auftrag der Ausrufung und BegrĂŒndung des Gottesreiches ist auf die Nachfolger der Apostel ĂŒbergegangen ⊠und hat so wĂ€hrende Dauer und Verpflichtung erhaltenâ (Suso Brechter, LThK III, 1963, 23).
Daraus ergibt sich die Absicht der KonzilsvĂ€ter, die sie mit dem Dekret verfolgen: âdie GrundsĂ€tze der missionarischen TĂ€tigkeit umreiĂen und die KrĂ€fte aller GlĂ€ubigen sammeln, damit das Volk Gottes, auf dem schmalen Weg des Kreuzes voranschreitend, die Herrschaft Christi des Herrn, vor dessen Augen die Jahrhunderte stehen, ausbreite und seiner Ankunft die Wege bahneâ.
Text Ad gentes, Artikel 1 (Einleitung) Deutsch und Latein
 Zur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche âdas allumfassende Sakrament des Heilsâ sein. So mĂŒht sie sich gemÀà dem innersten Anspruch ihrer eigenen KatholizitĂ€t und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters, das Evangelium allen Menschen zu verkĂŒnden. Denn auch die Apostel, auf die die Kirche gegrĂŒndet worden ist, haben, den Spuren Christi folgend, âdas Wort der Wahrheit verkĂŒndet und Kirchen gezeugtâ. Pflicht ihrer Nachfolger ist es, diesem Werk Dauer zu verleihen, âdamit das Wort Gottes seinen Lauf nehme und verherrlicht werdeâ (2 Thess 3,1) und die Herrschaft Gottes ĂŒberall auf Erden angekĂŒndigt und aufgerichtet werde.
In der gegenwĂ€rtigen Weltlage, aus der fĂŒr die Menschheit eine neue Situation entsteht, ist die Kirche, die da ist Salz der Erde und Licht der Welt, mit verstĂ€rkter Dringlichkeit gerufen, dem Heil und der Erneuerung aller Kreatur zu dienen, damit alles in Christus zusammengefaĂt werde und in ihm die Menschen eine einzige Familie und ein einziges Gottesvolk bilden. Im Dank gegen Gott ob der trefflichen Arbeit, die durch den hochherzigen Einsatz der ganzen Kirche bislang vollbracht wurde, will diese Heilige Synode deshalb die GrundsĂ€tze der missionarischen TĂ€tigkeit umreiĂen und die KrĂ€fte aller GlĂ€ubigen sammeln, damit das Volk Gottes, auf dem schmalen Weg des Kreuzes voranschreitend, die Herrschaft Christi des Herrn, vor dessen Augen die Jahrhunderte stehen, ausbreite und seiner Ankunft die Wege bahne.
 1. AD GENTES DIVINITUS missa ut sit «universale salutis sacramentum»[1] Ecclesia ex intimis propriae catholicitatis exigentiis, mandato sui Fundatoris oboediens,[2] Evangelium omnibus hominibus nuntiare contendit. Ipsi enim Apostoli, in quibus Ecclesia est condita, vestigia Christi sequentes, «praedicaverunt verbum veritatis et genuerunt Ecclesias».[3] Eorum successorum officium est hoc opus perenne reddere, ut «sermo Dei currat et clarificetur» (II Thess. 3,1) et Regnum Dei ubique terrarum annuntietur et instauretur.
In praesenti autem rerum ordine, ex quo nova exsurgit humanitatis condicio, Ecclesia, sal terrae et lux mundi,[4]Â urgentius vocatur ad omnem creaturam salvandam et renovandam, ut omnia in Christo instaurentur, et in Ipso homines unam familiam unumque populum Dei constituant.
Quare haec Sancta Synodus, dum ob praeclara opera per generosam totius Ecclesiae industriam peracta Deo gratias agit, missionalis activitatis principia delineare, et vires omnium fidelium colligere cupit, ut populus Dei, per angustam viam crucis procedens, regnum Christi, Domini et conspectoris saeculorum,[5]Â ubique diffundat eique advenienti vias paret.
Foto: Vaticanum II, Papst Paul VI. – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia