Die Emanzipierte
Sie überrascht. Sie irritiert. Sie denkt. Und das ziemlich unabhängig. Kristina Schröder hat keines jener Klischees erfüllt, das auszufüllen viele von uns ihr wie selbstverständlich aufgetragen hatten. Es ist also an der Zeit, dies einmal ehrlich zuzugeben und der jungen Dame am Kabinettstisch Respekt zu zollen. Vor allem dafür, dass sie sich befreit aus vorgelegten Denkmustern, in denen vermeintlich moderne Politik seit Jahren daherzukommen gewohnt ist.
Natürlich: Es war gut, vor vielen Jahren die Förderung der Mädchen und Frauen endlich einmal zu wagen. Es war und bleibt richtig, dem Wort Gleichberechtigung einen längst überfälligen Inhalt zu geben. Und es bleibt eine stetige Aufgabe, politisch dabei zu helfen, dass Frauen und Männer sich auf Augenhöhe begegnen können. Gleichberechtigte Unterschiedlichkeit nennt man das, was aus verschiedenartiger Gleichberechtigung erwächst.
Der Girls Day war ein solcher Versuch. Er war gut gemeint, blieb aber letztlich ein unvollständiges Unterfangen, eine Art Torso steckengebliebener Emanzipation. Nur Ideologen einer komplexbeladenen Minderwertigkeit haben noch nicht begriffen, was alle anderen längst wissen: Die Jungen wurden allzu lange vergessen in einer vaterlos gewordenen Gesellschaft, in der das Männliche auf dem Index stand.
Kristina Schröder schafft diese Engstirnigkeit nun ab. Als Frau! Nach dem nahtlosen Übergang vom Patriarchat ins gefühlte Matriarchat will sie die Weichen stellen für echte Gleichberechtigung der verschiedenen und sich letztlich ergänzenden Geschlechter. Der Boys Day ist da nur ein Anfang. Und einer, der manchen heimlichen Macho, der sich in den Nischen der Halbemanzipation bequem gemacht hatte, herausfordert.
Chapeau, Kristina Schröder! Vielleicht sind Sie die erste wirklich Emanzipierte! Denn es gehören Selbstbewusstsein und Mut dazu, den gefährlichen Schwindel der Gleichmacherei, der sich im Gewand angeblicher Gleichberechtigung als Gender Mainstreaming tarnt, zu entlarven und stattdessen für eine ideologiefreie und aufgeklärte Emanzipation zu kämpfen.
Dazu gehört, dass sich Verschiedenes ergänzt und füreinander kostbar ist. Dazu gehört die Absage an jede Form der Diskriminierung durch nivellierende Gleichmacherei. Und dazu gehört, sich den Mut des eigenes Denkens und Handelns zu gönnen. Emanzipiert. Frei. Weitblickend.
Wir brauchen starke Frauen und starke Männer. Auch und gerade starke Mütter und starke Väter. Es ist gut, wenn da jemand nach vorne provoziert. Gut, wenn es genügend Männer und Frauen gibt, die das nicht überfordert. Denn: Kristina Schröder denkt. Sie irritiert. Sie überrascht.
Martin Lohmann, Publizist und Verlagsleiter im Kölner Bachem-Haus, ist Bundessprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken (AEK) in der CDU und freier Mitarbeiter der kathnews-Redaktion.