Deutsche Bischofkonferenz erlässt Allgemeines Dekret zum Kirchenaustritt

Eine kirchenrechtliche Erläuterung von Dr. iur. can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 20. September 2012 um 22:22 Uhr
Dr. Gero P. Weishaupt

Am 13. März 2006 veröffentlichte der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte, ohne die Absicht zu haben, das deutsche Kirchensteuersystem zu ändern oder in Frage zu stellen, eine authentische Erklärung des formalen Aktes eines Kirchenaustrittes (actus formalis defectionis ab Ecclesia).

Bedingungen für einen Kirchenaustritt

Damit ein formaler Akt vorliegt, müssen folgende drei Bedingungen zusammen erfüllt sein:

1.) die innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen
2.) die Ausführung und die äußere Bekundung dieser Entscheidung
3.) die Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität

“Der Inhalt des Willensaktes”, so der Päpstliche Rat, “muss” “im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft” bestehen – “Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus.”

Seit dieser hoheitlichen Erklärung des Päpstlichen Rates war deutlich, dass eine Austrittserklärung vor einer zivilen Behörde in Deutschland als solche nicht eine Exkommunikation als Tatstrafe zur Folge haben konnte, denn die kirchlichen Behörden (Ordinariate/Pfarrsekretariate) unterlieβen es, die Entscheidung des Kirchenaustrittes anzunehmen (siehe oben dritte Bedingung für den formalen Akt). Ziel einer solchen Annahme ist nämlich die Kontaktaufnahme mit demjenigen, der vor einer zivilen Behörde seinen Austritt (aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes) ausgeführt und bekundet hat (siehe oben zweite Bedingung für den fomalen Akt), sowie die Prüfung der Austrittsabsichten und die Mitteilung etwaiger Rechtsfolgen des Austritts.

Partikulargesetz

Das Allgemeine Dekret (im Sinne eines decretum generale nach can. 29 des Codex Iuris Canonici von 1983) der Deutschen Bischofskonferenz, das am 20. September 2012 veröffentlicht und am Montag, dem 24. September 2012 rechtskräftig wird, ist nur für  Katholiken, die im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz ihren Wohn- oder Nebenwohnsitz haben, bindend. Es handelt sich um ein Partikulargesetz, das von der Deutschen Bischofskonferenz als teilkirchlichem Gesetzgeber approbiert, d. h. erlassen, und von der Kongregation für die  Bischöfe rekognostiziert, d. h. auf seine Rechtmäβigkeit hin überprüft worden ist.

Korrektur

Mit diesem Allgemeinen Dekret konformieren die deutschen Bischöfe die bisherige abweichende Regelung in Deutschland an die römischen Vorgaben in Bezug auf den formellen Akt des Austrittes aus der Kirche. Das Entscheidende nun ist, dass im jüngsten Allgemeinen Dekret die für den formalen Akt relevante kirchenamtliche Annahme der Austrittserklärung festgelegt wird. Man liest dort nun: “Die kirchliche Autorität lädt diejenigen, die den Kirchenaustritt erklärt haben, zu einem Gespräch im Blick auf ihre volle Wiedereingliederung in die kirchliche Gemeinschaft ein. Es zielt auf die Versöhnung mit der Kirche und die Rückkehr zur vollen Ausübung der Rechte und Pflichten. Wenn aus der Reaktion des Gläubigen, der den Kirchenaustritt erklärt hat, auf einen schismatischen, häretischen oder apostatischen Akt zu schließen ist, wird der Ordinarius dafür sorgen, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. …”

Austrittserklärung im Widerspruch zur Gemeinschaft mit der Kirche

Die Kirchensteuer ist die in der deutschen Teilkirche geschichtlich gewachsene Form der finanziellen Beitragsleistung der Gläubigen für die Sendung und das Apostolat der Römisch Katholischen Kirche in Deutschland, zu dem sie nach can. 222 § 1 verpflichtet sind.  Sie wird von der Deutschen Bischofskonferenz als die einzige Weise des Kirchenbeitrages gewertet. Folglich entzieht sich ein katholischer Christ mit einer Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde dieser Pflicht. Darum wird eine Austrittserklärung von den deutschen Bischöfen als  ein Verhalten gesehen, durch das die Gemeinschaft mit der Kirche nicht mehr gewahrt wird (vgl. can. 209). Nach der Sicht der deutschen Bischöfe  ist darum eine Austritterklärung ein schismatischer Akt. Auch wenn in dem Allgemeinen Dekret Schisma und Exkommunikation nicht wörtlich genannt werden, so ist aus dem Kontext und den aufgezählten Rechtsfolgen für eine solche Austrittserklärung deutlich, dass mit ihr der Tatbestand des Schismas nach can. 1364, wonach sich ein Schismatiker (neben Apostat und Häretiker) die  Exkommunikation als Tatstrafe zuzieht, erfüllt ist.

Austrittserklärung an sich führt noch nicht zur Exkommunikation als Tatstrafe

Aus dem Inhalt des Allgemeinen Dekretes muss geschlussfolgert werden, dass der Apostolische Stuhl mit der Rekognostizierung des Allgemeinen Dekretes den “deutschen Kirchenaustritt” (d. h. vor einer staatlichen Behörde) als eine Weise der äuβeren Bekundung der Entscheidung des Austrittswilligen (siehe oben zweite Bedingung für den formalen Akt) anerkennt. Die Exkommunikation als Tatstrafe tritt allerdings erst ein, wenn diese Entscheidung von einer kirchlichen Autorität angenommen ist (siehe dritte Bedingung für den formalen Akt). Das geht aus folgender oben genannten  Erklärung des Päpstlichen Rates  hervor: “Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie, Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.”

Notwendigkeit der schriftlichen Erklärung der Tatstrafe durch den Ordinarius

Erst nach der Annahme der Austrittserklärung seitens der kirchlichen Autorität tritt die Exkommunikation als Tatstrafe ein. Jedoch ist zu beachten, dass die im Allgemeinen Dekret aufgeführten Rechte der Gläubigen (z. B. auf Eucharstieempfang, auf ein Begräbnis, auf ein kirchliches Amt etc.) erst dann zu verweigern sind,  wenn die mit der Annahme der Austrittserklärung eingetretene Exkommunikation auch kirchenamtlich vom Ordinarius (Bischof, Generalvikar) schriftlich per Dekret –  im Hinblick auf eine Beschwerde bei der zuständigen Instanz des Apostolischen Stuhles ergänzt durch eine Rechtsmittelbelehrung – dem Betreffenden mitgeteilt worden ist.  Erst wenn der Ordinarius die Tatstrafe per Dekret festgestellt hat, sind dem Betreffenden Sakramente und Sakramentalien (wozu auch eine Beerdigung gehört) zu verweigern, denn dann erst entfaltet die Exkommunikation ihre Rechtsfolgen auch im äuβeren Rechtsbereich. Solange also der Ordinarius die Exkommunikation  durch ein Dekret, in dem die Exkommunikation als Tatstrafe festgestellt wird, dem Betreffenden nicht mitgeteilt hat, ist der Exkommunizierte im Gewissen zwar verpflichtet, die Rechtsfolgen der Exkommunikation zu beachten, doch  dürfen ihm Sakramente und Sakramentalien und andere Rechte  im äuβeren Rechtsbereich nicht verweigert werden.

Foto: Dr. Gero P. Weishaupt – Bildquelle: privat

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung