„Das vereinte Europa war das politische Ziel meines Vaters“

Benjamin Greschner im Interview mit Gräfin Walburga Habsburg Douglas.
Erstellt von am 23. August 2011 um 18:07 Uhr

Stockholm (kathnews). Als Erzherzog Otto von Österreich am 4. Juli 2011 in seiner bayerischen Wahlheimat verstarb, blickten ganz Europa und große Teile der Welt auf das Leben und Wirken eines Mannes, dessen Mission es war, sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Am Samstag, dem 16. Juli 2011 wurde Erzherzog Otto nach einem feierlichen Requiem, das vom Wiener Erzbischof im Stephansdom zelebriert wurde, in der Kapuzinergruft beigesetzt. Zehntausende Trauergäste waren nach Wien gereist, um dem Kaisersohn die letzte Ehre zu erweisen. Kathnews berichtete ausführlich über die zahlreichen Trauerzeremonien und Gottesdienste für den Verstorbenen.

Jetzt sprach Kathnews-Chefredakteur Benjamin Greschner mit Gräfin Walburga Habsburg Douglas, der jüngsten Tochter des verstorbenen Erzherzogs Otto, über dessen politische Ziele, seine Liebe zu Europa und den seligen Kaiser Karl. Gräfin Habsburg Douglas wurde 1958 in Berg am Starnberger See geboren, ist verheiratet mit dem schwedischen Grafen Archibald Douglas und seit 2006 Mitglied des schwedischen Reichstags.

Benjamin Greschner: Bereits zu Lebzweiten sprach man von Ihrem Vater als einem „großen Europäer“. Nach seinem Tod wurde er von vielen Seiten als Miterbauer des geeinten Europas gewürdigt. Sein Engagement in der Paneuropa-Union und seine Arbeit als Mitglied des Europäischen Parlaments seien an dieser Stelle besonders hervorgehoben. Welchen Stellenwert hatte dieser europäische Gedanke im persönlichen Leben Ihres Vaters? Wie lebte er Ihnen diese „europäische Idee“ vor?

Walburga Habsburg Douglas: Das vereinte Europa war das politische Hauptziel meines Vaters. Er war nie unglücklich darüber, dass die Geschichte ihm einen anderen Weg zugewiesen hatte, als seinem Vater und seinen Vorfahren, sondern interpretierte es als seine Aufgabe, sich für Friede und Freiheit in ganz Europa einzusetzen. Das war auch seine Arbeit während des Zweiten Weltkrieges in Amerika: Sich darum zu kümmern, dass Österreich weiter auf der Weltkarte stand, und statt einer totalen Kapitulation, oder einem totalen Sieg, einer totalen Niederlage, das Vereinte Europa als positives Ziel zu sehen. Für uns Kinder war die Diskussion über Europa ein integraler Teil unserer Erziehung. Mein Vater brachte uns Europa spielerisch näher. Wir spielten bei Tisch Ratespiele, die uns die Georgrafie unseres Erdteiles verdeutlichten: Welche Länder grenzen an…? Wie heißt die Hauptstadt von…? Und außerdem hielt er es für ungeheuer wichtig, dass wir möglichst viele Sprachen sprechen könnten. Während der Sommerferien wechselten wir oft jede zweite Stunde die Sprache: Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch. Ich selbst war schon früh europainteressiert. Mit sechs Jahren half ich meinem Vater beim Ausschneiden von Zeitungsartikeln, die er als Information für seine Vorträge brauchte, und las über politische Ereignisse.

Benjamin Greschner: Das Leben Ihres Vaters verlief anders, als man es in seinen Kindheitstagen erwarten hätte können und war doch immer von einer glühenden Begeisterung für die Politik geprägt. Sie selbst sind Mitglied des schwedischen Reichstags und engagieren sich in Schweden in der Politik. Welchen Einfluss hatte das politische Wirken Ihres Vaters auf Ihren eigenen Lebensweg?

Walburga Habsburg Douglas: Ich hatte das Glück, als Parlamentsassistentin im Europaparlament zu arbeiten – zwischen 1979 und 1992 – während mein Vater dort Abgeordneter war. Dadurch lernte ich die Parlamentarische Arbeit sehr gut kennen. Als ich nach Schweden kam, war ich fest entschlossen, mich für mein neues Heimatland zu engagieren, und begann politisch zu arbeiten. Damals war gerade die Debatte über Schwedens Mitgliedschaft in der EU im Gange. Ich wurde rasch Mitglied in der Moderata, einer Schwesterpartei von CDU/CDU und ÖVP, und bereits 1998 in den Kreistag gewählt. 2006 gelang es mir dann, Abgeordnete im Schwedischen Reichstag zu werden, und ich glaube, dass ich dort sehr gut im Sinne meines Vaters für Schweden arbeiten kann. Mein Vater war bei der Eröffnung des Reichstages 2006 in Stockholm, und ich glaube, dass er stolz darauf war, dass ich diese Laufbahn gewählt habe!

Benjamin Greschner: Spricht man von der europäischen Einigung, dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Untergang des kommunistischen Systems in Europa, so verbindet man diese historischen Ereignisse in erster Linie mit Helmut Kohl und Michail Gorbatschow. Aber auch Ihr Vater wird oft im Zusammenhang mit dem Ende des Kommunismus und dem Fall des Eisernen Vorhangs in Verbindung gebracht, besonders in Anbetracht des so genannten „Paneuropäischen Picknicks“. Wie groß war sein Einfluss auf das, was sich in Europa Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre ereignete?

Walburga Habsburg Douglas: Ich glaube, dass mein Vater sehr große Impulse gegeben hat. Er hat ja ein riesiges Netzwerk in Ost- und Mitteleuropa gehabt, hatte laufend Kontakte mit den Oppositionellen und Dissidenten, aber auch mit den reformfreundlichen Kräften in der ungarischen Regierung. Wo immer er konnte, hat er das vereinte Europa gepredigt, und war ja auch der Vater des „Leeren Stuhles“ im Europaparlament, der die Völker symbolisiert hat, die sich noch nicht frei zur europäischen Einigung bekennen konnten. Das Paneuropäische Picknick war sicher das herausragendste Ereignis, das zum Fall des Eisernen Vorhangs führte, und es geschah auf seine Initiative. Er machte aber darüber hinaus vieles Andere, nicht zuletzt in einer mühsamen Überzeugungsarbeit für seine politischen Freunde, die nicht alle von einem Großeuropa überzeugt waren.

Benjamin Greschner: Erzherzog Otto war über Jahrzehnte in der Paneuropa-Union engagiert. Seit 2004 sind Sie Internationale geschäftsführende Vizepräsidentin der Paneuropa-Union und stehen damit in gewisser Weise in der Nachfolge Ihres Vaters. Was ist die Paneuropa-Union und welche Ziele verfolgt Ihre Organisation?

Walburga Habsburg Douglas: Die Paneuropa-Union ist die älteste Organisation, die für die Einigung unseres Kontinentes arbeitet. Sie wurde 1923 durch Graf Richard Coudenhove-Kalergi gegründet und war die erste Organisation, die während des Kalten Krieges sagte: „Paneuropa ist ganz Europa!“ Sie hat währen der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Hoffnung für die unterdrückten Völker im Ostteil des Kontinentes aufrechterhalten, und es gelang ihr, viele einflussreiche Politiker an sich zu binden. Darüber hinaus auch die Vertriebenen-Organisationen. Das Programm hat mein Vater ganz kurz gefasst: „Wir arbeiten für ein christliches, freies, soziales Großeuropa!“ Heute hat sie einen französischen Präsidenten, beschäftigt sich vor allem mit der Frage: „Welches Europa wollen wir?“ und arbeitet für die christlichen Grundwerte. Sie will klarmachen, dass Europa mehr ist als Wirtschaftspolitik, gemeinsamer Markt usw.

Benjamin Greschner: Der Tod Ihres Vaters hat weltweit für Trauer und Bestürzung gesorgt und großes mediales Interesse erweckt. Viele Menschen fragen sich nun: Wie geht es weiter, nach dem Tode Erzherzog Ottos? Ihr Bruder Karl ist ja bereits seit 2007 Chef des kaiserlichen Hauses, wird er nun an den Starnberger See ziehen, wo Ihr Vater bis zu seinem Tode lebte?

Walburga Habsburg Douglas: Mein Bruder Karl lebt in Österreich und ich glaube nicht, dass er das im Augenblick ändern will! Aber er ist sich seiner Rolle als Hauschef sehr bewusst, und beschäftigt sich stark mit der Rolle unserer Familie. Aber das politische Engagement ist auch vorhanden, vor allem, was die Grundwerte betrifft: Unsere Eltern sahen es als eines ihrer wichtigsten Ziele, und christlich zu erziehen und das ist ihnen wirklich gelungen. Natürlich ist eine Familie mehr als nur eine Person, und Karl versteht es sehr gut, uns alle zu beteiligen, und Aufgaben für die Familie zu verteilen. Ich bin sehr stolz auf meinen Bruder, wie großartig er seine Rolle als Hauschef wahrnimmt.

Benjamin Greschner: Sie sind als Tochter des Erzherzogs Otto eine Enkelin des seligen Kaiser Karl, des letzten Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Er wurde 2004 von Papst Johannes Paul II. zur Ehre der Altäre erhoben. Welche Beziehung haben Sie persönlich zu Ihrem seligen Großvater? Ist er in Ihrem persönlichen Glaubens- und Gebetsleben sehr präsent?

Walburga Habsburg Douglas: Mein Großvater ist mir sehr nahe! Ich rufe ihn oft an, bitte ihn um Hilfe, speziell, wenn es um politische Fragen geht. Er ist ja ausgesprochen als ein Seliger für die Politiker bezeichnet worden. Und es ist mir auch gelungen, ihn in meiner Heimatdiözese Stockholm in die Reihe der Seligen aufnehmen zu lassen, wofür ich mich bei Bischof Anders Arborelius sehr bedanken will. Ich glaube, dass es für unsere ganze Familie ein  großer Segen ist, einen Seligen als Vater, Großvater, Urgroßvater, Onkel etc. zu haben!

Benjamin Greschner: Vielen Dank, Gräfin Habsburg Douglas, für das Gespräch.

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