Christi Blut im Bundeskelch

Ein Gastkommentar von Clemens Victor Oldendorf: "FĂŒr viele vergossen."
Erstellt von kathnews-Redaktion am 27. Juli 2012 um 21:44 Uhr
Priester mit Kelch

Ohne die Deutung, die Christus beim Abendmahl seinem bevorstehenden Tod gibt, wĂ€re sein Sterben nur die Hinrichtung eines Verurteilten gewesen, dem dabei jede Ă€ußere Freiheit, Eigenmacht und Selbstbestimmung genommen sein wĂŒrde. Durch diese Deutung erst wird der Kreuzestod in einem Akt freier Hingabe und SouverĂ€nitĂ€t zum Kreuzesopfer bestimmt, das Erlösung bewirkt und nach außen als Opfer erkennbar ist.

Christi Leib und Blut – in der Eucharistie wahrhaft Speise und Trank

FĂŒr die sachlich und theologisch angemessene Fassung des Kelchwortes ist dabei zu beachten, dass Christus sein Blut am Kreuz fĂŒr die ganze Welt oder Menschheit, also fĂŒr alle vergossen hat, doch erst in der Eucharistie werden sein Leib und Blut „wahrhaft eine Speise und wahrhaft ein Trank“ (vgl. Joh 6,55) und wird sein Blut vorwegnehmend im Abendmahlsbecher und zurĂŒckgreifend in jedem Messkelch als Opfertrank vergossen und genossen.

Dem entspricht es denn auch, dass niemand oder keiner aufgefordert wurde, Christi am Kreuz physisch und historisch vergossenes Blut zu trinken oder dass niemand es tatsĂ€chlich getrunken hat. Vom eucharistischen Kelch aber heißt es: „Nehmet hin und trinket alle daraus“, was besagt: Das eucharistische Blut wird jeweils fĂŒr die konkret zur Eucharistie versammelte Gemeinde vergossen, was auch das urtextlich-griechische PrĂ€sens im biblischen Kelchwort verdeutlicht, das die deutsche Übersetzung liturgisch ĂŒbernimmt:  „das fĂŒr euch und fĂŒr viele vergossen wird“. Im Abendmahlssaal hat Christus demnach nicht gesagt: „das fĂŒr euch und fĂŒr viele vergossen werden wird“ und in unseren heiligen Messen heißt es auch nicht: „das fĂŒr euch und fĂŒr viele vergossen worden ist“.

Gemeinde und Kirche als Eucharistiegemeinschaft in ihrer Offenheit und Stellvertretung fĂŒr viele
Die jeweils jetzt zur Eucharistie versammelte, gottesdienstliche Gemeinschaft ist aber nicht selbstgenĂŒgsam und in sich abgeschlossen, sondern auf viele hin offen, mit denen sie durch die Feier ein und derselben Eucharistie verbunden ist. Zu diesen vielen gehören deshalb auch alle hinzu, die durch die Zeiten hindurch, vor uns und nach uns, das eucharistische Opfer gefeiert haben und noch feiern werden.

Es ist zugleich aber ein Faktum, dass nicht alle Menschen die Eucharistie feiern

Deswegen kann es eigentlich vom eucharistischen Bundesblut nur heißen, dass es „fĂŒr euch und fĂŒr viele“ vergossen wird. Das ist also kein Widerspruch dazu, dass Christus sein Blut am Kreuz „fĂŒr alle“ vergossen hat, und selbstverstĂ€ndlich ist das eucharistische Blut Christi ohne Vorgriff im Abendmahl oder in unseren heiligen Messen im RĂŒckgriff auf dieses historisch am Kreuz physisch vergossene Blut gar nicht möglich.

Außerdem trifft es selbstredend auch zu, dass nicht alle das am Kreuz historisch erwirkte Heil fĂŒr sich annehmen und dass Gott diese Entscheidung des freien menschlichen Willens anerkennt und nicht gleichsam einfach ausschaltet, aber fĂŒr die Formulierung „fĂŒr viele“ im Kelchwort scheint das bei genauerer Betrachtung nicht der eigentlich ausschlaggebende Grund zu sein.

Ein neues, eucharistisches Alle

Immerhin wird das „fĂŒr euch und fĂŒr viele“ in eine neue, eucharistische Gesamtheit gewendet, indem es vom Bundeskelch heißt: „Nehmet hin und trinket alle daraus“: In diesem Sinne bedeutet das auch, dass die Absicht Gottes, durch Jesus Christus alle zu erlösen, nicht etwa fehlgeschlagen ist, sondern sich in einem neuen, eucharistischen Alle erfĂŒllt, das theologisch an die Dimension und Funktion der Stellvertretung im Opfer Christi anschließt und diese fortfĂŒhrt.

Was die im Kelchwort mit fĂŒr viele ausgesagte Wirksamkeit des Erlösungsopfers Christi anbelangt, so ist sie nicht negativ als Verringerung gegenĂŒber einem möglichen fĂŒr alle aufzufassen, sondern vielmehr positiv zu betonen, dass nirgends in den biblischen und liturgischen Quellen zur Eucharistie gesagt wird, Christi sich hinopferndes Blutvergießen werde im Endeffekt nur fĂŒr wenige fruchtbar. Jedenfalls von diesen Zeugnissen zur Eucharistie her ist folglich ein Heilspessimismus, der ĂŒberwiegen wĂŒrde, aus dem Glauben der Kirche nicht zu begrĂŒnden.

Das neue eucharistische Alle ist freilich gemĂ€ĂŸ der Mahnung des Apostels Paulus in 1 Kor 11, 26-29  nicht unbedingt mit allen identisch, die aus dem Bundeskelch Christi trinken, sondern erfordert Unterscheidung und Entscheidung, soll er der Kelch des Heiles und Christi Blut nicht die Quelle des Gerichtes sein. Die dazu notwendige PrĂŒfung hat ein jeder selbst zu treffen und zu verantworten, die Kriterien aber, welche die GlĂ€ubigen dabei leiten mĂŒssen, sind in Katechese und VerkĂŒndigung immer wieder neu ins GedĂ€chtnis zu rufen und aufzufrischen.

Stets obligatorische Kelchkommunion aller Kommunikanten?

Unserer Interpretation könnte der Einwand begegnen, dass das neue eucharistische Alle, von dem wir sprachen, den Kommunionempfang unter beiderlei Gestalt stets fĂŒr alle Kommunikanten obligatorisch mache. Die Kommunion unter beiderlei Gestalt war in der Westkirche lange ĂŒberhaupt nicht ĂŒblich und ist auch heute nicht die praktische Norm. TatsĂ€chlich wĂ€re sie, rein dogmatisch betrachtet, angemessen, doch die GrĂŒnde, die aus ErwĂ€gungen der leichteren Kommunionspendung und der Ehrfurcht zur regulĂ€ren GlĂ€ubigenkommunion unter der Gestalt des Brotes allein gefĂŒhrt haben, sind bekannt und legitim. Das dogmatische Mindesterfordernis, das sich aus diesem eucharistischen Alle ergibt, ist vielmehr damit gegeben, dass sich das Messopfer in der getrennten Doppelkonsekration von Brot und Wein vollzieht und der Zelebrant deshalb erlaubt und gĂŒltig stets nur unter beiderlei Gestalt konsekrieren kann und immer unter beiderlei Gestalt kommunizieren muss.

Zerbröckelter philologisch-exegetischer Konsens – bleibende Glaubensaussage

FĂŒr diejenigen, denen es jetzt schwerfĂ€llt, sich von der seit 1975 gewohnten Fassung des Kelchwortes mit „fĂŒr euch und fĂŒr alle“ zu verabschieden, ist es wichtig, mit dem Hinweis abzuschließen, dass diese Formulierung seinerzeit nicht getroffen wurde, um eine theologisch gegenĂŒber dem Vorherigen andersartige Aussage zu machen, sondern wegen eines damals bestehenden, breiten Konsenses der Exegeten, das griechische Neue Testament bilde hier eine sprachliche Eigenheit des hebrĂ€ischen Alten Testaments nach, auf die die Formulierung zurĂŒckgreife, und der Ausdruck bedeute eigentlich „fĂŒr alle“. Dieser Konsens besteht heute nicht mehr; der Papst sagt in seinem Schreiben an Erzbischof Zollitsch fast poetisch, er sei „zerbröckelt“.

In der dort entfalteten Argumentation macht Benedikt XVI. aber vor allem eines deutlich: Die Ebenen der Exegese und des Dogmas sind nicht miteinander zu verwechseln,  erst recht nicht die Differenz von Philologie und Theologie zu verwischen. Das fĂŒr viele nimmt dem universalen Heilswillen Gottes nichts von seiner GrĂ¶ĂŸe, vor allem aber nimmt es keine vorgebliche Allerlösungslehre des II. Vaticanums zurĂŒck, die traditionalistische Gegner und solche, die die jetzige Entscheidung des Papstes deswegen kritisieren, oft und beide zu Unrecht in das fĂŒr alle hineinlesen wollten. Auch deshalb, weil die bisherige deutsche Fassung „fĂŒr euch und fĂŒr alle“ bei manchen in der Tat einer solchen Sichtweise und Lesart Vorschub geleistet hat, ist sie jetzt zu korrigieren und in vorbereitender liturgischer Katechese aufzuarbeiten.

Foto: Kelch – Bildquelle: Patnac, Creative Common

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