Benedikt XVI. – Letzte Gespräche. Mit Peter Seewald.

Eine Buchbesprechung von Hans Jakob Bürger.
Erstellt von Hans Jakob Bürger am 12. September 2016 um 15:01 Uhr

Vor wenigen Tagen erschien das lang erwartete letzte Interviewbuch mit Papst Benedikt XVI., der 2013 vom Petrusamt zurückgetreten war. „Letzte Gespräche“ heißt das Interviewbuch mit Peter Seewald, dem Publizisten und Papstkenner, im Englischen gar „Last Testament“, was dann doch etwas zu „monumental“ ist, wenn man das Buch gelesen hat. Kurzweilig und schnell gelesen, handelt es sich nach „Salz der Erde“ sowie „Gott und die Welt“ mit Kardinal Ratzinger und „Licht der Welt“ mit dem amtierenden Papst Benedikt um das vierte Buch dieser Art. Verschiedentliche Besprechungen und Auszüge beleuchten unterschiedliche Aspekte des Werkes. In diesem Beitrag sollen einige Gedanken aus der Perspektive der „Tradition“ niedergeschrieben werden.

Viel Neues gibt es eigentlich nicht, muss man sagen. Auf die Frage, welche Theologen er am meisten schätze, antwortet Papst Benedikt mit den Namen Henri de Lubac und Hans Urs von Balthasar, beide zumindest in Teilen ihres Werkes umstrittene Gestalten.

Das Motuproprio „Summorum Pontificum“ zur weitgehenden Wiederherstellung der überlieferten Liturgie wird von Peter Seewald mit einigen Fragen kurz gestreift, wobei er sich auf die Karfreitagsfürbitte konzentriert. Der Papst sagt in diesem Zusammenhang: „Aber wir hatten ja inzwischen, schon bei Johannes Paul II., einige Gruppierungen mit alten Liturgien, zum Beispiel die Petrusbruderschaft. Es gab also bereits viele Ordensgemeinschaften, Gläubigengemeinschaften, die die alte Liturgie feierten. Mit der alten Karfreitagsliturgie, die wirklich so nicht anzunehmen ist.“ Wenig später spricht er konkreter über den „alte[n], unzumutbare[n] Text mit den perfidi Iudaei“. Nun ist der Ausdruck „perfidus“ tatsächlich aufgrund seiner Konnotationen in manchen Übersetzungen unglücklich, wörtlich („treulos“) jedoch schwerlich „unzumutbar“. Abgesehen davon ist im Missale Romanum von 1962, das in den traditionstreuen Gemeinschaften verwendet wird, der Ausdruck „perfidus“ gestrichen. Es ist erstaunlich, dass Papst Benedikt hier so schwach argumentiert, aufgrund unzureichender Informationen über die historische Entwicklung der Karfreitagsfürbitte.

Insgesamt habe er das Motuproprio „Summorum Pontificum“ nicht als Entgegenkommen gegenüber der Piusbruderschaft erlassen („Das ist eben absolut falsch!“), sondern damit „die Kirche selber innerlich, mit ihrer eigenen Vergangenheit, eins ist“. Geleichzeitig sei „auch das ein Punkt, dass in dem Augenblick, in dem man eine Kirchenspaltung heraufziehen sieht, der Papst verpflichtet ist, das Mögliche zu tun, damit sie verhindert wird. Dazu gehört auch der Versuch, diese Menschen wenn möglich wieder in die Einheit der Kirche zurückzuführen.“

Die sogenannte Williamson-Affäre 2009 wird kurz angesprochen, allerdings ohne neue Informationen zu liefern. Papst Benedikt XVI. gesteht erneut ein, dass ihm die Äußerungen des Bischofs zur Schoah nicht bekannt waren, und sagt über die Päpstliche Kommission „Ecclesia Die“: „Ich sehe die Schuld nur bei dieser Kommission. Und die habe ich gründlich umgeformt.“ Peter Seewald äußert sich im Vorwort sowie in einer Fußnote, die von mangelnder Unterscheidungsgabe zeugen. Im Vorwort heißt es: „Weder war Williamson je katholisch, noch wurde er wieder in die katholische Kirche aufgenommen oder die von Rom getrennte Bruderschaft rehabilitiert.“ Zumindest der erste Teil ist definitiv inkorrekt, während die letzten beiden Punkte davon abhängen, auf welche Weise der Leser sie interpretiert. In der Fußnote schreibt Seewald, der Fall sei zum Politikum geworden, „allen Erklärungen des Vatikans zum Trotz, Holocaust-Leugner hätten in der katholischen Kirche nichts zu suchen“. Das ist insofern eine falsche Darstellung, als „Holocaust-Leugnung“ ein historischer Irrtum ist, sicherlich ein besonders tragischer, aber dennoch den Glauben an sich nicht betrifft. Die Kirche kann niemanden exkommunizieren, bloß weil er historische Fakten und Tatsachen bestreitet.

Ein letzter interessanter Punkt betrifft den Wechsel des Zeremonienmeisters von Piero Marini zu Guido Marini. Allgemein wurde dies von Katholiken, besonders jenen, die eine „Reform der Liturgiereform“ erhofften, als wichtiges Zeichen gesehen. In dieser Hinsicht gibt Papst Benedikt über Piero Marini lediglich recht lapidar zu Protokoll: „Nein, er war und ist ein sehr guter Mann. Gut, er ist liturgisch progressiver als ich, das macht aber gar nichts. Aber er war auch selbst der Meinung, dass es für ihn Zeit sei, dieses Amt zu beenden. Und so ergab es sich, dass nach Marini eins Marini zwei folgte.“ Es dürfte also tatsächlich der Fall sein, dass zumindest einigen Handlungen des Papstes von guten Katholiken zu große Bedeutung beigemessen wurde.

Hans Jakob Bürger

Benedikt XVI.
Letzte Gespräche. Mit Peter Seewald.
Droemer 2016
288 Seiten; 19,99 Euro
ISBN: 978-3426276952

Foto: Bucheinband Benedikt XVI., „Letzte Gespräche“ – Bildquelle: Doemer

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