Bekenntnis für die Freude am Herrn

Georg Dietlein über Sinn und Sinnlosigkeit des Zölibates in moderner Zeit.
Erstellt von kathnews-Redaktion am 16. Februar 2011 um 17:07 Uhr

Der bekannte Kirchenhistoriker Arnold Angenendt veröffentlichte kürzlich in der Süddeutschen Zeitung einen Aufsatz mit dem Titel „Die Angst der Kirche vor der Sexualität“. Der Text lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: „Der Zölibat basiert auf einem archaischen Reinheitskult, den Jesus überwinden wollte.“ Damit sei der Zölibat nicht mehr zeitgemäß, ja gar nicht mit der Lehre Jesu in Einklang zu bringen. Die Aussage Angenendts über einen der historischen Ursprünge des Zölibats wird sich wissenschaftlich halten lassen. Man wird auch noch weitere, ganz pragmatische Gründe für die Etablierung des Zölibats anführen können. Doch dies alles trifft nicht den Kern der Debatte. Die gesellschaftlichen Umstände der Kirche haben sich verändert, der Sinn des Zölibates nicht. Seine Begründung ist nicht historisch, sondern theologisch.

Kirche und Sexualität

Das Thema „Kirche und Sexualität“ hat nicht nur das vergangene Jahr 2010, sondern bereits die vergangenen Jahrzehnte kirchlicher Vergangenheit geprägt. So veröffentlichte Uta Ranke-Heinemann ihr Buch „Eunuchen für das Himmelreich – Katholische Kirche und Sexualität“ bereits vor mehr als 20 Jahren. Die grundlegende Debatte um den Zölibat ist damit keine Novität. Die Situation der Kirche in Deutschland hat sich wenig verändert. „Kirche und Sexualität“ ist zum plakativen Thema in den Medien geworden. Mit keiner anderen Frage werden Kirchenmänner so häufig torpediert wie mit dieser. Es geht um Fragen zur Verhütung, zur kirchlichen Sexualmoral, zur gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft, zum Zölibat bis hin zu den Skandalen des sexuellen Missbrauchs. Sicherlich: Fragen zur Sexualmoral der Kirche sind wichtig und richtig. Sie tragen zum Verständnis der Morallehre bei und lassen sie näher im Lichte des Evangeliums verstehen. Wer die Kirche allerdings auf ihre „Moral“ reduziert und ihre Amts- und Dienstträger zu „Moralaposteln“ stilisiert, verkennt die Sendung der Kirche als Sakrament Christi, die Glaube und Hoffnung in die Welt trägt.

Der Ruf der Kirche ist kein stumpfes „Ihr dürft nicht“. Wer so argumentiert, hat bereits die Zehn Gebote nicht verstanden, die man besser „Lebensweisheiten“ der Freiheit nennen müsste. Von Gott her ist uns aber versprochen: „Ihr seid das Salz der Erde“ – „Ihr seid das Licht der Welt“. Erst aus dieser freimachenden und vertrauensvollen Botschaft des Herrn folgt die Antwort des Christen: Glaube, Hoffnung und Liebe, die sich im Denken, Leben, Handeln und somit auch in Wertund Moralvorstellungen des Menschen niederschlagen. Die Debatte um „Kirche und Sexualität“ darf nicht vom christlichen Glaubensgut losgelöst geführt werden. Die Entscheidung der Kirche für oder wider den Zölibat kann und muss im Lichte des Evangeliums begriffen werden.

Sinn und Unsinn des Zölibates

In diesen Tagen häufen sich die Stimmen, die für die Abschaffung des Zölibats eintreten. Sie gründen, so meine ich, nicht in einem übereilten Reformwillen oder in latenter Untreue zur Kirche. Auch Spalter, Reformatoren und Innovatoren meinten es „gut“ mit der Kirche. Der Anlass für Reformen liegt meist in Missverständnis, Unkenntnis und Übereilung. Dies gilt auch für „Kirche 2011 – Ein notwendiger Aufbruch“. Die angemahnte „Lockerung“ des Zölibats basiert auf Missverständnissen über den tieferen, den theologischen Sinn der priesterlichen Ehelosigkeit. Ohne Frage: Interpretiert man den Zölibat rein aus ökonomischen Gründen – Einsatzfähigkeit und zeitliche Kapazitäten der Priester im Verhältnis zur sinkenden Anzahl der Priesteramtsanwärter, wohlmöglich gerade wegen der durch das Zölibat auferlegten Einschränkungen –, so mag man über Sinn und Sinnlosigkeit nachdenken. Der Priestermangel ist ein starkes „betriebswirtschaftliches“ Argument gegen den Zölibat – aus den Augen der Personalwirtschaft. Solche Maßstäbe sind auch legitim, da sie mit dem Zölibat nicht an „göttlichem Recht“ (ius divinum) rütteln. Es sind aber nicht die Maßstäbe der Kirche.

Ein Bekenntnis für die Freude am Herrn

Der Zölibat ist Bekenntnis für die Freude am Herrn. Die Kirche gibt ihren Priestern und Bischöfen auf in Ehelosigkeit zu leben, da ihr geistliches Amt nicht bloß Erwerbstätigkeit, Beruf und Dienstleistung darstellt. Die Sendung, die mit dem Weihesakrament vollendet wird, ist Geschenk Christi und fordert den Christen – als ganzen – heraus. Mit der Weihe tritt der Christ nicht nur in ein neues Arbeitsverhältnis, sondern auch in ein neues Daseins-Verhältnis. Er wird Christus zur Seite gestellt, soll ihn in seiner Beziehung – ganz auf Gott hin und ganz von Gott her – vor der Gemeinde sichtbar machen. Priesterliches Dasein ist eine Lebensaufgabe. Sie bedeutet Verzicht auf das viele, was das Leben bietet. Sie bedeutet damit aber auch Konzentration auf den einen, der das Leben ist, Fokussierung auf das „Wesentliche“ und damit eine tiefere Erfüllung des Lebens. Sicherlich ist das Zölibat nur eine von vielen Formen der Nachfolge Christi. Ein Leben nach den evangelischen Räten, zu denen eben auch die Ehelosigkeit gehört, gibt aber besonderes Zeugnis davon ab, wie sich allein aus der Beziehung zu Gott, aus der Freude am Herrn leben lässt. Diese Lebensform ist sakramental, da sie die Lebensform Christi abbildet.

Dass das Zölibat für viele in diesen Tagen „skandalon“ ist, Anstoß erregt und Unverständnis auslöst, liegt auf der Hand. Dies war bei Christus im Kontext seiner Zeit nicht anders: Wie kann ein Mensch von sich behaupten Gottes Sohn zu sein? – Heute fragen wir uns: Wie kann ein Mensch sein ganzes Leben, alles, was er hat, an Gott binden? Wie kann er sich überhaupt lebenslang binden? Diese Fragen dürften auch die „Theologieprofessoren“ bewogen haben, den Zölibat als unzeitgemäß anzusehen. – In dieser Pointe liegt aber der Sinn des Zölibates. Es ist gerade die

Verschiedenheit von „zeitgemäßen“ Lebensformen, die Zeitlosigkeit und die Hingabe, die den Zölibat prägen. Diese Andersartigkeit der ehelosen Lebensform in unserer modernen Gesellschaft lässt uns über den eigentlichen Sinn des Lebens nachdenken. Die Kirche gibt uns mit dem Zölibat eine klare Antwort: Lebt ganz aus der Freude am Herrn! – Zuletzt ist es damit die Kirche selbst, die von diesem beeindruckenden persönlichen Zeugnis einzelner lebt.

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