Barmherzigkeit verlangt nach Wahrheit

Eine theologische Antwort auf die Aussagen von Erzbischof Robert Zollitsch.
Erstellt von Mag. Michael Gurtner am 2. September 2011 um 19:00 Uhr

Immer wieder ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu hören gewesen, die Kirche wĂ€re unbarmherzig und hart gegen jene Menschen, deren Ehe nach außen hin gescheitert ist. Der Ruf nach Barmherzigkeit wird laut und mit Stellen aus der Heiligen Schrift belegt. Daß dieser Ruf seitens mancher Betroffenen kommt mag noch nachvollziehbar sein. Wenn er aber von Theologen und Gelehrten kommt, so wirkt er befremdlich und lĂ€ĂŸt die Frage aufsteigen, welches Bild von Ehe, Treue und Sakrament diesem Ruf zugrundeliegt, und auch wie es um die kirchenrechtliche und sakramententheologische Ausbildung bestellt sei. Es hĂ€ngt letztlich ein ganzes BĂŒndel an Fragen mit der Forderung nach der Zulassung zu den heiligen Sakramenten zusammen, und dieses BĂŒndel möchte man mitunter aufknĂŒpfen und entflechten was zusammengehört.

Ein falsches ExkommunikationsverstÀndnis

Ein wesentlicher Grundfehler in der Diskussion ist ein falsches VerstĂ€ndnis der Exkommunikation. Dieser Begriff wird oftmals (etwa auch in anderen Debatten wie etwa der Abtreibung) sehr verkĂŒrzt verstanden. TatsĂ€chlich mĂŒĂŸte man prĂ€ziser werden und wieder besser unterscheiden zwischen der Exkommunikation als Kirchenstrafe und der „Exkommunikation“ auf Grund von moralischen Defekten, sowie der „Exkommunikation“ aus dogmatischen GrĂŒnden bzw. aus GlaubensmĂ€ngeln. Im allgemeinen VerstĂ€ndnis und Sprachgebrauch erfolgt in der Mehrheit der FĂ€lle die logische Gleichung: „darf nicht zur Kommunion = Exkommunikation = ist aus der Kirche ausgeschlossen“. Ein solches VerstĂ€ndnis ist jedoch völlig verkĂŒrzt und trifft nicht den Kern der Tatsache, ist aber insofern nachvollziehbar, als alle drei Formen dieser „Exkommunikation“ als eine gemeinsame Folge haben, daß der Betroffene nicht das heilige Altarssakrament empfangen dĂŒrfen. Das ist aber nur eine gemeinsame Folge, bedeutet aber nicht im RĂŒckschluß, daß alles dasselbe wĂ€re.

Um es etwas zu veranschaulichen: wer eine schwere Schuld auf sich geladen hat, etwa indem er öffentlich jemanden niedergemacht hat, muß beichten gehen bevor er wieder die Heilige Eucharistie empfangen darf. In der Zwischenzeit, also zwischen dem Begehen der SĂŒnde und der Beichte, darf er zwar nicht kommunizieren und steht somit nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der Kirche weil auch seine Gemeinschaft mit Gott verletzt ist, aber man kann deshalb nicht im strengen Sinne behaupten er wĂ€re „exkommuniziert“, auch wenn bis zur nĂ€chsten Beichte das Band der Einheit verletzt ist. Dennoch bleibt er auch in dieser Zeit Kirchenglied.

Im Falle der wiederverheirateten Geschiedenen verhĂ€lt es sich so, daß sie nicht im kirchenstrafrechtlichen Sinne exkommuniziert sind. Es ist also nicht die Kirche welche die Strafe verhĂ€ngt, sondern das unmoralische Verhalten der Person hat automatisch zur Folge, daß sie sich nicht mehr im Gnadenstand befindet. Das Nicht-KommunizierendĂŒrfen ist also keine von außen auferlegte (Beuge)Strafe der Kirche, sondern hat als Grund einen moralischen Defekt. Somit handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine natĂŒrliche Konsequenz aus dem eigenen Verhalten, die genau solange andauert, als a) dieses Verhalten andauert und b) gebeichtet ist.

Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Aufhebung durch die Kirche, ja man muß sogar sagen:: die Kirche kann die Person in solch einem Falle gar nicht zulassen, sie hat schlichtweg nicht die AutoritĂ€t dazu, weil die Kirche auf Grund göttlichen Willens eingesetzt ist und diesem Werkzeug ist, und daher nicht autorisiert ist, vom göttlichen Gesetz zu dispensieren. Sie selbst steht ja unter diesem Gesetz, welches dem Menschen das Heilsgesetz ist.

Oder anders ausgedrĂŒckt: jedes Handeln wider dem göttlichen Gesetz wird dem Menschen zum Unheil, so wie das Handeln gemĂ€ĂŸ dem Gottesgesetz diesem zum Heile wird.Kurz gesagt: nicht die Kirche spricht die Exkommunikation als (Beuge)Strafe aus, sondern das objektive Vorhandensein eines Faktums zieht als sakramententheologische, natĂŒrliche Konsequenz nach sich, daß sich der Betroffene auf Grund einer anhaltenden schweren SĂŒnde aktuell nicht im Gnadenstand befindet was zur Folge hat, daß er sich durch sein Verhalten selbst in der Gemeinschaft mit Gott behindert, und daher auch keine volle sakramentale Gemeinschaft möglich ist.

Der Betroffene bleibt jedoch weiterhin Glied der Kirche, wie auch jeder SĂŒnder weiterhin Kirchenglied bleibt. Erst wenn dieser Zustand des Ehebruchs bereinigt ist, kann, nach vorangegangener Beichte, auch die sakramentale Gemeinschaft wieder hergestellt werden. Es handelt sich von daher also nicht um eine (Ă€nderbare)  Entscheidung der Kirche, sondern um ein göttliches Gesetz das auch dann bestehen bleibt, wenn die Praxis eine andere wĂ€re. Doch dann wĂ€re diese Praxis falsch, nicht das göttliche Gesetz!

Auch ein falsches EucharistieverstÀndnis

Aus dem bereits Gesagten erschließt sich uns, daß der Forderung nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie auch ein verkehrtes EucharistieverstĂ€ndnis zugrunde liegt, und zwar dahingehend, daß der Kommunionempfang heute vielfach als ein vorwiegend „sozialer“ Vollzug verstanden wird, als ein Geschehen untereinander, und weniger als ein personales Geschehen zwischen dem Du Gottes und dem Ich des Menschen. Erst durch dieses, – verfehlte – VerstĂ€ndnis konnte die Situation so derart an SchĂ€rfe gewinnen, den erst durch ein vorwiegend soziales VerstĂ€ndnis, in welchem es um Dabeisein oder Nichtdabeisein geht, kann sich das GefĂŒhl des Ausgeschlossensseins entwickeln.

Die Grundfrage lautet also nicht mehr: „Wie sieht mein VerhĂ€ltnis zu Gott aus? Ist es so daß ich ihn sakramental empfangen kann?“, Sondern aus dieser Frage, welche man sich vor dem Sakramentenempfang stellen sollte wurde im Denken vieler die (falsche) Behauptung: „Ich bin Kirchenglied, also kommuniziere ich um dieses sichtbar zu machen. Wer nicht kommunizieren darf, ist umgekehrt auch kein Kirchenglied“.

Wir sehen also, der Forderung nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur heiligen Kommunion liegt ein wesentlicher Irrtum im Sakramenten- und auch im KirchenverstĂ€ndnis zugrunde. Nicht die prinzipielle Zugehörigkeit zur Kirche legitimiert zum Kommunionempfang, sondern das rechte VerhĂ€ltnis zu Gott. Dazu gehört neben dem rechten Glauben auch ein gewisser moralischer Grundspiegel, der aber unterschritten ist, wenn eine schwere SĂŒnde (bzw. TodsĂŒnde) vorliegt.

Behauptet man hingegen, diese Verschiebung im EucharistieverstĂ€ndnis hĂ€tte nicht stattgefunden, sondern man wĂŒrde das EucharistieverstĂ€ndnis der Kirche nach wie vor vollumfĂ€nglich teilen (wobei sich dann erst recht die Frage ergibt weshalb man dann bewußt gegenteilig handelt), so wĂ€re nichts gelöst, denn dann ergibt sich sofort ein weiteres Problem. Denn behauptet man das traditionelle EucharistieverstĂ€ndnis der Kirche und fordert gleichzeitig eine Änderung in der Praxis der Kirche bezĂŒglich der wiederverheirateten Geschiedenen, so impliziert dies notwendiger Weise entweder, daß die Ehe nicht unauflöslich ist, oder daß Ehebruch, das heißt das Handeln gegen diese gottgestiftete Unauflöslichkeit des Ehebundes nicht sĂŒndhaft, d.h. nicht gegen den Willen Gottes ist. Und in beiden FĂ€llen ergeben sich wieder weitere WidersprĂŒche zur Lehre der Kirche.

Barmherzigkeit ist nur in Verbindung zur Wahrheit möglich

Das Barmherzigkeits-Argument, welches manche in dieser Thematik gerne ins Felde fĂŒhren, greift nicht, da es von falschen GrundsĂ€tzen ausgeht und ĂŒberdies davon absieht, daß Barmherzigkeit an Wahrheit geknĂŒpft ist. Es wird der Eindruck einer bösen Kirche und eines bösen Papstes erweckt, der die armen SĂŒnder willkĂŒrlich ausschließt und gleichsam vor der TĂŒre stehen lĂ€ĂŸt. Es ist mehr auf Emotionen basierend als auf objektiver theologischer RealitĂ€t. Denn bei der Barmherzigkeit geht es nicht darum, jedem zu geben was er will (besonders dann nicht wenn, wie oben geschildert, ein falsches VerstĂ€ndnis von Exkommunikation und Eucharistie zugrunde liegen), sondern barmherzig handelt die Kirche dann, wenn sie die theologischen, gottgeoffenbarten RealitĂ€ten auch in ihr Handeln umsetzt. Die Kirche muß sagen und tun was als Wille Gottes geoffenbart und erkannt ist, nicht was mehrheitlich gefordert ist. Es geht bei der Barmherzigkeit um Wahrheit, nicht um Statistik. Vielfach entsteht jedoch der Eindruck, die Kirche solle ihre Lehre und ihre Praxis den „LebensrealitĂ€ten“ anpassen. Dies ist jedoch, unabhĂ€ngig von jedem Thema, per se falsch. Die Erkenntnisquelle der Kirche ist keine Statistik und keine Umfrage, sondern die Offenbarung Gottes. Davon kann sie sich nicht dispensieren, weil die Kirche an Gott gebunden und fĂŒr seine Zwecke eingesetzt ist.

Der Kirche geht es nicht vorrangig um das irdische Wohl, auch wenn ihr dies im rechten Rahmen immer ein wichtiges Anliegen war  (die Diakonie ist ja seit frĂŒhesten Zeiten ein wichtiger Bereich der Kirche gewesen, auch wenn sich das eigentliche Interesse der Kirche nicht allein darin erschöpft), sondern um das ewige Heil. Deshalb ist die Frage der Kirche nicht: „was wollen die Menschen?“, sondern deren Frage muß sein: „Was will der Herr? Und was tut den Menschen fĂŒr ihr ewiges Heil gut?“.

Ein Kind, welches eine bunt leuchtende, aber Ă€tzende FlĂŒssigkeit probieren will, wird protestieren wenn die gute Mutter es ihm verbietet. Es wird mit UnverstĂ€ndnis reagieren. Aber zum Wohl des Kindes kann die Mutter dem Willen des Kindes nicht nachkommen, soviel das Kind auch lamentieren mag.

Ähnlich verhĂ€lt es sich mit der Kirche: vieles was im Sturm des Augenblicks mitunter massiv gefordert wird ist zum Wohl des ewigen Seelenheils der Menschen nicht erfĂŒllbar. In Zeiten, in welchen definitive Entscheidungen generell unverstĂ€ndlich erscheinen (Ehe, Zölibat, Klosterbindungen etc) muß die Kirche um so mehr die Ehe schĂŒtzen. Wie gesagt, die Nichtzulassung wiederverheirateter Geschiedener zum Altarssakrament ist keine Erfindung der Kirche, sondern notwendige Konsequenz des göttlichen Gesetzes: wer sich in einer schweren Schuld befindet (und ein weiteres eheĂ€hnliches VerhĂ€ltnis neben einer bestehenden Ehe ist fĂŒr die Dauer seines Bestehens ein Zustand der schweren SĂŒnde) schadet sich und seiner Seele selber, er „ißt sich das Gericht“, wie Paulus sagen wĂŒrde, wenn er außerhalb des Gnadenstandes kommuniziert. Die Hemmschwelle zur Kommunion im Stand der schweren SĂŒnde dem Schein nach zu legitimieren wĂŒrde bedeuten, das Seelenheil der Menschen zu gefĂ€hrden.

Das Bewußtsein darum, nicht kommunizieren zu dĂŒrfen, hat als einen „Nebeneffekt“ zumindest auch einen pĂ€dagogischen Wert, auch wenn dieser nicht der eigentliche Grund ist. Aber es wird so doch etwas deutlicher, daß dieser Zustand kein Zustand der Ordnung und des normalen Laufes ist, sondern ein makelhafter.

Und letztlich muß man auch an all jene denken, welche unschuldig an einer Scheidung leiden weil sie etwa verlassen worden sind: wĂŒrde es nicht den Anschein erwecken, daß die Kirche nicht unbedingt etwas dagegen hat und es zumindest ein StĂŒck weit versteht, wenn der eine Partner den anderen verlĂ€ĂŸt? WĂŒrde es nicht den Eindruck erwecken, es wĂ€re ein StĂŒck weit „normal“  und legitim im Laufe des Lebens unterschiedliche Lebensabschnittspartner zu haben?

Die Kirche sagt nicht, alle Ehepartner mĂŒssen selbst in extremen HĂ€rtefĂ€llen auf Biegen und Brechen zusammenbleiben. Doch fĂŒr solche FĂ€lle hat sie andere (Rechts)Mittel vorgesehen, welche mit dem Dogma kompatibel sind, etwa die kaum bekannte und selten angewandte „Trennung von Tisch und Bett“. Die Kirche ist elastisch genug, um in gerechtfertigten EinzelfĂ€llen angemessen reagieren zu können und dem göttlichen Willen treu zu bleiben.

Doch was die Kirche nicht kann, ist ĂŒber den Willen Gottes hinauszugehen. Sie ist an diesen Willen in allen seinen Bereichen ebenso gebunden, wie der Mensch an Werden und Vergehen gebunden ist. Man kann es leugnen zu sein, und man kann leugnen sterben zu mĂŒssen. Doch dieses Leugnen Ă€ndert letztlich nichts am Faktum. Ebenso Ă€ndert auch eine abweichende Lehre oder Praxis nichts an der Wahrheit Gottes. Wie unbarmherzig es doch wĂ€re, den Menschen die göttliche Barmherzigkeit der Wahrheit vorzuenthalten, welche die Wahrheit des Heiles ist.

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