Kirchenrechtliche Anmerkungen zum Dekret des Patriarchen von Jerusalem

Ein Kommentar von Dr.iur.can. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 16. November 2011 um 22:23 Uhr
Dr. Gero P. Weishaupt

Mit Datum vom 23. September 2011 hat der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Mgr. Fouad Twal, unter der Protokollnummer 49/2011 ein Dekret erlassen, mit dem er die Zelebration der heiligen Messe in der sogenannten außerordentlichen Form des Römischen Ritus an den PilgerstĂ€tten und HeiligtĂŒmern im Heiligen Land regelt.  Vorher  hatte er die Zustimmung des Bischofsrates eingeholt. Das Dekret richtet sich an alle Rektoren der Basiliken und HeiligtĂŒmer im Heiligen Land.

Aufruf zu wohlwollendem Geist

Dieses Dekret ist zu begrĂŒĂŸen, weil es sich als eine AusfĂŒhrungsbestimmung des Motu Proprio “Summorum Pontificum” vom 7.7.2007 und der nachfolgenden Instruktion “Universae Ecclesiae” vom 30. April 2011 versteht.  So ruft es die Verantwortlichen an den Basiliken und HeiligtĂŒmern zu einem wohlwollenden Geist, pastoralem Eifer und pastoraler Klugheit in Bezug auf die Feiern der Liturgie in der klassischen römischen Liturgie auf (Dekret, Nr. 1).  Ferner sollen die Rektoren dafĂŒr Sorge tragen, dass in den Basiliken und HeiligtĂŒmern, fĂŒr die sie Verantwortung tragen, das Römische Missale von 1962 zur VerfĂŒgung steht fĂŒr Gruppen, die die Messe in der klassischen Form zu feiern wĂŒnschen (Dekret, Nr. 3). Ferner sollen die entsprechenden liturgischen GewĂ€nder und GegenstĂ€nde fĂŒr die Feier der außerordentlichen Form vorhanden sein (Dekret, Nr. 5).

Theologische Falschaussage

Jede Basilika und jedes Heiligtum soll mit einem Seitenaltar ausgestattet sein fĂŒr die Feier der klassischen Form ausgestattet (Dekret, Nr. 6). Zu bedauern ist, dass das Dekret in diesem Zusammenhang von einer Zelebration “mit dem RĂŒcken zum Volk” spricht, was theologisch falsch ist und nicht zutrifft. Der Zelebrant kehrt den GlĂ€ubigen nicht den RĂŒcken zu, sondern Volk und Zelebrant sind gemeinsam auf den Herrn gerichtet, wie der heilige Augustinus es zutreffend formuliert hat (“Conversi ad Dominum”).

WĂŒrdigung der pĂ€pstlichen EinheitsbemĂŒhungen

Zu begrĂŒĂŸen ist ebenfalls, dass das Dekret (Nr. 10) den Priestern  der Piusbruderschaft die Feiern von Privatmessen in den Basiliken und HeiligtĂŒmern erlaubt. Diese Möglichkeit trĂ€gt einerseits dem kirchenrechtlichen Faktum Rechnung, dass die Exkommunikation von vier Bischöfen von Papst Benedikt XVI. im Januar 2009 aufgehoben worden ist, anderseits nimmt es die EinheitsbemĂŒhungen des Apostolischen Stuhles und den Wunsch des Papstes um Einheit mit der Piusbruderschaft ernst.

Kritische Anfragen

Umso mehr erstaunt es, dass das Dekret auch Regelungen trifft, die weder mit dem Motu Proprio “Summorum Pontificum” noch mit der Instruktion “Universae Ecclesiae” in Einklang stehen.

Widerrechtlich

ZunĂ€chst fĂ€llt auf, dass das Dekret die Feier der außerordentlichen Form des Römischen Ritus in den Basiliken und HeiligtĂŒmer auf auswĂ€rtige Pilgergruppen beschrĂ€nkt. Dabei beruft es sich auf das Motu Proprio “Summorum Pontificum” und die Instruktion “Universae Ecclesiae”, obwohl diese EinschrĂ€nkung beiden pĂ€pstlichen Dokumenten widerspricht. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Katholiken, die im Heiligen Land nach can. 102 des kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983) ihren Wohn- oder Nebenwohnsitz haben und zu den heiligen Orten pilgern, die heilige Liturgie in der außerordentlichen Form nicht feiern dĂŒrfen, ja offensichtlich davon ausgeschlossen werden. Ferner erklĂ€rt das Dekret die Feier der außerordentlichen Form in den Basiliken und HeiligtĂŒmern als “ausnahmsweise”. Auch das widerspricht Vorgaben des pĂ€pstlichen Gesetzgebers. Sooft GlĂ€ubige die klassische römische Liturgie feiern wollen, ist ihnen das zu ermöglichen. Wo regelmĂ€ĂŸig solche WĂŒnsche an die jeweiligen Rektoren herangetragen werden, ist die Feier der forma extraordinaria zu ermöglichen und damit keine Ausnahme mehr, sondern Regel. Das Dekret zeigt die  Tendenz, das Recht der GlĂ€ubigen, die der klassischen Form des römischen Ritus anhĂ€ngen, widerrechtlich einzuschrĂ€nken.

Restriktiv

Davon zeugt auch die die Aussage, dass nur solche auswĂ€rtige Gruppen zur Feier der klassischen Liturgie zugelassen werden können, die sie auch in ihren HeimatlĂ€ndern feiern. Damit sind Gruppen, die sich im Heiligen Land zur Feier der alten Liturgie entschließen, entgegen dem Willen des pĂ€pstlichen Gesetzgebers ausgeschlossen.

Diskriminierung und Generalmisstrauen

Es widerspricht beiden Dokumenten des pĂ€pstlichen Gesetzgebers, wenn das Dekret in Nummer 2 normiert, dass der Rektor des jeweiligen Basilika oder des jeweiligen Heiligtums vom Priester, der die heilige Messe in der klassischen römischen Form feiern möchte, das “Zelebret” fordern soll. Da sowohl die ordentliche wie die außerordentliche Form rechtlich gleichgestellt sind, mĂŒĂŸte konsequenterweise auch von jedem Priester ein Zelebret vorgelegt werden, der die ordentliche Form des Römischen Ritus zelebrieren möchte. Hier zeigt sich eine Diskriminierung der “alten” Liturgie und ein Generalmisstrauen gegenĂŒber Priestern, die die sie zu zelebrieren wĂŒnschen. Zudem ist es sinnlos, ein Zelebret zu fordern, da dieses kanonische Dokument keine Angabe macht ĂŒber die FĂ€higkeit, die Liturgie in der außerordentlichen Form zu feiern. Ein Zelebret macht Angaben ĂŒber die empfangene Priesterweihe und die Befugnis Beichte zu hören. Ferner macht gibt es darĂŒber Auskunft, ob der betreffende Priester frei ist von kanonischen Strafen und IrregularitĂ€ten. Es ist daher nicht einsichtig, warum im Blick auf die Feier der außerordentlichen Form ein Zelebret vorzulegen ist. Diese Bestimmung ist im Dekret fehl am Platz.

ÜberflĂŒssige Bestimmung

Die Bestimmung der Nummer 3 des Dekretes, wonach kein Priester zu der Feier der heilige Messe in der außerordentlichen Form zugelassen werden kann, der nicht den Ritus kennt, ist ĂŒberflĂŒssig. Diese Norm wird sowohl im Motu Proprio als auch in der Instruktion festgelegt und bedarf keiner Wiederholung in einem solchen Dekret.

Zustimmung des Ortspfarrers

Wenn das Dekret in Nummer 8 vorschreibt, dass die Rektoren von Basiliken und HeiligtĂŒmern nur dann die Spendung der Sakramente der Taufe, der Firmung und der Ehe erlauben dĂŒrfen, wenn sie vorher die Zustimmung des Ortsordinarius eingeholt haben, so trifft dass nur bedingt zu. Die Instruktion “Universae Ecclesiae” knĂŒpft die Feier in der forma extraordinaria nicht an die Zustimmung des jeweiligen Ortsordinarius. Es erklĂ€rt lediglich, dass an allen “HeiligtĂŒmern und Wallfahrtsorten” “den Pilgergruppen, die darum bitten, die Feier der forma extraordinaria ermöglicht werden, wenn ein geeigneter Priester zur VerfĂŒgung steht” (UE, Nr. 18). FĂŒr eine etwaige Genehmigung fĂŒr die Feiern der genannten Sakramente ist nach dem Motu Proprio “Summorum Pontificum” nicht der Ortsordinarius zustĂ€ndig, sondern der Ortspfarrer der Pfarrei, in dessen Territorium sich die Basilika oder das Heiligtum befindet (SP, Art. 9 § 1). Nur fĂŒr den Fall, dass eine Basilika oder ein Heiligtum “exempt” ist, d.h. nicht auf dem Territorium einer bestimmten Pfarrei liegt, wĂ€re die nĂ€chst höhere Instanz der Ortsordinarius.

Bedingte Kompetenz des Bischofs (Patriarchen)

In Nummer 9 des Dekretes wird verfĂŒgt, dass die Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe in der klassischen römischen Liturgie ohne schriftliche Zustimmung des Patriarchen von Jerusalem niemals erlaubt sei. Eine Übertretung dieser Bestimmung wird mit einer Strafe bedroht. Hier wird ĂŒbersehen, dass die Instruktion “Universae Ecclesiae” in Nummer 31 hoheitlich erklĂ€rt, dass die Spendung von (niederen und höheren) Weihen ausschließlich (dumtaxat) in den Instituten erlaubt ist, “die der PĂ€pstlichen Kommission Ecclesia Dei unterstehen”. Damit sind Weihen in der klassischen römischen Liturgie in Diözesen ausgeschlossen. Kein Bischof (Patriarch) darf ohne Zustimmung des Apostolischen Stuhles, d.h. der PĂ€pstlichen Kommission Ecclessia Dei, solche Weihen spenden oder spenden lassen. Der Bischof (bzw. Patriarch) darf erst schriftlich Zustimmung dazu erteilen, wenn er die erforderliche Erlaubnis des Apostolischen Stuhles eingeholt hat. Den Sinn dieser restriktive Norm erlĂ€uterte der SekretĂ€r der PĂ€pstlichen Kommission Ecclesia Dei, PrĂ€lat Guido Pozzo, bei der Vorstellung der Instruktion “Universae Ecclesiae” am Samstag, dem 30. April 2011, auf einem Kongress in der PĂ€pstlichen UniversitĂ€t “Angelicum” folgendermaßen: “Um zu vermeiden, dass die Priesterkandidaten in den Seminaren und die Ordensstudenten in den Graden und Ämtern ihrer Vorbereitung auf die heilige Weihe Unterschiede und Uneinheitlichkeiten erleben und um nicht zu riskieren, sozusagen zwei ‘Parallelwege’ der Vorbereitung zum Priestertum zu schaffen, verdeutlicht die Instruktion, dass lediglich den Zugehörigen der von der Ecclesia Dei errichteten Institute 
 oder jenen, in denen sich die Verwendung der alten liturgischen BĂŒcher durch Genehmigung des Heiligen Stuhles erhalten hat, es erlaubt ist, die Spendung der höheren und niederen Weihen nach dem Alten Ritus zu empfangen.”

Foto: Gero Weishaupt – Bildquelle: Privat

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