Vaticanum II. Die Kirchenkonstitution „Lumen gentium“

Kathnews entspricht den Weisungen von Papst Benedikt XVI.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 18. Januar 2014 um 16:00 Uhr

Einführung von Gero P. Weishaupt: Papst em. Benedikt XVI. hat anlässlich des Jahres des Glaubens und des 50-jährigen Jubiläums der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils dazu aufgerufen, die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils aufmerksam zu lesen. Denn nur von den Texten her erschließt sich uns der „Geist des Konzils“. Einen von den Texten losgelösten „Geist“ gibt es nicht. Er wird zum „Ungeist“, anfällig für eine Anpassung der Kirche, ihres Glaubens an den jeweiligen Zeitgeist, an Mode und Geschmack, eine Karrikatur dessen, was mit Aggiornamento, „Verheutigung“ der Kirche, gemeint ist, nämlich Ausdruck der „bleibenden Vitalität des Glaubens“ (Benedikt XVI.). Wörtlich schreibt Papst Benedikt XVI. in seinem Motu Proprio „Porta fidei“:

„Ich war der Meinung, den Beginn des Jahres des Glaubens auf das Datum des fünfzigsten Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu legen, könne eine günstige Gelegenheit bieten, um zu begreifen, dass die von den Konzilsvätern als Erbe hinterlassenen Texte gemäß den Worten des seligen Johannes Paul II. ‚weder ihren Wert noch ihren Glanz verlieren. Sie müssen auf sachgemäße Weise gelesen werden, damit sie aufgenommen und verarbeitet werden können als qualifizierte und normgebende Texte des Lehramtes innerhalb der Tradition der Kirche […] Ich fühle mich mehr denn je dazu verpflichtet, auf das Konzil als die große Gnade hinzuweisen, in deren Genuß die Kirche im 20. Jahrhundert gekommen ist. In ihm ist uns ein sicherer Kompaß geboten worden, um uns auf dem Weg des jetzt beginnenden Jahrhunderts zu orientieren.‘ Auch ich möchte mit Nachdruck hervorheben, was ich wenige Monate nach meiner Wahl zum Nachfolger Petri in bezug auf das Konzil gesagt habe: ‚Wenn wir es mit Hilfe der richtigen Hermeneutik lesen und rezipieren, dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden.‘“

Texte des Konzils bei Kathnews

Kathnews weiß sich dem Anliegen Papst Benedikts XVI. verpflichtet. Seit dem Beginn des 50-jährigen Konzilsjubiläums im Oktober 2012 veröffentlicht dieses dem Lehramt von Papst und Bischöfen verpflichtete katholische Internetportal ausgewählte Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Hinführung und dem Verständnis der Texte dienen kurze vorausgehende Einführungen. Nachdem die Reihe bis Ende 2012 mit den beiden Erklärungen über die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae) und das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (Nostra aetate) ihren Anfang genommen hatte, richtete sich das Augenmerk im vergangnen Jahr hauptsächlich auf ausgewählte Texte der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes). In den folgenden Monaten dokumeniert Kathnews Texte der Kirchenkonstitution Lumen gentium, die in diesem ersten Beitrag kurz vorgestellt wird.

Allgemeine Einführung in die Kirchenkonstitution Lumen gentium

Lumen gentium, Licht der Völker, mit diesen beiden Wörtern beginnt die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche. Christus selber ist das Licht der Völker. Seine Herrlichkeit soll auf dem Anlitz der Kirche widerstrahlen, damit die Kirche durch ihre Verkündigung alle Menschen mit dem Licht Christi erleuchtet (LG, Art. 1). Es gilt das Wort des heiligen Augustinus, dass durch die Kirche Christus zu den Völkern kommt und zu den Völkern spricht. Zugleich kündigt sich hier bereits das Reformprogramm des Konzils an: Die Herrlichkeit Christi soll durch die Kirche in der heutigen Welt klarer erstrahlen. „Deshalb“, sagen die Konzilsväter, „möchte sie (die Kirche) das Thema der vorausgehenden Konzilien fortführen, ihr Wesen und ihre universale Sendung ihren Gläubigen und aller Welt eingehender erklären“ (LG, Art. 1). Es geht den Konzilsvätern wie in allen Konzilsdokumenten so auch in der Kirchenkonstitution nicht um einen Bruch mit der Tradition, sondern um deren organische Fortführung in Kontinuität mit dem vorausgegangen Lehramt, um, schöpfend aus den Quellen des Glaubens (ressourcement), die „bleibende Vitalität des Glaubens“ (aggiornamento) zu gewährleisten.

Das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) konnte nicht zu Ende geführt werden, weil der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges das verhinderte. Die Konzilsväter hatten zwar noch die von Offenbarung und Tradition vorgegebene Position des Papstes durch die Lehre vom Primat und der Unfehlbarkeit formulieren können, eine Lehre von den  Bischöfen und damit zusammenhängende Aussagen über das Verhältnis von Universal- und Partikularkirche, päpstlicher und bischöflicher Gewalt, konnten sie nicht mehr vortragen.

Die Konzilsväter des Zweiten Vatikanischen Konzils nahmen das vom Vorgängerkonzil festgelegte Programm wieder auf und führten es fort. Durch die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde das Gleichgewicht zwischen Zentralität und Dezentralität, zwischen universalkirchlicher Gewalt des Papstes und partikularkirchlicher Gewalt der einzelnen Bischöfe auf der Grundlage biblisch-patristischer Theologie wiederhergestellt. Des Weiteren griffen die Konzilsväter andere grundsätzliche ekklesiologische Themen auf, wozu ihnen die Laienbewegung, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts ihren Anfang genommen und in der „Katholischen  Aktion“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre durch die Kirche anerkannte kirchenamtliche Struktur erhalten hatte, die liturgische, die biblische und ökumenische Bewegungen Anlass gaben. Diese Bewegungen fanden gleichsam ihren kirchenamtlichen Konvergenzpunkt in der Enzyklika Mystici Corporis (1943) von Papst Pius XII. Darin legte der Parcelli-Papst ein vertieftes theologisches Verständnis von der Kirche vor, auf das auch die Konzilsväter des Zweiten Vatikanischen Konzils verschiedene Male zurückgreifen. Gerade der bewußte Rückgriff auf die Vätertheologie führte dazu, dass die Kirche von den Konzilsvätern als „Communio“ (Gemeinschaft, Griechisch: koinonia) wiederentdeckt wurde.

Der Aufbau der Konstitution Lumen gentium

Am 21. November 1964 haben die Konzilsväter (Papst und Bischöfe) die Kirchenkonstitution Lumen gentium verabschiedet und verkündet. Das Dokument umfaßt acht Kapitel:

  1. Das Mysterium der Kirche
  2. Das Volk Gottes
  3. Die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt
  4. Die Laien
  5. Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche
  6. Die Ordensleute
  7. Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche
  8. Die selige jungfreuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche

Der Konstitution geht eine „erklärende Note“ (Nota explicativa praevia) zum dritten Kapitel über die hierarchische Verfassung der Kirche voraus. Im Zuge der Debatten über das Verhältnis von Primat des Papstes und der Gewalt der Bischöfe kam es zu heftigen Diskussionen in der Konzilsaula und am Rande der Konzilssitzungen. Um die Endfassung des Textes im 3. Kapitel falschen Interpretationen zu entziehen, hat Papst Paul VI. in der Nota explicativa praevia schließlich eine lehramtlich authentische und damit für alle verbindliche Erklärung gegeben, die den Primat des Papstes unterstreicht. Artikel 3 der Konstitution muss folglich im Lichte dieser Erklärung gelesen und verstanden werden. Lumen gentium ist der Schlüsseltext des Zweiten Vatikanischen Konzils, zugleich der Verstehenszugang, der hermeneutische Schlüssel für alle anderen Konzilsdokumente.

Foto: Papst Benedikt XVI. im Petersdom – Bildquelle: Andreas Gehrmann

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