Unterwegs zu den Lübecker Märtyrern

Teil 4: Vikar Hermann Lange - Vertreter des „bellum justum“
Erstellt von Anja Mörchen am 9. Oktober 2011 um 17:03 Uhr

Hermann Lange, der dritte katholische junge Geistliche, der neben Johannes Prassek und Eduard Müller in der Lübecker Herz-Jesu-Kirche wirkte, wurde am 16. April 1912 in Leer in eine bürgerliche katholische Familie hineingeboren und wuchs dort in behüteten Verhältnissen auf. Auf dem Gymnasium in Leer trat Lange der Schülergruppe des 1919 gegründeten Bundes Neudeutschland (ND) bei. Diesem Bund konnten nur katholische Gymnasiasten beitreten, er hatte das Ziel, die junge akademische Elite nicht in das moderne Milieu der Gottlosigkeit abdriften zu lassen. Der ND war für Langes geistige Entwicklung sehr wichtig. Er wurde zunächst Leiter der örtlichen Jugendgruppe des ND und hielt auch später noch als Student und Mitglied des ND-Älteren-Bundes Kontakt zu seiner Leerer Ortsgruppe – wie auch zum dortigen Kolpingverein. 1939 wurde der Bund Neudeutschland, der dem NS-Regime von Anfang an ein Dorn im Auge war, endgültig aufgelöst und verboten.

Nach dem Abitur studierte Hermann Lange von 1933-1937 katholische Theologie in Münster und bezog anschließend das Priesterseminar in Osnabrück. Nach seiner Priesterweihe im Dezember 1938 im Dom zu Osnabrück versah er zunächst zwei Vertretungen, bevor er dann im Juni 1939 Adjunkt an der Herz-Jesu-Gemeinde wurde, und er ein Jahr später zum Vikar ernannt wurde. (Früher wurden in einer Gemeinde mit mehreren Geistlichen, die den Pastor unterstützten, der dienstjüngste Adjunkt, der dienstältere Vikar und der dienstälteste den Pastor unterstützende Priester Kaplan genannt. Diese Unterscheidungen gibt es heute zugunsten des nun vorherrschenden Begriffs „Kaplan“ nicht mehr.)

Neben dem ND wurde Lange u.a. auch stark von seinem Onkel, dem gleichnamigen Osnabrücker Domkapitular Dr. Hermann Lange geprägt. Dieser Onkel war ein hochgebildeter und gleichzeitig sozial engagierter Mann, der 1932 zu den Mitunterzeichnenden eines Aufrufes an Reichskanzler von Papen gehörte. In dem Aufruf wurde von Papen davor gewarnt, den Nationalsozialisten noch weiter entgegenzukommen. Der Priesteronkel galt dem jungen Hermann Lange immer als Vorbild – auch in Hinsicht auf die intellektuelle Bildung.

Die Idee des Nationalsozialismus verabscheute Hermann Lange rigoros – genauso wie Johannes Prassek. Allerdings besaß Lange ein ganz anderes Wesen als Prassek. Sein Denken war zwar radikal, seine Äußerungen aber stets gut durchdacht, und seine Predigten immer gründlich ausgearbeitet. In Gesprächskreisen der Kapläne teilte Lange den Teilnehmenden sein rigoroses Denken mit – er wird sich der damit verbundenen Gefahr voll bewusst gewesen sein. Das konnte ihn, obwohl er im Gegensatz zu Prassek seine Emotionen gut unter Kontrolle hatte, nicht davon abhalten, seine Auffassung, z.B. über den Kriegsdienst und die Möglichkeit seiner Verweigerung, weiterhin kundzutun. Allein folgende Aussage von Lange hätte schon gereicht, um ihn auf das Schafott zu bringen: „Eigentlich darf es an diesem Krieg auf deutscher Seite kein Christ teilnehmen“.

Nach seiner Verhaftung am 15. Juni 1942 kam Hermann Lange zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink in das Lübecker Lauerhof-Gefängnis, das auch heute noch als Justizvollzugsanstalt dient. Die äußeren Haftumstände wie auch die vielen menschlichen Unsicherheiten und Enttäuschungen zehrten an allen Gefangenen, besonders aber an Hermann Lange. Von ihm wird berichtet, dass er in seiner großen Not einmal einen seelischen Zusammenbruch erlitt, vielleicht erwies sich bei ihm der Kontrast seiner behüteten Jugend und der körperlichen und seelischen Gefängnisqualen als besonders groß. Letztendlich fand aber auch er bereits vor dem Prozess in eine bewundernswerte Gottergebenheit hinein.

An seine Eltern schrieb er in dieser Zeit aus dem Gefängnis: „Ich persönlich bin ganz ruhig und sehe fest dem Kommenden entgegen. Wenn man wirklich die ganze Hingabe an den Willen Gottes vollzogen hat, dann gibt das eine wunderbare Ruhe und das Bewusstsein unbedingter Geborgenheit…Menschen sind doch nur Werkzeuge in Gottes Hand. Wenn Gott also meinen Tod will – es geschehe sein Wille. Für mich ist dann eben das Leben in diesem Jammertal beendet und es nimmt dasjenige seinen Anfang, von dem der Apostel sagt: „Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr hat es je gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“.

Foto: Lübecker Märtyrer – Bildquelle: Andreas Gehrmann

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