Letzter Teil des Kommentars zur Instruktion “Universae Ecclesiae” – Teil 15
Artikel 9 der Instruktion “Universae Ecclesiae”, durch die der höchste kirchliche Gesetzgeber die Vorschriften seines Motu Proprio “Summorum Pontificum” erklärt und Vorgehensweisen entfaltet und bestimmt, “die bei deren Ausführung zu beachten sind” (can. 34 § 1), enthält Normen über die Aufgaben der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei”.
Bisherige Aufgaben
Das Motu Proprio “Summorum Pontificum” bestätigt in Artikel 11 die bisherige Kompetenzen der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei”, die ihr Johannes Paul II. nach der von Erzbischof Marcel Lefebvre ohne päpstliches Mandat erteilten Bischofsweihen vom 30. Juni 1988 von Rechts wegen eingetretenen und kurz darauf hoheitlich kirchenamtlich festgestellen Exkommunikation durch das Motu Proprio “Ecclesia Dei adflicta” vom 2. Juli 1988 zugewiesen hat. Die Hauptaufgabe der Päpstlichen Kommission zu diesem Zeitpunkt bestand darin, “die volle Gemeinschaft der Priester, Seminaristen, Ordensgemeinschaften oder einzelner Ordensleute zu ermöglichen, die bisher auf verschiedene Weise mit der von Erzbischof Lefebvre gegründeten Bruderschaft verbunden waren und die mit dem Nachfolger Petri in der katholischen Kirche verbunden bleiben wollen” (Joannes Paulus PP. II, Litterae Apostolicae motu proprio datae ‘Ecclesia Dei’, in AAS 80 [1988] 1498). Über diese Aufgabe hinaus kündigte Benedikt XVI. in “Summorum Pontificum” weitere Amtsaufgaben und Handlungsnormen der Kommission an (SP, Art. 9). Am 2. Juli 2009 vollzog Benedikt XVI. mit dem Motu Proprio “Ecclesiae Unitatem” die Eingliederung der Kommission in die Glaubenskongregation im Hinblick auf den doktrinellen Dialog mit der Bruderschaft St. Pius’ X. “Mit der Inkorporation der Päpstlichen Kommission ‘Ecclesiae Dei’ in die Glaubenskongregation, deren Präfekt in Personalunion zugleich Präsident der Kommission ist, hörte ‘Ecclesia Dei’ auf, eine selbständige Behörde der Römischen Kurie zu sein, da sie nunmehr der Glaubenskongregation untergeordnet ist. Damit ist sie eine Spezialkommission der Kongregation. Innerhalb der Struktur der Glaubenkongregation ist die Kommission von nun an jenes Organ, das sich in intensiverem Maβe, als das bisher der Fall gewesen ist, mit den doktrinellen Fragen im Umfeld des Dialoges mit der Bruderschaft Pius’ X. befaβt” (Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen. Das Motu Proprio ‘Summorum Pontificum’ Papst Benedikts XVI. und der Begleitbrief an die Bischöfe. Ein kirchenrechtlicher Kommentar und Überlegungen zu einer ‘Reform der Reform’”, Bonn 2010, 118).
Ordentliche und stellvertretende hoheitliche Hirtengewalt
Darüber hinaus wies Benedikt XVI. in Artikel 12 von “Summorum Pontificum” der Päpstlichen Kommission eine Kontrollfunktion bei der Umsetzung des Motu Proprio zu: “Dieselbe Kommission wird über die Vollmachten hinaus, deren sie sich bereits erfreut, die Autorität des Heiligen Stuhles ausüben, indem sie über die Beachtung und Anwendung dieser Anordnungen wacht.” Was das praktisch bedeutet, wird in den Nummern 9 bis 10 der Instruktion “Universae Ecclesiae” näher ausgeführt. Zunächst wird festgestellt, dass die Päpstliche Kommission “im Bereich ihrer Zuständigkeit” über “ordentliche, stellvertretende Hirtengewalt” verfügt, und zwar “insbesondere für die Aufsicht über die Einhaltung und die Anwendung der Vorschriften des Motu Proprio ‘Summorum Pontificum’” (UE, Nr. 9). Hirtengewalt meint Leitungsvollmacht (potestas regiminis) in der Kirche. Sie kommt Trägern hoheitlicher Amtsgewalt zu, also dem Papst für die Gesamtkirche und den Bischöfen für die Teilkirchen (d.h. für die Diözesen und ihnen gleichgeordnete Jurisdiktionsbereiche nach can. 368 CIC/1983). Papst und Diözesanbischöfe sowie die von Rechts wegen den Diözesanbischöfen Gleichgeordneten sind aufgrund ihres Amtes Träger hoheitlicher Leitungs- bzw. Hirtengewalt. Diese wird ordentliche, also von Rechts wegen mit einem Amt verbundene Hirtengewalt (potestas ordinaria) genannt und unterscheidet sich darin von der delegierten, d.h. einer Person unabhängig von ihrem Amt verliehenen Gewalt (potestas delegata). Ordentliche Hirtengewalt ist entweder eigenberechtigt (propria) oder stellvertretend (vicaria). Bei der eigenberechtigten ordentlichen Hirtengewalt (potestas ordinaria propria) hat der Amtsträger das Amt in eigenem Namen inne und übt es im eigenen Namen aus. Wer hingegen stellvertretende ordentliche Hirtengewalt besitzt (potestas ordinaria vicaria) übt die Amtsgewalt im Namen eines anderen aus.
Auf teilkirchlicher Ebene: der General- und der Bischofsvikar sowie der Gerichtsvikar (Offizial)
So haben auf Diözesanebene der General-, der Bischofs- und der Gerichtsvikar (Offizial) ein Stellvertretungsamt inne. Anstelle des Bischofs und in seinem Namen sind sie in der Verwaltung (General- und Bischofsvikar) und der Rechtsprechung (Offizial) in der Diözese tätig. Ein Offizial wird darum im Kirchenrecht Judizial- oder Gerichtsvikar genannt. Im Gegensatz zum Generalvikar erfreut sich das Amt des Gerichtsvikars allerdings einer relativen Unabhängigkeit gegenüber dem Bischof. Auf die Urteilsfindung hat der Bischof keinen Einfluss. Der Offizial und die anderen Diözesanrichter sind in der Urteilsfindung einzig Gott (Deum semper prae oculis habentes) und ihrem Gewissen verpflichtet. Der besondere Rechtsstatus des Gerichtsvikars zeigt sich auch darin, dass bei Sedisvakanz dessen Amt im Gegensatz zu dem des Generalvikars (can. 481 § 1) nicht erlischt.
Auf gesamtkirchlicher Ebene: die Römische Kurie
Auf der Ebene der Gesamtkirche haben die Ämter der Römischen Kurie ordentliche stellvertretende Hirtengewalt. Sie handeln im Namen des Papstes und sind ihm gleich-, nicht untergeordnete Instanzen: Der Papst handelt durch sie; sie sind Organe des Papstes. Im allgemeinen werde sie als Verwaltungsbehörden tätig, d.h. im Namen und in Stellvertretung des Papstes führen sie universalkirchliche Gesetze aus und sorgen für ihre Umsetzung. Zuweilen kann der Papst ihnen auch Gesetzgebungskompetenz zuweisen. Auβerdem können einzelne Dikasterien stellvertretende gerichtliche Funktionen ausüben. Auβer den drei ordentlichen höchsten kirchlichen Gerichten (Rota Romana, Signatura Apostolica, Sacra Paenitenziaria) kann z.B. die Glaubenskongregation als Gerichtsinstanz tätig werden.
Die Päpstliche Kommission “Ecclesia Dei”
Die Päpstliche Kommission “Ecclesia Dei” übt auf der Grundlage ihrer vom Papst erteilten ordentlichen stellvertretenden Hirtengewalt vor allem eine Kontrollfunktion aus, die sich insbesondere “auf die Aufsicht über die Einhaltung und die Anwendung der Vorschriften des Motu Proprio ‘Summorum Pontificum’” (UE, Nr. 9) erstreckt. Als mit ordentlicher stellvertrender Hirtengewalt ausgestattete Spezialkommission der Glaubenskongregation hat die Päpstliche Kommission “Ecclesia Dei” unter anderem die Aufgabe, im Hinblick auf eine ordnungsgemäβe Umsetzung des Motu Proprio “Summorum Pontificum” Instruktionen und konkrete Ausführungsbestimmungen zu erlassen. “Auch steht ihr als der zuständigen Verwaltungsinstanz der Römischen Kurie zur Durchsetzung der Normen des Motu Proprio ‘Summorum Pontificum’ das Mittel des Verwaltungsbefehls für Einzelfälle (praeceptum singulare) zur Verfügung, durch das ‘einer Person oder bestimmten Personen unmittelbar und rechtmäβig ein Tun oder Unterlassen auferlegt wird, vor allem um die Beachtung eines Gesetzes einzuschärfen’ (can. 49)” (Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen”, 120).
Hierarchischer Rekurs bei der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei”
Darüber hinaus ist sie gemäβ Nr. 10 der Instruktion “Universae Ecclesiae” die den teilkirchlichen Oberhirten (Ordinarien) übergeordnete hierarchische Instanz, bei der gegen Verwaltungsakte (z.B. gegen bischöfliche Dekrete) der Ordinarien Berufung (Rekurs) eingelegt werden kann. Sie fungiert damit als den Ordinarien übergeordnetes Verwaltungsgericht. Das heiβt, wer sich durch eine bischöfliche Anordnung oder ein bischöfliches Dekret, das eine Materie betrifft, die in den Bereich des Motu Proprio “Summorum Pontificum” liegt, beschwert fühlt, kann bei der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei” einen sogenannten “hierarchischen Rekurs” (recursus hierarchicus) einlegen, also ein kirchliches Verwaltungsverfahren gegen bischöfliche Anordnungen in Gang setzen. Dieses Verfahren wird in den cann. 1732 bis 1739 des Kirchlichen Gesetzbuches (CIC/1983) näher geregelt. In meinem Kommentar zum Motu Proprio habe ich die wichtigsten Schritte dazu kurz erläutert (vgl. Gero P. Weishaupt, “Päpstliche Weichenstellungen”, 89-91). Die letzte hierachische Instanz im Falle eines hierarchischen Rekurses ist das Höchste Gericht der Apostolischen Signatur, worauf die Instruktion “Universae Ecclesiae” in Nr. 10 § 2 hinweist: “Die Dekrete, mit denen die Päpstliche Kommission diese Rekurse entscheidet, können ad normam iuris beim Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur angefochten werden.”
Herausgabe liturgischer Texte
Für den Bereich der sogenannten auβerordentlichen Form des Römischen Ritus hat der Papst der Päpstlichen Kommission “Ecclesia Dei” zudem die Aufgabe zugewiesen, Sorge zu tragen für die Herausgabe liturgischer Bücher. (UE, Nr. 11). Dazu gehören z.B. Messbücher, Ritualien oder Breviere. Die von der Kommission herausgegebenen liturgischen Bücher bedürfen allerdings der vorhergehenden Approbation. Zuständig dafür ist die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung.
Foto: Dr. Gero P. Weishaupt – Bildquelle: privat