Lateinischer Stadtführer über Berlin

Buchbesprechung von Dr. Gero P. Weishaupt.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 8. Juni 2012 um 16:28 Uhr
Reichstag in Berlin

Eine Buchbesprechung von Gero P. Weishaupt

Latein lebt. Es wird nach wie vor gesprochen und geschrieben. Jährlich werden lateinische Theaterstücke und Konzerte aufgeführt, Lateinwettbewerbe organisiert, lateinische Karrikaturen und Cartons entworfen, lateinische Zeitschriften herausgegeben. Der eine oder andere Radiosender rühmt sich, täglich oder wöchentlich Nuntii latini, eine Auswahl von Nachrichten auf Latein, interessierten Lesern anzubieten.

Berolinum Latinum

Ein lateinischer Leckerbissen besonderer Art ist jüngst auf dem deutschen Büchermarkt erschienen: ein lateinischer Stadtführer über Berlin. „Berolinum Latinum. Der 1. Stadtführer auf Latein“ lautet kurz und bündig sein Titel. Die Autoren, Felix Mundt und Antonia Wenel, beide Altphilologen an der Humboldt -Universität in Berlin, führen den Leser in einem gut lesbaren klassischen Latein durch die geschichtsträchtige Bundeshauptstadt. „Die Touren“, so liest man auf dem Coverrücken, „führen nicht nur an Orte, an denen man Historie vermutet – wie z. B. ins Nikolaiviertel, auf die Museumsinsel, über den Gendarmenmarkt oder zum Brandenburger Tor -, sondern auch auf das Kulturforum und den neu gestalteten Postdamer Platz. Selbst Berliner werde an ihrer Stadt neue Seiten entdecken. Zu den einzelnen Führungen treten Bilder, Anekdoten und Texte aus Zeiten, in denen man in Berlin die lateinische Sprache noch an anderen Orten hören konnte als in den Klassenzimmern ausgewählter Gymnasien.“ In fünf Routen (cursus) erlebt der Leser die Weltstadt an der Spree im lateinischem Gewand. Ob es das Rote Rathaus (Curia Rubra), die Neue Wache (Custodia Nova), die Siegessäule (Columna Victoriae), das Schloss Belvue (Castellum Belvue), das Brandenburger Tor (Porta Brandenburgensis), der Postdamer Platz (Forum Potsdamensis) oder das Kulturforum (Forum Culturae) mit der Staatsbibliothek (Bibliotheca Rei Publicae), der Philharmonie (Aula Philharmonica) und der Neue Nationalgalerie (Pinacotheca Publica Nova) ist, alles wird eingehend erläutert und vieles mit Fotos (schwarz-weiß) illustriert.

Ein praktischer Stadtführer

Ein Orts- und Denkmalverzeichnis (Index Locorum et Monumentorum) im Anhang erleichtert dem Nutzer das Suchen, wenn er sich über die eine oder andere Sehenwürdigkeit, den einen oder anderen Ort gesondert informieren möchte.
Besonders nützlich ist dabei, dass der Lateinführer auch die jeweiligen Adresse (inscriptio cursualis) und, sofern vorhanden, die jeweilige Homepages (pagina domestica) einer Einrichtungen oder eines Denkmals aufführt. Außerdem werden Öffnungszeiten von Kirchen, Museen und anderer Einrichtungen sowie öffentliche Verkehrsmittel, soweit den Verfassern bekannt, mitgeteilt.  So erweist sich der Lateinführer tatsächlich als eine praktische Hilfe für den Berlinbesucher.

Lateinkenntnisse gefordert

Voraussetzung ist natürlich die Kenntnis der lateinischen Sprache. Wenngleich der Stil des lateinischen Stadtführers einfach gehalten ist, sollte der Nutzer über gute Lateinkenntnisse verfügen. Ein Vokabelverzeichnis (Glossarium) helfen zusätzlich, wichtige Wörter, die über den klassischen Grund- und Aufbauwortschatz, der an Schulen vermittelt wird, hinausgeht, schnell zu finden, z. B. ars cinematographica (Filmkunst), ars fingendi (die Bildhauerkunst), consul regens (der regierende Bürgermeister), conquinaria ars (Gastronomie), deversorium (Hotel), insigne (Wahrzeichen), spectaculum regere (Regie führen), summa aedificiorum (Gebäudekomplex).

Roma docet

„Berolinum Latinum“ trägt als Untertitel „Der 1. Stadtführer auf Latein“. Der Kenner lateinischer Stadtführer wird hier direkt protestieren. Denn vor Berlin hatte schon die „Urbs aeterna“, Rom selber, einen Stadtführer. Er wurde im Jahre 2000 von keinem Geringeren als dem Augustinerchorherrn Abt Karl (Carolus) Egger, dem einstigen Cheflatinisten der Päpste Pauls VI. und Johannes Pauls II., anlässlich des Milleniumwechsels unter dem Titel  „Roma Aeterna. Praecipua Urbis Monumenta Latine Scienter Explanata“ verfaßt. Mit farbenreichen Fotos versehen führt der einstige  Toplatinist des Vatikans den Leser durch die Ewige Stadt, und das in der Sprache der alten Römer, in einem genussvollen, geschliffenen Latein.

Vorbild

Dennoch ist „Berolinum Latinum“ der erste Stadtführer einer deutschen Stadt auf Latein. Ein zweiter wird  ihm an die Seite gestellt:  Für das Jahr 2014 plant der Rezensent einen lateinischen Stadtführer über Aachen, seine Heimatstadt. Anlass ist der 1.200 Todestag Karls des Großen am 28. Januar 2014. „Berolinum Latinum“ wird ihm dabei Hilfe und Vorbild zugleich sein.

Felix Mundt/Antonia Wenzel
Berolinum Latinum. Der 1. Stadtführer auf Latein
Vergangenheitsverlag, Berlin 2011
186 Seiten
ISBN 9978-3-940621-42-9
Euro 16,90

Foto: Reichstag in Berlin – Bildquelle: Michael J. Zirbes

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