Gaudium et spes. Artikel 10

Die tieferen Fragen der Menschheit.
Erstellt von Gero P. Weishaupt am 5. Oktober 2013 um 12:17 Uhr
Vaticanum II, KonzilsvÀter

Einleitung von Gero P. Weishaupt: Artikel 10 der Pastoralkonstitution Gaudium et spes bietet eine Analyse grundsĂ€tzlicher existentieller Fragen aller Menschen. Die Störungen des Gleichgewichts, die der Mensch in der Welt erfĂ€hrt, haben ihren Ursprung in der Störung des Gleichgewichts im Herzen der Menschen, betonen die KonzilsvĂ€ter mit dem Apostel Paulus. Der Mensch erfĂ€hrt sich als endlich und zugleich auf das Unendliche ausgerichtet, als innerlich zerrissen, von allen Seiten angezogen, als schwach und sĂŒndig. Dieser Zwiespalt hat, wie schon Augustinus und Thomas von Aquin erkannt haben, Folgen auch auf das soziale Miteinander. Aus dieser existentiellen Not heraus stellt der Mensch die Grundfragen nach dem Sinn von Leiden und Tod und nach dem, was er hoffen darf. In dem BemĂŒhen, das Geheimnis des Menschen zu erhellen und eine Lösung auf die Fragen der Zeit zu geben, verkĂŒnden die KonzilsvĂ€ter Jesus Christus, das Licht im Dunkel der menschlichen Existenz, die ruhende Mitte im Wandel der Zeiten und der Zielpunkt der Menschheitsgeschichte.

Gaudium et spes. Artikel 10

„In Wahrheit hĂ€ngen die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer liegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprĂŒchliche Elemente gegeben. Einerseits erfĂ€hrt er sich nĂ€mlich als Geschöpf vielfĂ€ltig begrenzt, andererseits empfindet er sich in seinem Verlangen unbegrenzt und berufen zu einem Leben höherer Ordnung. Zwischen vielen Möglichkeiten, die ihn anrufen, muß er dauernd unweigerlich eine Wahl treffen und so auf dieses oder jenes verzichten. Als schwacher Mensch und SĂŒnder tut er oft das, was er nicht will, und was er tun wollte, tut er nicht. So leidet er an einer inneren ZwiespĂ€ltigkeit, und daraus entstehen viele und schwere ZerwĂŒrfnisse auch in der Gesellschaft. Freilich werden viele durch eine praktisch materialistische LebensfĂŒhrung von einer klaren Erfassung dieses dramatischen Zustandes abgelenkt oder vermögen unter dem Druck ihrer Verelendung sich nicht mit ihm zu beschĂ€ftigen. Viele glauben, in einer der vielen Weltdeutungen ihren Frieden zu finden.

Andere wieder erwarten vom bloßen menschlichen BemĂŒhen die wahre und volle Befreiung der Menschheit und sind davon ĂŒberzeugt, daß die kĂŒnftige Herrschaft des Menschen ĂŒber die Erde alle WĂŒnsche ihres Herzens erfĂŒllen wird. Andere wieder preisen, am Sinn des Lebens verzweifelnd, den Mut derer, die in der Überzeugung von der absoluten Bedeutungslosigkeit der menschlichen Existenz versuchen, ihr nun die ganze Bedeutung ausschließlich aus autonomer VerfĂŒgung des Subjekts zu geben. Dennoch wĂ€chst angesichts der heutigen Weltentwicklung die Zahl derer, die die Grundfragen stellen oder mit neuer SchĂ€rfe spĂŒren: Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes – alles Dinge, die trotz solchen Fortschritts noch immer weiterbestehen? Wozu diese Siege, wenn sie so teuer erkauft werden mußten? Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?

Die Kirche aber glaubt: Christus, der fĂŒr alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann; es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie gerettet werden sollen. Sie glaubt ferner, daß in ihrem Herrn und Meister der SchlĂŒssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist. Die Kirche bekennt ĂŒberdies, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit. Im Licht Christi also, des Bildes des unsichtbaren Gottes, des Erstgeborenen vor aller Schöpfung, will das Konzil alle Menschen ansprechen, um das Geheimnis des Menschen zu erhellen und mitzuwirken dabei, daß fĂŒr die dringlichsten Fragen unserer Zeit eine Lösung gefunden wird.“

Foto: KonzilsvĂ€ter – Bildquelle: Lothar Wolleh / Wikipedia

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