Der Pontifex sprach im Parlament

Papst Benedikt XVI. sprach vor dem Deutschen Bundestag.
Erstellt von Radio Vatikan am 22. September 2011 um 17:51 Uhr

Berlin (kathnews/RV). Mit Spannung ist sie erwartet worden, die Rede von Papst Benedikt XVI. vor dem deutschen Bundestag. Vor den Abgeordneten hat der Papst dann auch gleich zu Beginn seiner Rede festgehalten, dass er als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt, sprechen wird. Was dann folgte, war ein staatsmännisches Plädoyer für Gerechtigkeit und ethisches Bewusstsein in Politik und Gesellschaft. Vor allem die Fähigkeit, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, müsse für einen Politiker einen größeren Stellenwert besitzen als Macht, Erfolg und materieller Gewinn. In diesem Zusammenhang sprach der Papst die dunklen Jahre der jüngeren deutschen Geschichte an:

„Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit. „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“, hat der heilige Augustinus einmal gesagt. Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, dass Macht von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des Abgrunds treiben konnte.“

Was ist aber nun gut und gerecht? Für den Papst hat sich diesbezüglich im letzten halben Jahrhundert das Verständnis von Natur und Vernunft dramatisch verändert. Mit der Folge, dass ein allgegenwärtiges positivistisches, also wissenschaftliches Verständnis dieser beiden Begriffe nur noch funktionale Antworten liefern und keine Brücke mehr zu Moral und Recht herstellen könne.

„Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa, in dem weite Kreise versuchen, nur den Positivismus als gemeinsame Kultur und als gemeinsame Grundlage für die Rechtsbildung anzuerkennen, alle übrigen Einsichten und Werte unserer Kultur in den Status einer Subkultur verwiesen und damit Europa gegenüber den anderen Kulturen der Welt in einen Status der Kulturlosigkeit gerückt und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausgefordert werden.“

Ein tieferes und umfassenderes Verständnis von Vernunft und Natur sei also nötig, so der Papst. Und er fand mit dem Umweltschutz ein ganz konkretes Beispiel: „Ich würde sagen, dass das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren zwar wohl nicht Fenster aufgerissen hat, aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen ist und bleibt, den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet. Jungen Menschen war bewusst geworden, dass irgend etwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt. Dass Materie nicht nur Material für unser Machen ist, sondern dass die Erde selbst ihre Würde in sich trägt und wir ihrer Weisung folgen müssen.“

Das Thema Natur und Umwelt scheint dem Papst besonders wichtig zu sein. Vor allem die Tatsache, dass auch der Mensch Teil dieser Umwelt ist, die es zu schützen gilt: „Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“

Die anwesenden Abgeordneten und Gäste spendeten minutenlang Beifall. Im Bundestag waren während der Rede des Papstes nur wenige Sitze leer geblieben. Einige Abgeordnete waren aus Protest nicht zum Auftritt des Papstes gekommen.

Foto: Reichstag in Berlin – Bildquelle: Marcela auf Commons, CC

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