Der etwas andere Kardinal – Wer ist eigentlich Rainer Maria Woelki?

Martin Lohmann kennt Rainer Woelki seit gemeinsamen Studientagen. Aus Rom, wo unser Autor bei der Kardinalserhebung des Berliner Erzbischofs dabei war, beschreibt er den neuen Purpurträger.
Erstellt von Martin Lohmann am 21. Februar 2012 um 07:58 Uhr
Kardinal Woelki

Berlin/Vatikan (kathnews). Hochgewachsen, schlank, etwas schlaksig, meist unaufgeregt und freundlich. Ist der Mann nun konservativ oder nicht? Auch in Rom, wo soeben das Konsistorium zu Ende ging, bei dem Papst Benedikt XVI. 22 neue Kardinäle kreierte, hat sich so mancher Mitgereiste aus Deutschland die Frage gestellt: Wer ist eigentlich dieser Rainer Maria Woelki wirklich?

Soviel scheint sicher: Einen Schuss Lausbubenmentalität hat der nunmehr mit 55 Jahren weltweit jüngste Purpurträger sich bewahrt. Selbstironie ist ihm auch nicht fremd. Aber ist er nun ein Konservativer? Oder ein verkappter Progressiver? Auf solche Überlegungen reagiert er gerne mit einem gelassen Lächeln. Denn Schubladendenken ist ihm wahrlich fremd. Karriereüberlegungen übrigens auch. Man nimmt es ihm ab, dass er nicht im Traum daran denken konnte, von jetzt auf gleich Erzbischof in der Bundeshauptstadt zu sein. Als Rainer Maria Woelki noch in Bonn Theologie studierte, lag die Bundeshauptstadt am Rhein. Jetzt musste der waschechte Kölner vom großen deutschen Strom an die Spree ziehen. Und von dort führte es ihn geradewegs an den Tiber. Kein halbes Jahr nach seiner Amtseinführung wurde er in das erlauchteste Gremium der Weltkirche berufen. Als Benjamin eines ansonsten eher von alten Herren geprägten Beraterkreises des Heiligen Vaters trägt er nun Purpurrot, oder – um es farbtechnisch genauer zu sagen: karmesinrot. Aus dem Mühlheimer Kölner wurde Seine Eminenz, Rainer Maria Kardinal Woelki.

In Berlin gab es unmittelbar nach seiner Ernennung zum Oberhirten Ängste und Spekulationen. Immerhin hatte der ehemalige Sekretär von Joachim Kardinal Meisner, den dieser zum Leiter des Bonner Theologenkonvikts machte, ausgerechnet an der Opus-Dei-Universität seinen Doktortitel gemacht. Ob das nun ein Omen sein könne, munkelten so manche, die ja immer gerne die Flöhe husten hören und Probleme entdecken wollen, wo es keine gibt. Der etwas derbe Hinweis, dass ein Pferd auch dann ein Pferd bleibe, wenn es in einem Kuhstall geboren wurde, vermochte die Miesmacher ebenso wenig zu überzeugen wie das Faktum, dass auch ein Promovierender an einer Jesuitenhochschule nicht automatisch anschließend ein Jesuit sei.

Und dann kam er, der ehemalige Kölner Weihbischof, nach Berlin. Er überraschte sie fast alle, weil, ja weil er nun nichts unternahm, die vorher für ihn bereitgelegten Klischees zu bedienen. Keine Berührungsängste. Keine Sprüche. Kein Schwarz-Weiß. Stattdessen ein Seelsorger, der genau hinzuhören und hinzusehen versteht, der auf die Menschen ebenso charmant wie unaufdringlich selbstbewusst zuzugehen weiß und der dennoch klar und deutlich an der Frohen Botschaft und der Lehre der Kirche festhält. Gelassen und beinahe zu selbstverständlich formuliert er, was ein Glaube ist – und seine Hoffnung ausmacht. Er redet von Jesus Christus wie von einem Freund, den man respektiert und auf den man hört. Er verkündet die Wahrheit mit einer fast schon unverschämten Selbstverständlichkeit. Er will nicht verurteilen, sondern einladen. Er will keinen vor den Kopf stoßen, scheut sich aber auch nicht, Falsches als falsch zu benennen.

Seine immer wieder zu erkennende Demut wie auch die spürbare Bereitschaft zur Barmherzigkeit mögen bei oberflächlichem Blick täuschen und den Schluss speisen,     Rainer Maria Woelki wisse nicht immer, was er will. Ganz im Gegenteil. Er weiß es sehr wohl. Er will als Zeuge Jesu Christi andere anstecken, entschiedener und auch geborgener selbst Zeuge der Wahrheit mitten im Leben zu sein. Das, so ist er überzeugt, sei kein privilegierter Sonderauftrag nur für Kardinäle. Und überhaupt: Bischof und Kardinal ist man ja schließlich nicht für sich. Es scheint, dass in seinem bischöflichen Wahlspruch „Nos sumus testes – Wir sind Zeugen“ auch die Wahlsprüche der früheren Kölner Erzbischöfe Josef Frings und Joseph Höffner durchschimmern. Der eine sah sich „Pro hominibus constitutus – für die Menschen bestellt“ und der andere wusste sich „justitia et caritas – Gerechtigkeit und Liebe“ verpflichtet. Joseph Kardinal Höffner, der unvergessene bescheidene und sehr kluge wie weise ehemalige Kölner Kardinal, hat Kardinal Woelki nicht nur zum Preister geweiht, sonder auch erkennbar geprägt. Bisweilen scheinen sich sogar Gesichtszüge wie der Blick und die Mundstellung an ihm zu orientieren.

Wenn nun gemunkelt wird, Woelki könne und müsse zusammen mit dem Münchner Kardinal Marx – dem Woelki übrigens nach sehr kurzer Zeit das Etikett „jüngster Kardinal“ klaute – das Gesicht der Kirche in Deutschland neu prägen, dann ist dies nicht nur wahrscheinlich, sondern auch gewiss im Sinne des Papstes. Nicht zuletzt der Bayer auf der Cathedra Petri weiß nur zu gut, dass in seiner Heimat dringend neuer Missionseifer vonnöten ist und dem Verdunsten des Glaubens Einhalt geboten werden muss. Es ist durchaus denkbar, dass der so herrlich unideologische und unprätentiöse Gottesmann in der Bundeshauptstadt genau der richtige ist, weil er ohne Brimborium und Geschnörkel schlichtweg ausspricht, was gesagt werden muss und auch von jedem verstanden werden kann. Der Kirche in Deutschland, die der Benjamin im päpstlichen Senatskreis schon mal irrtümlich „deutsche Kirche“ nennt, wird er sicher gut tun. Nicht nur deshalb sagen manche jetzt schon: Rainer Maria Woelki ist eben der etwas andere Kardinal.

Foto: Kardinal Rainer Maria Woelki – Bildquelle: Martin Lohmann / LohmannMedia

 

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